Donnerstag, 28. März 2024

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Fälschungen im Museum
"Das passiert jedem mal"

Eine Fälschung in der eigenen Sammlung zu haben, ist für ein Museum fast das Schlimmste, was es gibt. In der Regel verschwinden solche Werke deshalb schnell im Depot. Das Sprengel Museum in Hannover geht nun aber einen ganz eigenen Weg, der Mut erfordert.

Stefan Koldehoff im Gespräch mit Karin Fischer | 27.02.2018
    Eine Frau betrachtet die Bilder der Ausstellung "Fake News" im Sprengel Museum Hannover
    Originale und Fälschungen von Kokoschka und Modigliani im Sprengel Museum (Deutschlandradio / Stefan Koldehoff)
    Ausgerechnet mit einem Raum voller Fälschungen und Fehlzuschreibungen trägt das Sprengel Museum in Hannover nun zur eigenen Glaubwürdigkeit bei. "Mit dieser Ausstellung aus den eigenen Beständen geschieht mehr in Sachen Transparenz, als es jeder Rechenschaftsbericht und jede Podiumsdiskussion vermöchten", sagte Deutschlandfunk-Redakteur Stefan Koldehoff in der Sendung "Kultur heute". Zu sehen sind in der Sonderpräsentation Plastiken, Gemälde und Papierarbeiten, die einmal Alberto Giacometti, Oskar Kokoschka, Amedeo Modigliani, Giorgio de Chirico, Max Beckmann und Wols zugeschrieben wurden. Inzwischen sind Kuratorin Carina Plath und ihre Kolleginnen und Kollegen aus den Fachabteilungen des Hauses sicher, dass sich diese Zuschreibungen nicht mehr halten lassen – und gehen damit an die Öffentlichkeit.
    So handelt es sich bei der Giacometti-Figur nur um einen Abguss des Originals, eine "Surmoulage". Das großformatige Kokoschka-Pastell "Blick auf die Jungfrau von Mürren aus" mit Monogramm "OK" wurde zwar schon 1918 veröffentlicht, kann aber stilistisch nicht von dem deutschen Expressionisten stammen. Modiglianis 1949 erworbenes Frauenbildnis hielt das Museum nie für echt. Ein Beckmann-Aquarell "Blaue Tulpen in Vase" wurde erst bei einer Fachtagung 2005 aus dem Œuvre des Malers ausgeschieden. Und bei den beiden Aquarellen von Wols kommt dessen Witwe als Autorin in Frage: Sie hatte Zugang zu allen Materialien ihres Mannes.
    Ein Fälscher ist selbst eine Fälschung
    Die Ausstellung in Hannover zeige deshalb, so Koldehoff, dass ein Museum immer auch Ort der Forschung sei: "Es gibt kein Kunsthaus ohne abgeschriebene Werke. Das passiert jedem Mal." Wichtig sei es aber, vor lauter Großausstellungen die eigene Sammlung immer wieder neu zu überprüfen: "Die technischen Möglichkeiten dafür ändern sich ja genau so wie stilkritische Erkenntnisse."
    In Hannover hat das sogar amüsante Aspekte: Das ausgestellte Gemälde von Giorgio de Chirico ist das Ergebnis einer Racheaktion unter Künstlern. Weil sie sich darüber ärgerten, dass sich de Chirico vom Surrealismus verabschiedet hatte und sich nur noch selbst kopiere, veranstalteten seine ehemaligen Weggefährten André Breton, Paul Éluard und Óscar Dominguez 1946 in Paris eine Ausstellung mit 20 ausschließlich gefälschten De-Chirico Bildern. Und der Schwitters-Fälscher Carl Gerhardt Rudolf, angeblich Hochschullehrer und Stasi-Mitarbeiter in der DDR, ist selbst eine Fälschung – in Werken und Dokumenten geschaffen vom zeitgenössischen Künstler Dirk Dietrich Henning.