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Fall Miri
"Der Rechtsstaat funktioniert"

Der Rechtsstaat habe die Probe, ob er sich von organisierten Kriminellen an der Nase herumführe lasse, bestanden, sagte SPD-Sicherheitspolitikerin Ute Vogt zum Verfahren um Clanchef Ibrahim Miri im Dlf. Die Politikerin verteidigte auch die stärkeren Kontrollen an der deutschen Grenze.

Ute Vogt im Gespräch mit Rainer Brandes | 08.11.2019
Ibrahim Miri werden im Prozess um unerlaubten Betäubungsmittelhandel im Saal des Landgerichts in Bremen von einem Justizbeamten die Handschellen abgenommen.
Clanchef Ibrahim Miri bei einem Prozess in Bremen (dpa-Bildfunk / Carmen Jaspersen)
Rainer Brandes: Der kriminelle Klanchef Ibrahim Miri bekommt kein Asyl in Deutschland. Gudula Geuther berichtete über den Fall und die Konsequenzen. Genau darüber hat der Bundestag am Abend in einer aktuellen Stunde debattiert, auch Ute Vogt hat da mitdiskutiert.
- Sie ist erst im Oktober zur innenpolitischen Sprecherin der SPD-Fraktion gewählt worden, und ich kann mit ihr am Telefon sprechen. Schönen guten Abend!
Ute Vogt: Guten Abend, Herr Brandes!
Brandes: In dieser aktuellen Stunde des Bundestages, da hat der Grünen-Abgeordnete Konstantin von Notz etwas gesagt, was ich Ihnen hier gerne noch einmal vorspielen möchte.
Konstantin von Notz: Wir diskutieren hier einen singulären Fall, und der ist für die Legislative nie ein guter Ratgeber. Oft werden solche Debatten für den vermeintlichen schnellen populistischen Punktgewinn geführt, aber es sind genau diese Symboldebatten, die unsere Gesellschaft spalten und uns alle keinen Deut voranbringen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
"Das heißt nicht, dass wir abgeschottet sind"
Brande: Das sagt der Grüne Konstantin von Notz zu den verschärften Kontrollen an den deutschen Grenzen. Diesen Grenzkontrollen hat auch die SPD zugestimmt. Betreiben Sie hier Symbolpolitik auf Kosten der Reisefreiheit?
Vogt: Nein, wir betreiben Sicherheitspolitik, weil es natürlich darum geht, auch an den Grenzen zu kontrollieren. Das heißt ja nicht, dass wir abgeschottet sind und die Grenzen dicht sind, wie sich das manche vorstellen, sondern es ist einfach so, dass, wenn man ein Wiedereinreiseverbot verhängt, dass man das natürlich auch kontrolliert. Ich halte das jetzt auch nicht für ein grundsätzliches Problem. Es ist ja rechtlich auch die ganze Zeit schon möglich gewesen. Es wird jetzt noch mal etwas verstärkt, einfach auch aus aktuellem Anlass. Aber am Ende ist die Aufgabe ja nicht die Sicherung der Innengrenzen, sondern die wirklich große Herausforderung ist die Sicherung unserer Schengen-Außengrenzen, dass nämlich dort die Kontrollen funktionieren. Und wenn die dort funktionieren, dann kann man sich das im Inland alles sparen.
Brandes: Ja, das sagen ja immer alle, aber es kann ja noch Jahre dauern, bis dieser Außengrenzschutz richtig funktioniert. Heißt das also, wir müssen jetzt viele, viele Jahre lang die deutschen Innengrenzen kontrollieren, obwohl das der Reisefreiheit im Schengenraum widerspricht?
Vogt: Es geht ja nicht um Jahre, sondern die neue Kommission wird ja in Kürze ihre Arbeit aufnehmen. Ich denke, das wird einer der Schwerpunkte sein. Wir sind uns auch einig, wir haben ja die rechtlichen Voraussetzungen. Es geht jetzt darum, den Ländern, die an der Außengrenze sind und die vielleicht nicht so leistungsstark sind, einfach auch ganz praktisch zu helfen, sich hinzusetzen, zu sagen, was braucht ihr, wir können wir unterstützen. Also ich denke, dass wir da schon weiterkommen. Das, was im Moment an Kontrollen stattfindet, ist ja, wie gesagt, keine wasserdichte Grenze, sondern es ist so, dass einfach kontrolliert wird und dass man tatsächlich jetzt nicht da jeden einzelnen, wie es vielleicht noch vor 20 Jahren der Fall war, praktisch bei der Einreise von oben bis unten durchschaut, sondern es ist trotzdem sinnvoll. Wie gesagt, wenn man Verbote hat zur Wiedereinreise und man merkt, die werden unterlaufen, dann ist es doch richtig, wenn man sagt, da guckt man genauer hin, als man es vielleicht die letzten Wochen getan hat.
