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Fachkräftemangel
Erzgebirge kämpft um Arbeitnehmer

Vor allem im Osten Deutschlands werde sich der Fachkräftemangel in Zukunft verschärfen, prophezeien Wirtschaftsinstitute. Obendrein haben einige dortige Firmen erheblichen Nachholbedarf in puncto Personalplanung. Dabei gilt zum Beispiel das Erzgebirge als wirtschaftlich stark. Allerdings wird die Region so nicht wahrgenommen.

Von Iris Milde | 17.04.2015
    Ein Mitarbeiter vermisst am 21.05.2014 in der Werkzeugproduktion bei Ritterwerk in Groebenzell eine Spritzgussform.
    Viele ostdeutsche Firmen wurden nach 1990 gegründet. Zunächst floss die Kraft in den Aufbau der Firma. Personalplanung blieb auf der Strecke. (picture alliance / dpa / Michael Reichel)
    "Wir stellen Schranken, Drehkreuze, Zugangsanlagen her. Es können Sicherheitsanlagen für öffentliche Einrichtungen sein: Flughäfen, Krankenhäuser, Strafvollzugsanstalten..."
    Was Michael Simon 1990 in seiner Garage gründete, zählt heute zu den "Hidden Champions", den versteckten Gewinnern des Ostens. Die Zabag GmbH mit Sitz im kleinen Erzgebirgsort Grünhainichen rüstet weltweit sensible Einrichtungen wie Botschaften mit Sicherheitszäunen aus.
    "Wir sehen uns schon als Global Player im Bereich Hochsicherheitstechnik."
    Doch dafür braucht das Unternehmen mit 125 Mitarbeitern gutes Personal. Es sei es einfacher, Aufträge zu bekommen als neue Mitarbeiter, so Geschäftsführer Simon. Erfolgreiche mittelständische Unternehmen konkurrieren immer mehr mit Großunternehmen wie Bosch oder Audi um die besten Köpfe, sagt Constanze Wachsmann von der Personalberatungsfirma Kienbaum.
    "Wir haben eben Konzerne, die deutlich größere Personalabteilungen und auch deutlich größere Ressourcen haben, um Personalarbeit zu planen auf der einen Seite, und auf der anderen Seite oft kleinere Unternehmen, wo Personalplanung eigentlich ad hoc verläuft."
    Und das gilt vor allem für Unternehmen in den neuen Bundesländern, wo die Wirtschaft kleinteilig ist. Viele ostdeutsche Firmen wurde nach 1990 gegründet. Zunächst floss die Kraft in den Aufbau der Firma. Personalplanung blieb auf der Strecke.
    "Diese Situation direkt nach der Wende, dass es so ein Überangebot gab, das hat vielleicht ein bisschen dazu verführt, dazu, sich nicht in dem Maße engagieren zu müssen, als das im Westen so der Fall war. Aber jetzt ist es fünf vor zwölf!"
    Der Run auf die Ballungsräume
    Zunehmend spüren die Unternehmen den Bevölkerungsschwund, der Experten zufolge den Osten stärker treffen wird. Für Unternehmen im ländlichen Raum kommt erschwerend hinzu, dass wirtschaftlich starke Regionen wie das Erzgebirge nicht als solche wahrgenommen werden. Großstädte sind für Arbeitnehmer attraktiver. Und auch ausländische Fachkräfte zieht es eher in bekannte Ballungsräume wie München oder Stuttgart, so eine aktuelle Studie der Bertelsmann-Stiftung.
    "Der Fachkräftemangel ist in Westdeutschland in einigen Gegenden genauso groß. Die haben aber noch zwei Ressourcengruppen, die man heben kann. Das sind die Frauen – die Erwerbstätigkeit der Frauen ist in Westdeutschland deutlich niedriger - und die haben deutlich mehr Ausländer."
    Um im Werben um hochqualifizierte Mitarbeiter Schritt zu halten, müsse die Personalplanung in vielen ostdeutschen Firmen deutlich professioneller werden, so Constanze Wachsmann.
    "Gerade so kleinere Unternehmen stecken nicht so viel Kraft da rein, ihre Besonderheit als Unternehmen herauszustellen, also so etwas wie Personalmarketing zu betreiben. Man muss eine Marke aufbauen und das kostet Zeit und Geld."
    Dabei hat der Osten einiges zu bieten, etwa niedrigere Lebenshaltungskosten und eine besser ausgebaute Kinderbetreuung. Kleine Unternehmen haben zudem den Vorteil, dass fähige Mitarbeiter schneller in Verantwortung kommen. Die Nähe zu seinen Mitarbeitern ist auch Unternehmer Michael Simon wichtig.
    "Wir versuchen natürlich, mit kleinen Pralinen die Mitarbeiter zu motivieren, indem wir sagen, zum Geburtstag, wenn ein Kind geboren wird, gibt es Präsente. Die Mitarbeiter bekommen samstags ein Frühstück umsonst. Wir versuchen natürlich auch im Lohnbereich Schritt zu halten."
    Und da sei die Zabag inzwischen auf Westniveau. Trotzdem erwartet Michael Simon keine Trendwende auf dem Bewerbermarkt und setzt deshalb auf Alternativen.
    "Wir denken mehr an Maschinen, Vollautomation, weil wir nicht wissen, wo wir in den nächsten Jahren die Fachkräfte herbekommen sollen."