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Fall Edathy
Högl sieht SPD-Spitze in wichtigem Punkt entlastet

In der Edathy-Affäre geht es um die Frage: Wer wusste was - und wer hat wem wann davon berichtet? Die Vorsitzende im Untersuchungsausschuss sieht nun die SPD-Spitze entlastet. Die SPD-Politikerin Högl sagte im DLF, Fraktionschef Thomas Oppermann, Parteichef Sigmar Gabriel und Außenminister Frank Walter Steinmeier hätten gestern eines überzeugend dargelegt: Dass sie Sebastian Edathy nicht vor den Ermittlungen gewarnt haben.

Eva Högl im Gespräch mit Friedbert Meurer | 19.06.2015
    Eva Högl (SPD) ist Vorsitzende des Untersuchungsausschusses zur Edathy-Affäre.
    Eva Högl (SPD) ist Vorsitzende des Untersuchungsausschusses zur Edathy-Affäre. (imago/Reiner Zensen)
    Högl berichtete im Deutschlandfunk von der gestrigen Sitzung des Untersuchungsausschusses. Die Anhörung dauerte nach ihren Worten 13 Stunden. Viele Fragen seien beantwortet worden, nur sei man nicht fertig geworden. Darum werde die Befragung von Thomas Oppermann am 1. Juli fortgesetzt.
    Klar sei gestern aber eines geworden: Oppermann, Gabriel, Steinmeier hätten Edathy ebensowenig vor den Ermittlungen wegen Kinderpornografie gewarnt wie der damalige Innenminister Hans-Peter Friedrich. Das hätten alle sehr überzeugend dargelegt. Friedrich hatte Gabriel am 17. Oktober 2013 über die Ermittlungen informiert. Högl betonte, die drei SPD-Politiker hätten gestern glaubwürdig geschildert, dass die Information zu diesem Zeitpunkt neu für sie war und sie nicht schon vorher davon gewusst hätten. Högl betonte, heute sei man aber dessen ungeachtet sicher, dass Edathy von irgendjemandem über die Ermittlungen informiert wurde - nur wisse man nicht, von wem.

    Das Interview in voller Länge:
    Friedbert Meurer: Mit dabei natürlich auch die Vorsitzende dieses Ausschusses, Eva Högl von der SPD. Guten Morgen, Frau Högl.
    Eva Högl: Schönen guten Morgen, Herr Meurer.
    Meurer: Wie fällt Ihre Bilanz dieses Tages aus, der ja ein Höhepunkt in der Geschichte des Ausschusses sein sollte?
    Högl: Ja, das war in der Tat ein Höhepunkt. Wann hat man schon mal vier Zeugen von solchem politischem Gewicht in einem Untersuchungsausschuss, Friedrich, Gabriel, Steinmeier und Oppermann. Wir haben 13 Stunden getagt. Ich muss feststellen, wir konnten viele Fragen beantworten, die wir hatten, denn wir sind gestern unserer zentralen Nachfrage nachgegangen: Wurde Sebastian Edathy vor den staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen gewarnt, auch konkret vor den Durchsuchungen.
    "Wir gehen alle davon aus, dass Sebastian Edathy gewarnt wurde."
    Meurer: Aber die Antwort darauf haben Sie gestern ja nicht gefunden, oder?
    Högl: Diese Frage können wir schon beantworten, denn wir gehen alle davon aus, dass Sebastian Edathy gewarnt wurde. Aber den zweiten Teil der Frage, wer warnte ihn, den konnten wir gestern nicht beantworten. Aber wir konnten ihn für die Personen ausschließen, denn alle vier haben sehr überzeugend dargelegt, dass sie es nicht waren, die Sebastian Edathy gewarnt haben.
    Meurer: Was war daran für Sie überzeugend? Sie haben das behauptet, dass sie es nicht gewesen sind. Aber die Opposition, wie wir gehört haben, hat da ja Zweifel.
