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Falsch deklarierter Fisch
Kugelfisch statt Seezunge

Wo Fisch draufsteht, ist nicht immer Fisch drin - zumindest nicht der Richtige. Staatliche Untersuchungsämter beanstanden regelmäßig falsch deklarierte Speisefische. Eine neue Fischdatenbank soll die Täuschungsversuche jetzt eindämmen.

Von Volker Mrasek | 28.04.2016
    Ein Mitarbeiter kontrolliert am 26.03.2014 die Fischst
    Bei Fischstäbchen lässt sich nur schwer erkennen, welcher Fisch verarbeitet wurde. (Ingo Wagner)
    Eine Regenbogenforelle oder einen Karpfen würde vermutlich jeder von uns auf Anhieb erkennen. Erfahrene Lebensmittel-Kontrolleure können vielleicht sogar Dutzende verschiedene Fische voneinander unterscheiden. Doch was, wenn man ein Filet, ein Fischstäbchen oder eine Fisch-Frikadelle vor sich hat? Da wird die Sache richtig schwierig. Das nutzen Anbieter auf dem Markt mitunter aus: Staatliche Untersuchungsämter beanstanden regelmäßig falsche Deklaration von Speisefischen. Forscher haben hier jetzt eine Lücke geschlossen: Mit einer neuen Datenbank, in der die genetischen Profile vieler exotischer Fische abrufbar sind.
    Verbraucher werden getäuscht
    Es kommt immer wieder mal vor. Verbraucher kaufen Seezunge im Supermarkt oder bestellen den Edelfisch im Restaurant. Doch was sie bekommen, ist in Wahrheit "Tropenzunge" - eine verwandte Fischart, die längst nicht so gut schmeckt. Ulrich Busch vom Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit:
    "Wenn das dann eine Tropenzunge ist, die billiger ist, dann ist das einfach Täuschung."
    Ein anderer Fall, der im letzten Jahr Aufsehen erregte: Filets, die aus Westafrika stammten und als Seeteufel deklariert waren, enthielten Kugelfisch. Das ist um so delikater, da Kugelfische dafür bekannt sind, Giftstoffe zu produzieren. Deshalb dürfen sie in Deutschland gar nicht vermarktet werden.
    Reinhold Hanel, Leiter des Thünen-Instituts für Fischereiökologie in Hamburg:
    Pfusch mit exotischen Fischen
    "Es bedurfte dann der sehr intensiven Zusammenarbeit zwischen den Lebensmittel-Kontrollbehörden und unserem Institut, um letztlich festzustellen, dass es sich um diese westafrikanische Kugelfisch-Art handelte, von der es vorher keine genetische Information in internationalen Datenbanken gab."
    Solchen Fällen von Pfusch mit exotischen Fischen kann die Lebensmittel-Überwachung jetzt besser auf die Schliche kommen. Seit Mitte März ist eine neue Datenbank online, die unter der Federführung der Hamburger Fischereiökologen eingerichtet wurde. Sie liefert genetische Informationen, die vorher weitgehend fehlten. Dadurch sollen sich zahllose Arten aus dem Atlantik vor Westafrika ab sofort sicher identifizieren lassen. Viele Speisefische auf dem europäischen Markt stammen von dort.
    "Interessanterweise gab es vor allem aus dieser Region bis vor etwa zwei Jahren nur sehr wenige Fischarten, für die genetische Information vorlag. Wir haben diese Lücke im Rahmen dieses Projektes nun gefüllt. Und für fast alle kommerziell interessanten Fischarten aus dieser Region einen genetischen Fingerabdruck erstellt."
    Die Liste ist ziemlich lang geworden. Laut Hanel enthält die neue Referenz-Datenbank die DNA-Codes von fast 500 Arten:
    "Was wir jetzt gemacht haben, ist, dass wir mit sehr, sehr hoher Genauigkeit erstmal die morphologische Artbestimmung bei all diesen Fischarten durchgeführt haben. Dass wir dann immer das gleiche Gen verwendet haben, um die genetische Artbestimmung durchzuführen. Dass wir Bilder von diesen Individuen auch gemacht haben, die im Netz dann online verfügbar sein werden. Und dass, wenn man entsprechende genetische Sequenzen erarbeitet aus Filets oder Fischereiprodukten, man auch mit Sicherheit sagen kann, von welcher Art diese Proben stammen."
    Die Erbgut-Analyse dauert zwei bis drei Tage
    Immer mehr exotische Fische landen heutzutage auf dem deutschen Markt:
    "Jährlich werden etwa zehn bis 20 neue Handelsnamen beantragt, was heißt, dass diese Arten dann zumindest potenziell gehandelt werden dürfen."
    Die Exoten stammen allerdings nicht nur aus Fanggebieten vor Westafrika. Deswegen möchten Reinhold Hanel und seine Fachkollegen ihre Datenbank weiter ausbauen. In einem Nachfolgeprojekt:
    "Wo wir alle auf der Liste der deutschen Handelsbezeichnungen verzeichneten Arten in diese Datenbank aufnehme wollen. Wir sind auch im Gespräch mit dem deutschen Fischhandel, dass uns auch Proben bereitgestellt werden. Das wären noch einmal 200 bis 300 zusätzliche Arten. Und das wird uns einen großen Schritt weiterbringen."
    Die Erbgut-Analyse von Fischproben ist aber kein Schnelltest. Sie braucht zwei bis drei Tage. So lange kann der Zoll keine verdächtige Lieferung aus dem Ausland zurückhalten. Ob importierter Fisch richtig ausgezeichnet war, stellt sich also erst im Nachhinein heraus. Da kann er schon verspeist sein.
    Für Falschdeklarationen sind allerdings Strafgelder fällig. Werden sie in Zukunft häufiger ausgesprochen, weil die Untersuchungsämter jetzt viel mehr Steckbriefe fremder Speisefische kennen, könnte auch das Täuschungsversuche eindämmen.