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Falstaff an der Wiener Staatsoper
Altersweise Einsichten?

Giuseppe Verdis "Falstaff"-Partitur sei "von Humor gesättigt", wirbt das Programmheft der Wiener Staatsoper für das neue Stück von Zubin Mehta. Bei der Premiere hat trotzdem niemand gelacht. Es war von Anfang an und blieb eine ernste, angestrengte Angelegenheit, findet unser Rezensent.

Von Frieder Reininghaus | 06.12.2016
    Zubin Mehta
    Der letzte Falstaff, den er mit den Wiener Philharmonikern mache - man hätte Zubin Mehta einen günstigeren Ausstand gewünscht (picture-alliance / dpa / Foto: Atef Safadi)
    Es wäre wohl der "letzte Falstaff, den er mit den Wiener Philharmonikern mache", meinte der 1937 geborene Zubin Mehta im Vorfeld der Premiere. Doch wirkt er beim Ernstfall-Einsatz dann keineswegs so, als wäre er bereits am Ende. Da er schon diverse "Falstaffe dirigiert habe und alle in irgendeiner Form modern" waren, veranlasste Zubin Mehta den Regisseur David McVicar, "eine Produktion im Stil der originalen Falstaff-Zeit aus der Taufe zu heben - und er war sofort einverstanden".
    Die kleine Kaufmannswelt ordentlich in Eiche funiert
    Da er es mit der notwendigerweise auf die Gegenwart abhebenden Originaltreue halten wollte, gab der Regisseur ein Bühnenbild in Auftrag, das merry old England parodierte: eine ordentlich verbretterte Schenke mit Gestühl aus der Shakespeare-Zeit. Zunächst residiert Ambrogio Maestri als majestätischer Falstaff da in einem breiten Bett, assistiert von der im Original von Libretto und Partitur nicht vorgesehenen Doll Tearsheet, die ihm offensichtlich die nächtliche Einsamkeit etwas auflockern soll, aber nicht so recht zum Einsatz kommt. Arme Doll!
    Auch des Weiteren, wenn es ins Haus von Mr. Ford geht, erscheint die kleine Kaufmannswelt ordentlich in Eiche furniert. Die Kostüme passen zu diesem in der Abteilung für Stilmöbel der heutigen Möbel-Center anzutreffenden Geschmack. Sie erinnern dabei an die Reklame für Ritterfestspiele und sind somit auf der Höhe der Zeit.
    Musikalisch eher Provinztheater vergangener Zeiten
    Von der musikalischen Darbietung lässt sich dies leider nicht sagen. Mit den kleineren und größeren Koordinationsproblemen zwischen der teuren Mannschaft im Graben und dem z. B. im a cappella-Quartett allzu hörbar an seine Grenzen stoßenden SängerInnen-Team erinnert das Resultat eher an das Provinztheater vergangener Zeiten - gerade aber in Graz oder am Landestheater Salzburg lassen sich ungleich inspiriertere Produktionen vernehmen, bei denen auch die Tempo-Relationen besser im Lot sind und Piano wirklich Piano ist. Obwohl sie ihre Partien mit der gebotenen Verve bestreiten, ergaben sich sowohl bei Carmen Giannattasio, der Alice Ford, wie bei Hila Fahima, der Nanetta, immer wieder Momente, in denen sich der zum Vergleich inklinierende Hörer fragte, ob die Stimmen denn da so "richtig sitzen".
    Man hätte Zubin Mehta einen günstigeren Ausstand an der geliebten Wiener Staatsoper gewünscht. Die Falstaff-Premiere fand am denkwürdigen Abend der zweiten Stichwahl um das Amt des österreichischen Bundespräsidenten statt. Der Staatsopernintendant Dominique Meyer hatte im Vorfeld an verschiedenen Orten die Ankündigung lanciert, er werde unverzüglich demissionieren, falls Inschenjöhr Hofer gewinne. Unter diesem Aspekt erscheint nun fast bedauerlich, dass der von so gut wie allen ernst zu nehmenden Intellektuellen und Künstlern des Landes unterstützte Alexander van der Bellen das Rennen machte.