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Fachhochschulen
Exzellent in der Anwendungsorientierung

Die deutsche Forschungslandschaft sei insgesamt sehr stark grundlagenorientiert, sagte Nicolai Müller-Bromley, der Präsident des Verbands der Fachhochschullehrer, im DLF. Das sei gerade im weltweiten Kontext nicht richtig. Vor allem die Anwendungsorientierung und der Transfer von Wissen in die Industrie seien Kernkompetenzen der Fachhochschulen und wichtig für die Dynamik der Wirtschaft.

Nicolai Müller-Bromley im Gespräch mit Benedikt Schulz | 30.03.2016
    Die Fachhochschule in Potsdam (FHP) am Alten Markt mit der Nikolaikirche im Hintergrund.
    Anwendungsorientierung gehört zu den Kompetenzen von Fachhochschulen. Hier die FH in Potsdam. (picture alliance / dpa / Nestor Bachmann)
    Benedikt Schulz: Wir hören "die Fachhochschulen in die Exzellenzinitative". Darüber wird eigentlich schon diskutiert, seitdem klar ist, dass es mit der Exzellenzinitiative weitergehen wird. Für Bundesbildungsministerin Johanna Wanka anscheinend nicht – die will lieber ein separates Förderprogramm, das dann auch nicht nur für die FHs, sondern auch für kleinere Universitäten gelten soll. Der SPD-Bildungspolitiker Ernst Dieter Rossmann hat ihr gestern hier im Programm in diesem Punkt zugestimmt:
    Ernst Dieter Rossmann: Die Exzellenzinitiative hat ausdrücklich das Ziel, hervorragende, europa- und weltweit ausstrahlende Forschung in den Mittelpunkt zu rücken, und mit allem, was recht ist, aber dies ist etwas, was die Fachhochschulen doch nicht als zentralen Auftrag für sich haben, weltweit bedeutende Forschung mit zu leisten.
    Schulz: In der Berliner Koalition herrscht da also Einigkeit. Was sagen die Fachhochschulen selbst dazu? Fragen an Nicolai Müller-Bromley, Präsident des Hochschullehrerbunds, dem Berufsverband der Professorinnen und Professoren an deutschen Fachhochschulen. Hallo, Herr Müller-Bromley!
    Nicolai Müller-Bromley: Hallo, Herr Schulz!
    Schulz: Leisten die Fachhochschulen weltweit bedeutende Forschung?
    Fachhochschulen leisten weltweit sichtbare Forschung
    Müller-Bromley: Das Stichwort, was Herr Rossmann eben geliefert hat, war schon ganz gut, nämlich Europa, und wenn wir uns die europäischen Forschungsförderprogramme anschauen, dann stellen wir fest, dass die Fachhochschulen da durchaus vertreten sind und dass es durchaus Fälle gibt, wo Fachhochschulen Konsortialführer sind in Verbünden, die dort Projekte erfolgreich lanciert haben. Deswegen glaube ich schon, dass man sagen kann, auch Fachhochschulen leisten – jedenfalls punktuell – europa- und dann auch weltweit sichtbare Forschung.
    Schulz: Und wie finden Sie das, wenn die Bildungsministerin Johanna Wanka sagt, die Exzellenzinitiative, die ist für die wirkliche Spitzenforschung?
    Müller-Bromley: Na ja, was ist wirkliche Spitzenforschung? Ist anwendungsorientierte Forschung denn automatisch keine Spitzenforschung? Das ist ja ein logischer Schluss, den man so, glaube ich, nicht ziehen kann. Spitzenforschung lebt aus der Verbindung von Forschung, Grundlagenforschung, von Anwendungsorientierung und von Transfer in die Industrie. Gerade die beiden letzten Punkte sind Kernkompetenzen der Fachhochschulen.
    Schulz: Werden denn die FHs auf der Forschungsebene nicht richtig ernstgenommen?
    Die Summe, die da ausgegeben wird, ist das Problem
    Müller-Bromley: Das könnte sein. Die deutsche Forschungslandschaft ist insgesamt sehr stark grundlagenorientiert. Das sieht man bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft, die sich im Wesentlichen, obwohl das aus ihrer Satzung nicht erkennbar ist, als Grundlagenforschungsförderer versteht. Insgesamt glaube ich in der Tat, dass wir bei Forschung immer sehr stark an Grundlagenforschung denken, und das halte ich gerade im weltweiten Kontext nicht für richtig.
