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Fake News
"Man muss überlegen, wie man Regulierungen schafft"

Der Grünen-Politiker Konstantin von Notz hat klare Standards für die Betreiber von Online-Plattformen gefordert, um die Verbreitung so genannter Fake News zu vermeiden. Diese könne man im Internet genauso verlangen, wie man es auch bei Zeitungen und beim Rundfunk tue, sagte von Notz im Deutschlandfunk.

Konstantin von Notz im Gespräch mit Peter Kapern | 15.06.2017
    Konstantin von Notz (Bündnis 90/Die Grünen) spricht im Bundestag.
    Konstantin von Notz (Bündnis 90/Die Grünen) spricht im Bundestag. (picture alliance / dpa / Maurizio Gambarini)
    Peter Kapern: Schöne neue digitale Welt. Da kann man sich im Internet Diffamierungskampagnen bestellen, wie früher die Bettwäsche im Otto-Katalog. Ein gefakter Kommentar unter einem YouTube-Video? Kostet umgerechnet zwei Cent. Oder eine monatelange Diffamierungskampagne, gestützt auf Tausende von willigen Helfern, die täuschend echt aussehende gefälschte Nachrichtenseiten betreiben? Kostenpunkt etwa 375.000 Euro. So hat es die renommierte IT-Sicherheitsfirma Trend Micro in einem Bericht beschrieben, der vor zwei Tagen veröffentlicht wurde.
    Und bei uns am Telefon ist Konstantin von Notz, stellvertretender Fraktionschef und Netzpolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag. Guten Morgen!
    Konstantin von Notz: Guten Morgen, Herr Kapern!
    Kapern: Herr von Notz, das Entsetzen und das Befremden war groß, als Trend Micro seinen Bericht da veröffentlicht hat – bei Ihnen auch?
    von Notz: Wir beobachten ja diese Entwicklung seit mehreren Jahren, aber es ist ein sehr ernst zu nehmendes Problem, ohne Zweifel.
    Kapern: Was genau überrascht Sie an diesem Bericht am meisten.
    von Notz: Diese offensichtlich ja wirtschaftlichen Strukturen, die es da inzwischen gibt. Dass das ein eigener Markt ist, der wahrscheinlich erhebliche Umsätze auch hat, das ist in dieser Form und sozusagen so herausgearbeitet schon neu. Aber diese Phänomene, die Frage der Manipulation, der Propaganda, der Fake News, damit beschäftigen wir uns ja schon eine gewisse Zeit.
    "Da braucht man vielschichtige Antworten und kein Blame Game"
    Kapern: Aber wir haben, während wir uns damit beschäftigt haben, immer mit dem Finger in eine bestimmte Richtung gezeigt. Wir haben immer vermutet, dass da Geheimdienste dahinterstecken, dass da Regierungen dahinterstecken, oder, um es im Klartext zu sagen, dass Vladimir Putin dahintersteckt. Und jetzt erfahren wir, dass diese Angebote weltweit unterbreitet werden, und jeder, der das Geld hat, sich solche Leistungen kaufen kann, solche Diffamierungskampagnen. Freispruch Putin?
    von Notz: Nein, das nicht zwingend, aber man muss sagen, dass also die Differenzierten unter uns auch schon in der Vergangenheit gesagt haben, diese eindeutige Himmelsrichtungszuweisung ist etwas unterkomplex. Es geht um ein grundsätzliches Problem im Netz und der Wahrhaftigkeit von Informationen da. Da braucht man vielschichtige Antworten und kein Blame Game.
    Aber natürlich ist auch Russland und sind auch andere Länder Player in dem Ausnutzen dieser Propagandamöglichkeiten. Aber wenn man jetzt sagt, das ist alles ein Problem, das uns aus dem Osten entgegenkommt, ist das massiv unterkomplex. Es geht um ganz grundsätzliche Fragen, wie heutzutage eben Informationen weitergegeben werden, wahrgenommen werden, wie Wahlkampf läuft. Da muss man sich differenzierter mit auseinandersetzen.
    Kapern: Wie groß ist die Gefahr, die von diesen käuflichen Fake-News-Kampagnen ausgeht?
    von Notz: Ich glaube, dass das schon ein ernst zu nehmendes Problem ist, diese Manipulationsanfälligkeit der digitalen Informationsweitergabe, wie wir sie kennen. Die Problematik, dass Medien manipulieren können, die ist nicht neu.
    Wenn man sich überlegt, was wir an Regularien geschaffen haben, um Fernsehen und Rundfunk und auch den Printbereich sozusagen auszugestalten und vor Missbrauch zu bewahren, dann sieht man sozusagen, das Grundproblem ist ein altes, aber im Hinblick auf die digitale Welt ist eben praktisch nichts passiert bisher, und man muss sich da, glaube ich, Gedanken machen, wie man auch hier Regulierungen schafft.
