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Fahrzeugtechnik
Eine Zukunft ohne Verkehrstote

Durch Airbags und neue Rückhaltesysteme wird das Auto für Autofahrer immer sicherer. Anders sieht es für äußere Verkehrsteilnehmer wie Fahrradfahrer und Fußgänger aus: In dieser Gruppe bleibt die Zahl der Verkehrstoten unverändert hoch. Bringen computergesteuerte Fahrzeuge auch ihnen eine sichere Zukunft?

Von Jan Rähm | 08.12.2017
    Ein Mann sitzt auf dem Fahrersitz eines Autos, das vom Bordcomputer gesteuert wird
    Nach dem Willen der Autokonzerne sollen autonome Autos schon bald die Straßen bevölkern. Doch wie sollen sie mit menschlichen Verkehrsteilnehmern sinnvoll interagieren? (Imago)
    Ende dieses Jahres werden etwa 3.200 Menschen im Straßenverkehr in Deutschland getötet worden sein - etwa so viele wie im Jahr zuvor. Das prognostizieren die Experten des Vereins Deutscher Ingenieure, kurz VDI. Dass die Zahl der Todesopfer nicht sinkt, stützt die Einschätzung von Rodolfo Schöneburg. Eine Reduzierung der Verkehrstoten wird immer schwieriger, sagt der Ingenieur bei der Daimler AG und Vorsitzende der VDI-Gesellschaft Fahrzeug- und Verkehrstechnik.
    "Durch die neuen Rückhaltesysteme, Airbags, durch die Strukturen, die sich zunehmend verbessern, haben wir da einen deutlichen Rückgang die letzten Jahre gesehen. Allerdings stagniert momentan so ein bisschen die Zahl der äußeren Verkehrsteilnehmer. Also der Anteil der ungeschützten Verkehrsteilnehmer wie Fahrradfahrer, Fußgänger, Zweiradfahrer, die wird relativ größer im Vergleich zu den Fahrzeuginsassen. Also wir haben momentan etwa so eine Verteilung von 50 Prozent Fahrzeuginsassen, 50 Prozent äußere Verkehrsteilnehmer."
    Spurhalte- und Notbremsassistenten
    Große Hoffnungen, die Zahl der Toten weiter zu reduzieren, liegen deshalb auf der Vernetzung und Automatisierung von Teilen des Verkehrs. Vor allem Unterstützungssysteme wie Spurhalte- oder Notbrems-Assistenten können die Zahl der tödlichen Unfälle verringern, erklärt Steffen Müller, Professor an der Technischen Universität Berlin.
    "Wir hatten im Rahmen der Berliner Erklärung uns mal verschiedene Maßnahmen angeschaut - es waren nicht nur ausschließlich Automatisierungsmaßnahmen - und kamen mit dem ganzen Bündel an Maßnahmen, die man sich vorstellen kann, auf eine Zahl zwischen 800 und etwa 1.150 Verkehrstoten, die wir vermeiden könnten. Wenn wir da die Anzahl der Toten separat betrachten, die aufgrund von Automatisierungsfunktionen also Fahrerassistenzfunktionen beruhen, dann können wir da vielleicht noch mal so die Hälfte davon nehmen. Das heißt vielleicht 600, 700 innerhalb der nächsten Jahre durch Automatisierungsfunktionen."
    Fahrzeuge, bei denen der Computer den Fahrer komplett ersetzt, könnten noch mehr Leben retten. Allerdings wird der Effekt solcher automatisierten Fahrzeuge frühestens in zehn bis zwanzig Jahren spürbar sein, davor ist ihr Anteil am Verkehrsaufkommen einfach zu gering.
    "Ich glaube, dass wenn wir erstmal ein gewisses kritisches Maß an Automatisierung überschritten haben, kritisch im Sinne von wir kommen dann in Zahlen, wo wir wirklich deutlich Effekte erzielen können und erleben können, dann denke ich, werden wir auch noch mal besser werden."
    Autonome Autos müssen sich erst beweisen
    Eine Hürde auf dem Weg dahin, dürfte der anfangs noch hohe Preis fahrerloser Fahrzeuge sein. Außerdem müssten die autonomen Autos erst einmal beweisen, dass sie tatsächlich sicherer unterwegs sind als Autos mit Menschen am Steuer, betont Jürgen Bönninger, Geschäftsführer der FSD Fahrzeugsystemdaten GmbH in Dresden.
    "Diese Chauffeurfunktion, wenn wir sie dann zulassen, müssen sicherer sein, als heute der Durchschnittsfahrer. Das bedeutet, wenn wir das über den gesamten Verkehr uns anschauen, mindestens 180 Millionen Kilometer muss dieses Fahrzeug zurücklegen, ohne dass es in einen Unfall mit einem Getöteten verwickelt wird - unabhängig davon, ob das Fahrzeug der Unfallverursacher ist, also das automatisierte Fahrzeug oder ob ein anderes Fahrzeug der Unfallverursacher war."
    Vision Zero wird nicht zu erreichen sein
    Den gemischten Verkehr aus Fahrer-gesteuerten und rein Computer-gesteuerten Fahrzeugen sehen die Experten frühestens in zehn bis fünfzehn Jahren. Denn zunächst würden fahrerlose Autos nur auf eigenen abgesperrten Strecken unterwegs sein, zum Beispiel als Flughafen-Shuttle. Aber selbst wenn Computer in einer ferneren Zukunft einmal 100 Prozent aller Fahrzeuge steuern sollten: Auf Null würde die Zahl der Verkehrstoten auch dann nicht sinken. Da sind sich die Ingenieure einig, sagt Steffen Müller von der TU Berlin.
    "Stellen Sie sich einfach die Situation vor, dass ein Fußgänger plötzlich auf die Straße tritt. Es sind nur wenige Meter bis zum Auto, welches zum Beispiel mit 50 Stundenkilometer fährt. Die Physik gibt einfach kein sicheres Verhalten in dieser Situation her. Insofern wird dort ein Unfall passieren und es wird viele viele andere Situationen geben, wo es auch das geben wird."
    Vision Zero wird also eine Vision bleiben. Aber sie ist ein Ansporn für die Industrie, noch sicherere Autos zu bauen.