    Högl: Ja. Die Opposition hat Zweifel daran, dass diese Informationen so weitergegeben wurden, wie sie weitergegeben wurden. Aber alle vier Zeugen haben das sehr überzeugend, sehr glaubwürdig dargelegt, dass sie diese Informationen nicht an Sebastian Edathy weitergegeben haben. Und es war für uns natürlich auch wichtig zu wissen, hatten Sigmar Gabriel, Frank-Walter Steinmeier und Thomas Oppermann die Information schon vorher. Das wird nämlich ja behauptet, dass es gar nicht der Information durch Friedrich bedurfte.
    Da haben doch alle ausgesagt, auch Friedrich selbst, dass diese Information über Sebastian Edathy für alle neu war, als Friedrich sie berichtet hat, und dass alle überrascht waren. Das war sehr glaubwürdig gestern, wie das alle dargelegt haben.
    Weiterhin Widersprüche
    Meurer: Frau Högl, so wie wir das lesen, hat Hans-Peter Friedrich gesagt, er hatte den Eindruck, dass Sigmar Gabriel überrascht war, als er ihm das gesagt hat. Was sagen Sie denn zu den Ungereimtheiten, dass der SPD-Vorsitzende sich nicht mehr so genau daran erinnern kann, wann er denn an diesem Tag, an dem ja doch ziemlich Bedeutsames passiert ist, wann er denn Frank-Walter Steinmeier als Fraktionsvorsitzenden angerufen hat und ob er Thomas Oppermann angerufen hat?
    Högl: Ja, Sigmar Gabriel kann sich daran nicht mehr genau erinnern. Friedrich hat gesagt, es sei am Rande der Sondierungsgespräche am 17.10. gewesen. Die endeten ungefähr um 15 Uhr und Sigmar Gabriel wusste jetzt nicht mehr ganz genau, wann er wiederum Thomas Oppermann informiert hat. Der hat aber bereits um 15:29 Uhr bei BKA-Präsident, ehemals, Ziercke angerufen.
    Meurer: Eben! Das war nur eine halbe Stunde. Das muss ja geradezu eine Blitzkette gewesen sein.
    Högl: Ja, das ist ein knapper Zeitraum. Wir müssen ja auch berücksichtigen: Sigmar Gabriel kann sich nicht mehr erinnern. Das kann man nachvollziehen. Dass man da den einzelnen zeitlichen Ablauf nicht mehr so ganz vor Augen hat, das finde ich grundsätzlich nachvollziehbar. Das war auch bei Herrn Friedrich in der Aussage so. Das können Sie anhand ihres Kalenders rekonstruieren, aber sie können sich nicht erinnern.
    Aber der entscheidende Punkt ist: Vom BKA von der Telefonanlage wissen wir, dass es 15:29 Uhr war. Das haben wir als gegeben hingenommen. Es sind also wenige Minuten. Über diesen Widerspruch sind wir gestern auch nicht hinweggekommen. Das muss man auch ganz klar sagen. Das sind nur wenige Minuten. Das kann geklappt haben, aber wir wissen es auch nicht. Auf jeden Fall ist doch klar, dass Thomas Oppermann die Information ganz offensichtlich aus der Kette Friedrich/Gabriel hatte.
    Meurer: Wieso offensichtlich, Frau Högl? Nur eine halbe Stunde. Warum offensichtlich hat Thomas Oppermann das über die Kette erfahren und nicht schon von irgendwo anders her?
    Högl: Weil wir bisher keine einzige Aussage haben und kein einziges Blatt in den Akten, die besagt, dass Thomas Oppermann die Information über Sebastian Edathy von einer anderen Stelle aus einer anderen Quelle hat.
    Wer Edathy warnte, bleibt weiter unklar
    Meurer: Wichtige Frage, Sie haben es gesagt: Wurde Sebastian Edathy gewarnt? Die Antwort lautet ja. Wer hat ihn gewarnt? Das weiß man noch nicht. Jetzt haben wir gerade noch mal den Hinweis gehört, der SPD-Abgeordnete Michael Hartmann, der die Aufgabe hatte, sich um Edathy zu kümmern, dem es ja schlecht ging, der soll vorher schon gesagt haben und Zeugen hätten das mitgekriegt, ich habe meine Infos von der SPD-Spitze, dass da was läuft gegen Edathy. Wie schwer wiegen diese Vorwürfe?
