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Fallstricke für Rajoy
Misstrauensantrag gegen Spaniens Regierungspartei

Gegen Spaniens konservative Volkspartei wurde wegen Korruption, Geldwäsche oder Steuerstraftaten ermittelt. Die Urteile fielen überraschend hart aus und nun hat auch noch die größte Oppositionspartei einen Misstrauensantrag gegen Rajoy gestellt.

Von Hans-Günter Kellner | 28.05.2018
    Der spanische Ministerpräsident Rajoy am 27.10.2017
    Der Misstrauensantrag gegen Rajoy behindert Regierungsgeschäfte (AFP)
    Politiker werden ungern an alte Erklärungen aus den Archiven erinnert:
    "Ich bitte um eine Mehrheit, um Spanien von der Korruption zu säubern", sagte der ehemalige Ministerpräsident Spaniens, José María Aznar, von der Volkspartei Mitte der 1990er Jahre. Der Radiosender Cadena Ser hat altes Archivmaterial mit Politikererklärungen und aktuellen Meldungen seines Gerichtsreporters zu einer Collage zusammengeschnitten und mit dramatischer Musik unterlegt. Sie läuft derzeit in den Sondersendungen zum Fall Gürtel. Am Ende ist der heutige Ministerpräsident Mariano Rajoy von derselben Partei mit einem Dementi aus dem Jahr 2013 zu hören: "Alles ist falsch."
    Das Urteil im Fall Gürtel hat ein "politisches Erdbeben ausgelöst"
    Der Nationale Gerichtshof sieht es anders. Sein Urteil im Fall Gürtel hat in Spanien ein kleines politisches Erdbeben ausgelöst. Rajoy weist die Forderungen nach Neuwahlen oder einem Rücktritt zurück. Der sozialistische Oppositionsführer Pedro Sánchez wirft ihm dagegen vor, sich aus der Verantwortung zu stehlen, die Sache aussitzen zu wollen:
    "Wir haben darum heute einen Misstrauensantrag gegen Rajoy gestellt. Unsere Demokratie wird von der Regierungspartei in Frage gestellt. Wir wollen eine Regierung mit einer sozialen Agenda. Wir werden die Verfassung überall durchsetzen. Wir garantieren auch unsere Verpflichtungen gegenüber der Europäischen Union. Wir wollen die Demokratie erneuern und am Ende auch Neuwahlen ansetzt. Aber zuvor müssen wir die Stabilität, Normalität sichern, die Korruption bekämpfen und die sozialen Rechte wiederherstellen."
    Allerdings sind die Mehrheitsverhältnisse im spanischen Parlament komplex. Für ein erfolgreiches Misstrauensvotum würden die Sozialisten die Stimmen von Podemos und Ciudadanos benötigen. Der Politologe Fernando Vallespín meint dazu in einer der vielen Diskussionssendungen dieser Tage zum Thema:
    "Die Sterne stehen für die Sozialisten günstig. Podemos befindet sich in einer internen Krise. Ciudadanos kann auf der linken Seite nichts mehr gewinnen, seit sie die Volkspartei rechts überholt. Ihre Politiker meinen, dass sie bei vorgezogenen Neuwahlen gewinnen würden. Daher wollen sie unbedingt Neuwahlen. Dazu werden sich die Sozialisten aber nicht hergeben."
    Vor möglichen Neuwahlen will sich auch die Opposition in Position bringen
    Denn vor Neuwahlen wollen sich ja auch die Sozialisten in eine günstige Position bringen. Parteienforscher Pablo Simón sieht allerdings auch noch andere Mehrheiten:
    "Die Sozialisten brauchen sie Ciudadanos nicht unbedingt. Im Augenblick haben sie die Unterstützung von Podemos, den katalanischen Separatisten, den baskische Linksnationalisten. Es fehlen nur noch die Stimmen der gemäßigten, bürgerlichen baskischen Nationalisten. Das wäre eine neue Regierung mit einer sehr instabilen Mehrheit. Auf diese Zersplitterung setzt Rajoy.
    So sind sich außer der Volkspartei zwar im Parlament alle einig, dass das Land eine neue Regierung benötigt, doch nicht in der Frage, wer an Rajoys Stelle treten soll. Der Ministerpräsident könnte aber auch am wachsenden Widerstand in der eigenen Partei scheitern. Der ehemalige Außenminister und heute konservative Parlamentsabgeordnete José Manuel García Margallo meint:
    "Das ist eine sehr schlechte Nachricht für die Bürger auf der Straße und für uns, die wir unser Leben der Volkspartei gewidmet haben. Wir sind erschüttert. Wir müssen jetzt innehalten, nachdenken und das Notwendige unternehmen, um das Vertrauen der Spanier in die Institutionen wiederherzustellen und auch in unsere Partei, die ich für grundlegend für die politische Stabilität Spaniens halte."
    Die Justiz ermittelt unterdessen gegen weitere, einst führende konservative Politiker. Erst letzte Woche wurde der ehemalige konservative Fraktionssprecher Eduardo Zaplana verhaftet. Er soll versucht haben, auf zehn Millionen Euro zuzugreifen, die er in Steuerparadiesen deponiert haben soll.