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Fachtagung in Bonn
Nachhaltig Begabte fördern

Fleiß erlauben, auch den Überfliegern gerecht werden, das wollen Lehrer. Förderangebote gibt es viele in der schulischen und außerschulischen Bildungslandschaft in Deutschland. Aber wann geschieht das nachhaltig? Diese Frage wurde auf der Tagung "Perspektive Begabung: Nachhaltig Fördern" in Bonn diskutiert.

Von Henning Hübert | 13.05.2014
    Schüler der Klasse 7c der Heinrich-Hertz-Stadtteilschule in Hamburg nehmen am 24.03.2014 am Unterricht im Fach Mathematik teil.
    Man müsse leistungsstarken Kindern etwas anbieten, so der Kieler Psychologe und Bildungsempiriker Olaf Kölle. (dpa / Christian Charisius)
    Die Schüler waren ausgewählt für einen Ferienkurs, ihre Lehrer hatten in ihnen besondere Begabungen für einzelne Fächer entdeckt. Und trotzdem waren sie frustriert.
    "Zum Ende einer Schülerakademie – läuft in der Regel 14 Tage – haben wir es mal erlebt, dass die Jugendlichen – 8., 9. Klasse – in einen Sitzstreik eingetreten sind. Weil sie gesagt haben: Hier haben wir das erste Mal gelernt, was Lernen bedeuten kann. Jetzt wollt ihr uns zurückschicken an die Schule, wo das alles nicht funktioniert."
    Für Elke Völmicke, Geschäftsführerin des Zentrums für Begabungsförderung in Deutschland, ein Grund, zu der Bonner Fachtagung einzuladen, auf der sich alles um nachhaltiges Fördern dreht. Inzwischen bietet ihre Institution weiterführende Fördermaßnahmen an. Die verlangt auch der Kieler Psychologe und Bildungsempiriker Olaf Köller. Der Referent auf der Tagung im Wissenschaftszentrum ist Direktor des Leibniz-Instituts für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik - und veranstaltet selbst Naturwissenschafts-Olympiaden.
    "Wir haben Schwierigkeiten in allen Bundesländern, ein Bewusstsein auch aufseiten der Politik zu wecken, dass wir hier spezifisch leistungsstarke Schülerinnen und Schüler haben, denen man etwas anbieten muss. Spezialschulen beispielsweise sind häufig Tabuthemen. Überspringen von Klassenstufen findet viel zu selten statt. Hier gilt es für alle Beteiligten, mehr Bewusstsein dafür auch zu wecken, dass man die leistungsstarken Schülerinnen und Schüler eben mit Zusatzangeboten bedient. Dass sie besonders angefüttert werden, dass es auch politisch nichts Verwerfliches ist, wenn wir eben auch mal auf die Starken schauen und nicht nur auf die Schwachen."
    Die Bonner Tagung "Perspektive Begabung: Nachhaltig Fördern" flankieren Initiativen und spezielle regionale Begabungsförderungen. Vertreten sind zum Beispiel die Städte Wolfsburg und Mannheim - oder Bochum, das sich auf der Fachtagung mit dem Bündnis "Talentmetropole Ruhr" präsentiert.
    Wichtigkeit der Lehrerpersönlichkeit
    Auf breiter Front denken Bildungsforscher über Lernmethoden und Lehrkompetenzen nach. Insbesondere seit der Veröffentlichung der Meta-Studie des Neuseeländers John Hattie überprüft sich die Branche selbst. Ist auch dringend nötig, sagt Olaf Köller. Er betont wie Hattie die Wichtigkeit der Lehrerpersönlichkeit auch für Begabte:
    "Je mehr Fachwissen Lehrerinnen und Lehrer haben, je mehr fachdidaktisches Wissen sie haben, um so eher werden sie in der Lage sein, Schülerinnen und Schüler klug zu fördern. Das ist für uns nicht gerade Neuland, was Hattie da betreten hat, aber es ganz wichtig, dies immer wieder deutlich zu machen: Es sind nicht die Strukturen, sondern es ist die Qualität unserer Lehrkräfte, die dafür Sorge trägt, ob Schülerinnen und Schüler erfolgreich lernen. Ein Jahr mehr oder weniger kann sinnvoll sein, kann aber auch sinnlos sein. Es kommt immer auf die Qualität des Unterrichts an."
    Und auf die Verknüpfung von schulischer und außerschulischer Förderung. Es soll nicht bei einer Urkunde bei der Matheolympiade oder einer guten Jugend-forscht-Teilnahme bleiben. Für Elke Völmicke von Bildung und Begabung sind das nur erste Schritte:
    "Wo finde ich Jugendliche, die ein ähnliches Interesse haben? Wie kann ich mich weiterqualifizieren? Also oft sind es dann Angebote auf der internationalen Ebene, die den nächsten Schritt darstellen. Kann ich schon den Sprung in ein Frühstudium vielleicht wagen? Wie kann ich jetzt noch mal das, was ich auf dem Wettbewerb gelernt habe, in die Schule transferieren? Welche Anregungen kann ich für den Unterricht mitnehmen? All diese Dinge."
    Talente, die auf der normalen Schule nicht klar kommen, hält Olaf Köller für ein Randphönomen.
    "Wir wissen, dass es die gibt, Hochbegabte, die in Schule nicht so abschneiden, wie sie könnten. Wir wissen aber, dass die Mehrheit der Hochbegabten und Hochleistenden relativ erfolgreich durch die Schule geht. Also Schule kann in der Regel gar nicht so schlecht sein, dass sie den Leistungsstarken schadet."
    Gezielte Maßnahmen und Beratung von Eltern
    Elke Völmicke hat bereits ein ganzes Rezeptbuch parat für erfolgreiche nachhaltige Förderung:
    "Mehr Nachfolgeangebote für einzelne Fördermaßnahmen, mehr Beratungsmöglichkeiten auch für Eltern. Bessere Einbindung von Eltern. Lehrer müssen auch befähigt werden, kreative, nachhaltige Lernformen in der Schule anzubieten, was nicht immer leicht ist. Es braucht eine enge Zusammenarbeit aller Bildungsbeteiligten. Damit meinen wir auch den privaten Bereich, den Stiftungsbereich. Da gibt es so vielfältige Angebote, die sich gut koordinieren lassen. Wir brauchen eine enge Verzahnung schulischer und außerschulischer Lernangebote."
    Damit in Sachen Förderkurse nicht gilt: Einmal mit der Wurst gewackelt, und das war's!