    Högl: Diese Vorwürfe wiegen natürlich schwer. Das ist überhaupt keine Frage. Wir haben die Behauptung von Sebastian Edathy, er sei von Michael Hartmann gewarnt. Er hatte vorher immer was anderes gesagt, er sei aus den Medien darüber informiert worden. Nun belastet Sebastian Edathy Michael Hartmann. Michael Hartmann hat bei seinen zwei Vernehmungen im Untersuchungsausschuss dieses bestritten. Wir haben also die Situation Aussage gegen Aussage und wir können leider Michael Hartmann nicht mehr vernehmen, weil er von seinem Auskunftsverweigerungsrecht Gebrauch macht.
    Meurer: Sie werden aber Thomas Oppermann noch mal vernehmen. Warum jetzt noch mal, nachdem er ja gestern da war?
    Högl: Wir sind gestern nicht mehr fertig geworden mit seiner Vernehmung. Wir wollten auch nicht weiter als Mitternacht tagen. Die Vernehmung von Friedrich, Gabriel und Steinmeier hat doch länger gedauert als geplant. Deswegen haben wir jetzt vereinbart, dass wir uns noch mal wieder zusammenfinden, am Mittwoch, den 1. Juli um elf Uhr, und da setzen wir dann die Vernehmung von Thomas Oppermann fort.
    "Solche Informationen müssen wirklich höchst vertraulich behandelt werden."
    Meurer: Insgesamt betrachtet, Frau Högl, wundern Sie sich, wenn Sie das alles Revue passieren lassen, wie munter in der politischen Top-Etage über ein Ermittlungsverfahren geredet wurde, von dem eigentlich Politiker gar nichts wissen sollten?
    Högl: Oh ja. Darüber wundern wir uns alle und alle, die das mitbekommen, zu Recht. Deswegen ist eine Lehre aus dieser Geschichte und aus diesem Untersuchungsausschuss auch, solche Informationen müssen wirklich höchst vertraulich behandelt werden. Sie dürfen keinesfalls weitererzählt werden. Das ist ganz entscheidend. In der Politik sollte bei solchen sensiblen Sachverhalten wirklich weniger gesprochen werden und weniger erzählt werden.
    Meurer: Will sagen, Frau Högl, Ihre drei Top-Parteifreunde Gabriel, Steinmeier und Oppermann haben gerade eine Rüge von Ihnen bekommen.
    Högl: Und Herr Friedrich. Herr Friedrich hat natürlich als erster das Geheimnis, was er gar niemandem hätte weitersagen dürfen, außer vielleicht der Bundeskanzlerin, das hat er Sigmar Gabriel weitererzählt. Das kann man nachvollziehen, ...
    Meurer: Der hat aber schon seinen Job hinlegen müssen.
    Högl: Genau. Das war nett und das ist ehrenwert und dafür verdient er den allergrößten Respekt. Aber das hätte nicht sein dürfen. Er hätte es nicht weitersagen dürfen.
    Meurer: Und die drei SPD-Topleute hätten es auch nicht weitersagen dürfen?
    Högl: Ganz genau. So ist es.
    Meurer: Eva Högl leitet den Untersuchungsausschuss zu den Vorwürfen gegen Sebastian Edathy. Gestern war noch mal großes Schaulaufen mit wichtigen Zeugen. Einen Verhandlungstag, einen Zeugenanhörungstag soll es noch mal geben, wie gehört, mit Thomas Oppermann. Frau Högl, danke schön für das Interview heute Morgen im Deutschlandfunk.
    Högl: Ich danke auch.
    Meurer: Auf Wiederhören!
    Högl: Schönen Tag! Tschüss!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.