"Ein guter Erfolg für den Rechtsstaat"
Brandes: Andererseits ist es ja so, dass Herr Miri relativ kurz nach seiner Wiedereinreise ja tatsächlich festgenommen worden ist, und er sitzt ja jetzt auch in Abschiebehaft, insofern hat der Rechtsstaat doch funktioniert, oder nicht?
Vogt: Ja klar, der Rechtsstaat funktioniert. Deshalb gibt es jetzt auch keine Ankündigungen von irgendwelchen überstürzten Rechtsänderungen, wie das ja oft nach solchen Fällen der Fall ist. Der Rechtsstaat hat funktioniert, Miri ist in Haft, sein Asylfolgeantrag wurde sehr zügig bearbeitet. Und im Moment ist es eigentlich so, dass man wieder auf die Abschiebung aus der Haft wartet. Das finde ich einen guten Erfolg für den Rechtsstaat. Und trotzdem hat er die Möglichkeit gehabt, auch den Asylantrag zu stellen, er wurde auch wirklich geprüft und kam, wie zu erwarten, aus meiner Sicht, zu einem negativen Ergebnis. Aber ich finde, der Fall war tatsächlich ein Beispiel, dass der Rechtsstaat funktioniert. Was jetzt an der Grenze passiert, ist ja nichts, was den Rechtsstaat irgendwie auf den Kopf stellt, sondern das ist im Rahmen des bisher geltenden Rechts, einfach eine stärkere Fokussierung der Bundespolizei auf diese Grenzgebiete.
Brandes: Ja, aber zum Beispiel ist ja die EU-Kommission schon seit einiger Zeit hinter Deutschland her und sagt, das, was im Moment an der deutsch-österreichischen Grenze stattfindet, diese Kontrollen auf den Autobahnen und Bahnhöfen, das müsste eigentlich mal wieder eingestellt werden.
Vogt: Das geht sicher nicht auf Dauer, das ist richtig, aber, wie gesagt, die Bedingungen sind natürlich auch, dass dann die Kontrolle an der EU-Außengrenze funktioniert. Gerade im Fall Ibrahim Miri war es ja so, dass er ausgeschrieben war im Schengen-Informationssystem, und das ist schon so ein Fall, den man schon hätte sehr frühzeitig auch aufhalten können, aber, wie gesagt, auch für solche Fälle sind wir offensichtlich ganz gut gewappnet.
Brandes: Jetzt Innenminister Horst Seehofer heute ja noch etwas anderes angekündigt, nämlich, dass er möchte, dass alle Personen, wie Miri eben auch, die trotz eines Einreiseverbots wieder nach Deutschland einreisen und hier Asyl beantragen, dass die während der Antragsprüfung inhaftiert werden. Gehen Sie hier mit?
Vogt: Wir warten jetzt erst mal, was konkret damit gemeint war, denn wir haben ja im Sommer schon das Gesetz so verschärft, dass die verbotene Wiedereinreise auf jeden Fall ein Haftgrund sein kann. Und das ist ja in dem Fall auch so, dass vor allem auch die Fluchtgefahr bei so einem Thema dann auch angenommen wird. Insofern kann ich mir jetzt gerade nicht vorstellen, was er konkret weiter ändern will. Da warten wir jetzt einfach auf die Vorschläge. Und dann entscheiden wir, ob wir es für notwendig halten oder nicht. Da braucht man jetzt aber, glaube ich, gar keinen Stress zu veranstalten.
"Wichtige Bewährungsprobe" für den Rechtsstaat
Brandes: Insgesamt stellt sich ja so ein bisschen die Frage, wenn wir jetzt diesen Fall so diskutieren, wie wir beide das jetzt gerade getan haben, warum wir überhaupt heute diese aufgeregte Debatte führen.
Vogt: Na ja, weil eben jemand, der abgeschoben worden ist, in relativ kurzer Zeit, nach wenigen Monaten, wieder zurückgekommen ist. Das regt die Leute auf, weil man sagt, wie kann das sein. Ich denke, es war schon auch eine Probe, ob der Rechtsstaat sich von solchen organisierten Kriminellen an der Nase herumführen lässt. Oder ob man einfach zeigt, ja, wir haben die Mittel und Wege, auch mit solchen Fällen umzugehen. Ich fand, das war jetzt eine wichtige Bewährungsprobe auch, weil wir es tatsächlich mit rechtsstaatlichen Mitteln geschafft haben, dieser Problematik Herr zu werden. Das ist so, wie ich mir eigentlich auch eine gute Innenpolitik vorstelle.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

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