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Falsche Wahlplakate in Sachsen-Anhalt
"Grün für Masseneinwanderung"

Seit Wochen werden in Sachsen-Anhalt Wahlplakate abgerissen oder beschmiert. Jetzt hat diese Art des Wahlkampfs auf offener Straße aber eine neue Dimension bekommen: Unbekannte haben Hunderte gefälschte Plakate aufgehängt: optisch grün, inhaltlich braun. Nicht nur die Politik ist entsetzt.

Von Christoph Richter | 09.03.2016
    Ein gefälschtes Wahlplakat mit dem Schriftzug "Grün für Masseneinwanderung" in Magdeburg
    Ein gefälschtes Wahlplakat mit dem Schriftzug "Grün für Masseneinwanderung" in Magdeburg (dpa / picture-alliance / Jens Wolf)
    Eine viel befahrene Kreuzung in der Magdeburger Innenstadt. Die Menschen hasten zur Tram oder in die umliegenden Geschäfte. Überall hängen Wahlplakate, die kaum einer eines Blickes würdigt. Doch dass jetzt Unbekannte etwa 1.000 Plakate der Grünen, nicht nur verunstaltet, beschmiert oder zerrissen, sondern richtiggehend gefälscht haben, indem Unbekannte aus dem Slogan "GRÜN FÜR MUTTER NATUR; GRÜN FÜR MASSENEINWANDERUNG" gemacht haben, entsetzt sogar die Passanten.
    "Das finde ich eine Schweinerei. Das geht ein Schritt zu weit."
    "Ich finde es nicht in Ordnung, weil es sich nicht gehört, ist unmöglich."
    Auch für Wahlkämpfer und FDP-Mann Karl-Heinz Paqué - er war von 2002 bis 2006 Finanzminister in Sachsen-Anhalt - sind Wahlplakat-Fälschungen kein Kavaliersdelikt, kein harmloser Gag.
    "Nein, das ist überhaupt nicht lustig, wenn im Wahlkampf derart unfair vorgegangen wird. Man sollte der Sache wirklich nachgehen, dass diejenigen findet, die das zu verantworten haben."
    Wahlplakat-Fälschungen, dürfen im Wahlkampf und der demokratischen Auseinandersetzung keinen Platz haben, so Paqué weiter. Wer allerdings glaube, ergänzt Volkswirtschaftler Karl-Heinz Paqué - der in der Hand Flyer seines Spitzenkandidaten hält - dass Wahlplakate unwichtig seien, der irre grundlegend.
    Systematische Wahlmanipulation?
    "Wahlplakate haben eine ganz wichtige Funktion, selbst im Zeitalter des Internet: Sie zeigen, dass gekämpft wird, dass Botschaften ausgesendet werden. Viele Leute sagen, wir könnten das alles weglassen. Aber wenn das Plakat nicht da ist, dann fragen sie, wo seid ihr denn. Also, es gehört zum Wahlkampf."
    "Das sind die Teile hier."
    Viele von den 1.000 gefälschten Plakate lagern in einem grauen Abfallcontainer in einem Magdeburger Hinterhof.
    "Da steht dann Grün für Masseneinwanderung. Das ist das Aufgreifen der grünen Integrationspolitik, die doch nicht Masseneinwanderung bedeutet. Das ist der Vorwurf der gemacht wird vonseiten der AfD, von anderen rechten Kräften. Seit Monaten immer die gleiche Sülze, die Grünen wollen alle Schleusentore aufmachen, die Grünen sind für Masseneinwanderung. Damit soll den Wählern ganz klar Sand in die Augen gestreut werden und suggeriert werden, es käme von uns. Dagegen wehren wir uns."
    Der Magdeburger Landtagsabgeordnete Sören Herbst von Bündnis 90/Die Grünen nennt die Angelegenheit den Versuch einer systematischen Wahlmanipulation. Die Fälscher der DIN A1 großen Plakate können keine Amateure gewesen sein, vermutet Herbst. Denn die Fälschungen seien von den Originalen kaum zu unterscheiden, weshalb man wegen Wählertäuschung, Sachbeschädigung und Verleumdung bei der Staatsanwaltschaft Anzeige erstattet hat.
    "Das ist nicht ein dummer Jungen-Streich, mal ein überklebtes Plakat. Da hat man sich richtig Mühe gemacht. Hat Geld und Ressourcen investiert. Um das Wahlergebnis zu verändern."
    Konsequenzen bis hin zu Neuwahlen
    Würde sich herausstellen, dass Verantwortliche anderer Parteien dahinter stehen, könnte deren Wahl-Zulassung entzogen werden. Und – wenn man den Tätern bewusste Wahlbeeinflussung nachweisen könne, dann könnte das letztlich gar zu Neuwahlen führen, so der Landtagsabgeordnete Sören Herbst gegenüber dem Deutschlandfunk.
    Scharfe Kritik äußerte auch Landeswahlleiterin Christina Dieckmann. Sie sagte, dass die Aktion "extrem unschön und unfair sei." Und, so Dieckmann weiter - Zitat "Sollte sich tatsächlich herausstellen, dass Plakate massenhaft gefälscht wurden, wäre das ein Vorgang, der so in der Geschichte des Landes noch nicht vorgekommen ist". Der grüne Landtagsabgeordneten Sören Herbst mutmaßt die Fälscher im rechten Umfeld:
    "Könnte mir durchaus vorstellen, dass Parteien wie die AfD oder "Die Rechte" in der Lage sind, so eine Kampagne auch durchzuführen."
    Vonseiten der Staatsanwaltschaft gab es keine Bestätigung dieser Vermutung. Wie es heißt, prüfe man derzeit den Sachverhalt. Sagte aber auch, dass sich die Ermittlungen schwierig gestalten, weil es bisher keine Tatzeugen gebe.
    Erst kürzlich versuchte die NPD, den Rückenwind der AfD zu nutzen, indem sie Plakate mit gefälschten Logos vorstellte. Erststimme AfD, Zweitstimme NPD – stand drauf. Sachsen-Anhalts AfD-Landeschef André Poggenburg will damit nichts zu tun haben, und kündigt rechtliche Schritte an.
    Doch es werden nicht nur Wahlplakate gefälscht. Seit Beginn des Wahlkampfes wurden in Sachsen-Anhalt bereits hunderte Plakate zerstört oder geklaut. Auch das sei kein Kavaliersdelikt ist von der Magdeburger Staatsanwaltschaft zu hören. Denn wer von der Polizei erwischt wird, dem droht wegen Diebstahls und Sachbeschädigung eine Geldstrafe oder bis zu fünf Jahre Haft. Nachzulesen ist das im Strafgesetzbuch.