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Fall Deniz Yücel
Türkischer Botschafter zum Gespräch im Auswärtigen Amt

Bundesaußenminister Sigmar Gabriel hat wegen des in der Türkei inhaftierten Journalisten Deniz Yücel den türkischen Botschafter zu einem Gespräch gebeten. Der Fall stellt laut Gabriel das deutsch-türkische Verhältnis vor eine seiner größten Belastungsproben in der Gegenwart.

28.02.2017
    Sigmar Gabriel spricht in Mikrofone.
    SPD-Chef und Bundesaußenminister Sigmar Gabriel auf einer Pressekonferenz in Salzgitter am 23.02.2017. (dpa/Holger Hollemann)
    Das Auswärtige Amt habe den türkischen Botschafter Kemal Aydin in Berlin zu einem Gespräch geladen, um gegen die Inhaftierung des "Welt"-Journalisten Yücel zu protestieren, sagte Gabriel. Das Gespräch führte Staatsminister Walter Lindner im Auftrag des Bundesaußenministers.
    Dabei habe Lindner klargemacht, dass die Verhaftung zeige, dass die Anwendung rechtsstaatlicher Grundsätze zwischen der Türkei und Europa mittlerweile sehr weit auseinander läge und dass es "sehr große Bewertungsunterschiede" bei der Presse- und Meinungsfreiheit gebe. "Die Solidarität mit Deniz Yücel ist der Ausdruck der klaren Haltung in der deutschen Öffentlichkeit," so Gabriel.
    Bundesregierung will sich für Freilassung einsetzen
    Zudem erschwere der Fall Yücel ein "rationales Verhältnis" zwischen der Türkei und Deutschland sowie der EU, warnte Gabriel. Die Gutwilligen auf beiden Seite würden durch das Vorgehen der türkischen Justiz brüskiert. Er forderte vollen Zugang der Botschaftsmitarbeiter in Istanbul zu Yücel, um ihn in der Untersuchungshaft zu betreuen. Die ganze Bundesregierung setze sich für die sofortige Freilassung ein, betonte Gabriel.
    Für die Bundesregierung sagte der Außenminister: "Wir alle setzen uns mit großem Nachdruck dafür ein, dass Deniz Yücel so schnell wie möglich frei kommt und dass es zu einer guten Lösung kommt - für Deniz Yücel, für die Presse- und Meinungsfreiheit, aber auch für das deutsch-türkische Verhältnis." Bereits gestern hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel die Entscheidung der türkischen Richter "bitter und enttäuschend" genannt.
    Grüne: Quittung für die Bundesregierung
    Die Opposition wirft der Bundesregierung vor, der Türkei gegenüber zu schwach aufzutreten. Für den Grünen-Außenpolitiker Omid Nouripour ist der Fall Yücel die Quittung dafür, dass die Grenzüberschreitungen des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan bislang unwidersprochen geblieben seien. Die Vorsitzenden der Linken-Bundestagsfraktion, Dietmar Bartsch und Sahra Wagenknecht, erklärten, die Bundesregierung müsse sich "nachdrücklich und ernsthaft" für die Freilassung Yücels einsetzen.
    FDP-Vizechef Wolfgang Kubicki forderte ein Einreiseverbot für türkische Regierungsmitglieder. Er sagte, es sollten auch für Ministerpräsident Binali Yildirim bis auf Weiteres keine Visa für die Einreise nach Deutschland erteilt werden. Er appellierte an Gabriel, der Botschaft in Ankara eine entsprechende Anweisung zu geben.
    Mehr als 300 Journalisten und Künstler fordern Freilassung
    Gegen den 43-jährigen Journalisten Yücel war gestern Untersuchungshaft verhängt worden. Die kann in der Türkei bis zu fünf Jahre dauern. Yücel werden Terrorpropaganda und Aufstachelung zur Gewalt vorgeworfen. In Deutschland und auch in anderen Ländern wächst der Protest gegen die türkische Justiz. In Deutschland forderten heute mehr als 300 Journalisten, Schriftsteller und Künstler in ganzseitigen Zeitungsanzeigen die Freilassung des Reporters.
    (cvo/fwa)