Freitag, 19. April 2024

Archiv


Fairplay statt Eigennutz

Psychologie. - Ein in der Ökonomie lange geschätzter Grundsatz war, dass Menschen in wirtschaftlichen Dingen zunächst egoistisch handeln. Dieser Satz gilt nicht mehr in der ursprünglichen Striktheit, und am Jenaer Max-Planck-Institut für Ökonomie konnte jetzt gezeigt werden, dass fairplay durchaus ein Grundsatz im Wirtschaftsleben sein kann. Der Autor der Studie, Tobias Regner, erklärt die Hintergründe im Gespräch mit Ralf Krauter.

30.07.2009
    Regner: Also bei magnatune ist das Prinzip, dass man für ein Musikalbum, das man herunterladen kann, halt den Preis selbst bestimmen kann aus einem bestimmten Intervall. Und zwar geht das von fünf Dollar bis 18 Dollar, wobei acht Dollar von dem Label empfohlen werden. Und was wir herausgefunden haben in dieser Studie, ist, dass zum einen schon einmal ein Großteil der Kunden mehr als das Minimum von fünf Dollar bezahlt hat. Und das im Schnitt sogar ein bisschen mehr als eben dieser empfohlene Preis von acht Dollar gezahlt wurde, nämlich im Schnitt 8,2 Dollar.

    Krauter: Die Kunden bezahlen im Durchschnitt, in der Mehrheit also mehr als sie eigentlich müssten. Was verrät ihre Studie über die Beweggründe, das zu tun? Es ist ja so, dass der Einkauf auf dem Internetportal anonym ist, das heißt, ein Gewinn an sozialem Status oder Reputation ist ja im Gegensatz zu anderen Experimenten auf dem Gebiet da nicht zu erwarten gewesen.

    Regner: Ganz genau. Das kann man im Prinzip ausschließen, dass hier Reputation oder Ähnliches eine Rolle spielt. Unsere Studie, beziehungsweise Nachfolgestudien in dieser Richtung geben Hinweise, dass Gegenseitigkeit, die Reziprozität, wahrscheinlich das Hauptmotiv ist dafür, dass die Leute mehr bezahlen als eigentlich notwendig.

    Krauter: Was muss man sich darunter vorstellen? Ist das so der naive Gedanke von einem fairen Deal für beide beteiligten Parteien?

    Liegt nahe: In gewisser Weise.... ich muss ein bisschen ausholen, denn was Magnatune wirklich besonders macht ist neben diesem Zahlungssysteme auch die Tatsache, dass im Vorfeld der Kaufentscheidung das Label wirklich sehr nett ist, in Anführungszeichen, das heißt, potentielle Kunden können sich Musik anhören über Streaming, so oft sie wollen. Im Gegensatz zu den üblichen Anbietern, wo das normalerweise auf 30-Sekunden-Schnipsel begrenzt ist. Und die Kunden können außerdem das Dateiformat frei bestimmen. Es wird also im Grunde alles getan, um dem Kunden einen Komplettservice anzubieten. Und gerade diese Tatsache, dass die Leute in die Musik reinhören können, bevor sie die Kaufentscheidung treffen müssen, bedeutet im Grunde, dass sie viel informierter Musik konsumieren können. Und - das wäre jetzt der erste Schritt dieser Gegenseitigkeit - Leute oder Kunden, die darauf ansprechen, sind dann auch diejenigen, die bereit sind mehr zu zahlen, und nicht nur mehr als das reine Minimum, sondern oft auch mehr als den empfohlenen Preis.

    Krauter: Was bedeutet das für andere Marktsegmente? Lässt sich diese Idee, dieses Geschäftsmodell, das auf fair play basiert, auf andere Bereiche übertragen, oder wird das ein Nischenansatz bleiben?

    Regner: Das ist natürlich eine gute Frage, die wir auch gerade weiter analysieren, wo denn eigentlich die Grenzen von diesem, ja, fair deal, sage ich mal, sind. Denn man muss sich natürlich im Klaren sein, dass das durchaus ein Nischenanbieter ist. Das sind Künstler, die relativ unbekannt sind, die bei magnatune unter Vertrag stehen, also keinerlei große Namen wie Madonna zum Beispiel. Und man kann sich natürlich auch ganz gut vorstellen, dass diese Art von Geschäftsmodell für Künstler wie, ja bleiben wir bei Madonna, nicht funktionieren wird. Der Zwischenbereich, da wird natürlich ganz interessant auszuloten, bis wohin das skalierbar ist, dieses Geschäftsmodell. Aber ich denke mal, man kann auf jeden Fall sagen, dass es für relativ unbekannte Künstler, neue Musiker, eine sehr interessante Sache ist, dieses Modell aufzunehmen.

    Krauter: Müssen die Ökonomen ihr lang gehegtes Paradigma, dass die Menschen immer nur auf ihr eigenen Nutzen aus sind, auch als Kunden, ist das angezählt?

    Regner: Ja, man könnte es sagen, wobei es in der Profession der Ökonomie schon akzeptiert wird, dass Leute nicht mehr ausschließlich von Eigeninteresse, von Eigennutz motiviert sind, das ist schon ein bisschen angezählt und vielleicht auch schon ausgezählt. Man muss eben genau untersuchen; das bedeutet in keinster Weise, dass Menschen immer und in jedem Zusammenhang von solchen Gegenseitigkeitsprinzipien, oder Fairness motiviert sind. Aber es gibt auf jeden Fall Situationen, speziell wenn es Interaktion ist mit einem konkreten Gegenüber, dass andere Motivation eine große Rolle spielen sogar, und dass man eben von diesen Eigennutz als treibende Motivation etwas Abstand nehmen muss.