    Schulz: Jetzt bezogen auf das, was Johanna Wanka da vorgeschlagen hat: Hat denn eine vielleicht, ich sage jetzt mal, speziell auf die Bedingungen von Fachhochschulen zugeschnittene Förderinitiative nicht auch eine ganze Menge Vorteile?
    Müller-Bromley: Also dazu müsste man die Überlegungen, die angestellt werden, schon erst einmal etwas genauer kennen. Es gibt schon ein spezielles Programm für Fachhochschulen – das befindet sich gerade in der Ausarbeitung –, das Programm "FH-Impuls", das ist speziell auf Bedingungen an Fachhochschulen zugeschnitten. Der Umfang, insbesondere die Beteiligung der Länder, ist noch nicht ganz klar, aber da ist natürlich ganz schlicht festzuhalten, dass wir über Summen reden, irgendwie von 100-, 200-, vielleicht dann Millionen Euro, während wir bei der Exzellenzinitiative von fünf oder sechs Milliarden reden, und das ist hier schlicht zunächst einmal der Betrag, die Summe, die da ausgegeben wird, die das Problem darstellt.
    Schulz: Wie viel müssen denn in den kommenden zehn Jahren aus Ihrer Sicht mindestens für die Fachhochschulen dabei sein?
    Eine Dynamik, die wir im weltweiten Wettbewerb benötigen
    Müller-Bromley: Das ist natürlich so nicht zu beziffern. Man kann sicherlich generell die Aussage machen, je mehr Geld ich für die Förderung der anwendungsbezogenen Forschung speziell an Fachhochschulen ausgebe, umso mehr Ergebnisse werde ich dort auch bekommen, und diese Ergebnisse fließen dann hoffentlich schneller in Tätigkeiten der Unternehmungen und der Gesellschaft ein, als dass vielleicht reine Grundlagenforschungsergebnisse tun. Insofern führen sie dann zu einem Mehrwert. Also man kann, glaube ich, nicht sagen, es gibt einen bestimmten Betrag, den wir brauchen und darüber hinaus nichts, sondern je mehr ich hineingebe, umso größer ist, glaube ich, die daraus entstehende Dynamik für unsere Gesellschaft und für unsere Wirtschaft, und das ist eigentlich, was wir gerade im weltweiten Wettbewerb benötigen.
    Schulz: Also nach oben hin offen die Summe.
    Müller-Bromley: Natürlich.
    Schulz: Es wird allgemein gerade über die Zukunft oder die Ausgestaltung der zukünftigen Exzellenzinitiative diskutiert. Wie soll das Ganze gestaltet werden, wie soll eine optimale Forschungsförderung für Fachhochschulen gestaltet werden in Zukunft?
    Müller-Bromley: Also wenn wir doch noch in die Exzellenzinitiative hineinkommen würden, dann wäre dazu eine Möglichkeit über Cluster. Das ist sicherlich für Fachhochschulen generell eine gute Möglichkeit aus verschiedenen Gründen: Erstens inhaltlich, Fachhochschulen sind stark interdisziplinär angelegt, und die großen Zukunftsprobleme, die wir lösen müssen, sind auch interdisziplinär, insofern entspricht das dem Charakter der Fachhochschulen. Zweitens sind die Fachhochschulen natürlich noch nicht in der Breite in allen Forschungsbereichen ausgewiesen, sodass auch das dafür spricht, dass möglicherweise verschiedene anwendungsorientierte Hochschulen dann zusammenwirken. Drittens, eine übergreifende Zusammenarbeit zwischen Hochschulen für angewandte Wissenschaften, zwischen Universitäten und durchaus auch zwischen Unternehmungen.
    Schulz: Nicolai Müller-Bromley, Präsident des Hochschullehrerbunds, das ist der Berufsverband der Professorinnen und Professoren an deutschen Fachhochschulen. Mit ihm habe ich gesprochen über die zukünftige Förderung von Fachhochschulen in Deutschland. Ganz herzlichen Dank!
    Müller-Bromley: Herzlichen Dank!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.