    "Beleidigung, Verleumdung und diese Dinge sind im Netz strafbar, und man muss sie dann auch verfolgen"
    Kapern: Wie könnte so was aussehen?
    von Notz: Ich glaube, dass die Diskussion ja schon begonnen hat im Hinblick auf die Frage, inwieweit sind die Plattformanbieter in der Pflicht, gegen Fake News vorzugehen. Es geht aber nicht nur um Regulierung, sondern es geht auch darum, dass die Leute ein Problembewusstsein haben, also wir sind alle selbst auch in der Pflicht, nicht alles unkritisch und unhinterfragt im Netz für bare Münze zu nehmen.
    Ich glaube, eigentlich steckt da sowohl für die Privaten, vor allen Dingen Verlage, also die Häuser der Zeitungen, wie auch für den öffentlich-rechtlichen Bereich eine große Chance drin, sozusagen ihren Brand, ihre Kompetenz und das Vertrauen, das Leute in sie haben, zu nutzen, um eben im Internet sozusagen Plattformen zu sein, denen man vertrauen kann, wenn Informationen weitergegeben werden. Das muss man nur forcieren und ausbauen und sich selbst eben auch sehr strenge Standards schaffen, dann ist das auf lange Sicht, glaube ich, ein gutes Konzept gegen diese Fake News und Propagandamechanismen, die wir im Augenblick beobachten.
    Kapern: Herr von Notz, im Kern besteht das Problem doch darin, dass Lügenkampagnen im Internet zu kaufen sind. Ist das verboten, ist Lügen eigentlich verboten? Ist das ein Gesetzesverstoß?
    von Notz: Nein, Lügen ist nicht verboten, aber wenn es eben an Verleumdung und Diffamierung geht, und das kommt ja häufig vor, dann sind natürlich auch strafgesetzlich Dinge machbar, und da braucht man Staatsanwaltschaften und internationale Zusammenarbeit. Staatsanwaltschaften, die die Kompetenz und vor allen Dingen auch die Muße und die Verbindungen international haben, um dann gegen solche Sachen vorzugehen. Aber es ist völlig klar, Beleidigung, Verleumdung und diese Dinge sind im Netz auch strafbar, und man muss sie dann auch verfolgen.
    Kapern: Nehmen wir doch mal ein Beispiel heraus, das mir erinnerlich ist. Diese Kampagne, die da gestartet wurde über den angeblichen sexuellen Missbrauch, verübt an einer jungen Russlanddeutschen, von Flüchtlingen. Nichts davon war wahr, gleichwohl ist die russische Regierung auf diesen Zug mit aufgesprungen. Das ist nun eine Lüge, aber keine Diffamierung, keine Verleumdung. Man hat doch gar kein Werkzeug gegen so etwas.
    von Notz: Nein. Propaganda, und das war ja in dem Fall Propaganda, und es gibt ganz viele ähnliche Beispiele, wo das Strafrecht bewusst offensichtlich nicht verletzt wurde. Gegen Propaganda kann man mit Strafrecht wenig machen. Man kann nur aufklären. Und ich meine, gegenüber Propaganda, die man klar zuordnen kann, wie in diesen Fällen, kann man sich auch diplomatisch wehren. Auch da sehe ich im Augenblick noch nicht die Möglichkeiten voll ausgeschöpft, denn das ist natürlich an Bösartigkeit nicht zu überbieten.
    "Es gibt schon ein erhebliches Eigeninteresse"
    Kapern: Aber wenn man keine rechtliche Handhabe gegen so was hat, wo soll denn dann die rechtliche Handhabe herkommen, die nötig wäre, um Provider dazu zu zwingen, gegen solche Lügenkampagnen vorzugehen bei Ihren Internetangeboten.
    von Notz: Ich glaube, es ist am Ende des Tages im Interesse dieser Plattformbetreiber selbst. Wenn Facebook, und die Entwicklung wird ja immer stärker so, wenn Facebook sozusagen ein Ort der Unwahrhaftigkeit, der Lüge, der Propaganda und der Verleumdung wird, dann wird dieses Unternehmen massiven Schaden nehmen. Insofern gibt es da schon ein erhebliches Eigeninteresse. Und das ist natürlich genau die Kritik an dem Maas-Entwurf, Netzdurchsetzungsgesetz, dass dieser Begriff der Fake News, der da verwendet wird, das ist ja kein legal definierter Begriff, insofern ist er schwammig, und so kann man es nicht machen, wie Maas es hier macht.
    Aber trotzdem glaube ich, bestimmte Standards zu setzen, so, wie man das gegenüber den konventionellen Medien, also Zeitungen und dem Rundfunk auch macht, eben bestimmte Standards zu verlangen, das kann man auch von Plattformbetreibern tun. Und ich glaube, am Ende des Tages ist es in ihrem ureigenen Interesse, denn sonst werden diese Plattformen – und das ist nicht nur Facebook, das ist auch YouTube und viele andere, eben zu Orten der Diffamierung und der Propaganda, und daran kann eigentlich niemand und auch nicht diese Plattforminhaber Interesse haben.
    Kapern: Sagt Konstantin von Notz, der Stellvertretende Fraktionschef der Grünen im Bundestag. Herr von Notz, danke, dass Sie heute früh Zeit für uns hatten. Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag!
    von Notz: Ich danke Ihnen!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.