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Familienpflegezeit
Bundesregierung weitet Anspruch aus

Der Bundestag hat die Familienpflegezeit ausgeweitet. Eine bezahlte Auszeit von zehn Tagen von der Arbeit soll die Pflege von akut betroffenen Angehörigen erleichtern. Für die längerfristige Versorgung ist eine Freistellung von bis zu zwei Jahren möglich. Die Regelung gilt für Mitarbeiter in Betrieben mit mehr als 25 Beschäftigten.

Von Frank Capellan | 04.12.2014
    Eine junge Frau reicht einem bettlägerigen alten Mann einen Löffel mit Essen.
    Wer Angehörige pflegen muss, kann sich mit dem neuen Gesetz von der Arbeit befreien lassen. (dpa / Klaus Rose)
    Auf den letzten Metern war es die Union, die noch auf die Bremse drückte. Vor allem der CSU gingen die Vorhaben der Familienministerin zu weit. Kleine Handwerksbetriebe wären überfordert, wenn sie ihren Mitarbeitern eine zweijährige Auszeit zur Pflege von Angehörigen zugestehen müssten, so die Befürchtung.
    Dieser Rechtsanspruch gilt künftig nur ab einer Firmengröße von 25 Beschäftigten, Manuela Schwesig wollte bei 15 Beschäftigten einsteigen. Die Sozialdemokratin macht in der ARD deutlich, dass sie nun auf ein freiwilliges Entgegenkommen der Chefs auch in kleinen Betrieben setzt:
    "Die gute Nachricht ist, dass es gerade die Kleinbetriebe sind, der Handwerker zum Beispiel, der oft auf die Angestellten Rücksicht nimmt als die größeren Betriebe. Und deshalb ist es gut, dass wir für die Kleinbetriebe die Lösung machen: Man muss sich miteinander einig sein, der Chef und die Mitarbeiter, dass man die zwei Jahre Teilzeit geht, dann bekommen auch alle die Unterstützung, zum Beispiel das zinslose Darlehen."
    Anspruch auf zehn Tage kurzfristige Auszeit
    Die Regelungen im Detail: Wer ein halbes Jahr aussteigen möchte, um einen Angehörigen zu pflegen, kann beim Staat ein zinsloses Darlehen beantragen, um finanziell über die Runden zu kommen. Dafür gilt ein Rechtsanspruch in Betrieben bereits ab 15 Mitarbeitern. Wer mehr Zeit braucht, bis zu zwei Jahre, hat diesen gesetzlich garantierten Anspruch nur ab einer Betriebsgröße von 25 Beschäftigten. Außerdem muss er während dieser Zeit mindestens 15 Stunden pro Woche arbeiten.
    Völlig unabhängig von dieser sogenannten Familienpflegezeit gilt für alle Mitarbeiter: Wer kurzfristig nicht zur Arbeit kann, etwa weil der Partner einen Schlaganfall erlitten hat, der hat Anspruch auf eine zehntägige Auszeit. Neu daran: Mit dem künftigen Gesetz gibt es einen Lohnausgleich, finanziert aus der Pflegeversicherung.
    Schwesig: "Das Kernstück des neuen Gesetzes ist ja die zehntägige Auszeit, die ich bekomme, so wie wenn mein Kind krank wird, jetzt auch für den pflegebedürftigen Angehörigen im Akutfall. Da gibt es eine Lohnfortzahlung, und das gilt für alle. Ich bin fest davon überzeugt, das ist das Instrument, das die meisten nutzen werden."
    Auszeit auch für pflegebedürftige Kinder
    Erweitert wird auch der Kreis der Angehörigen. Bisher waren es neben den Partnern und Geschwistern vor allem Großeltern, Eltern, Schwiegereltern, Kinder und Pflegekinder – künftig zählen dazu auch Partner aus gleichgeschlechtlichen Beziehungen, Schwager oder Schwägerin oder Stiefeltern. Die Auszeit kann anders als bisher nicht nur für Erwachsene, sondern auch für pflegebedürftige Kinder in Anspruch genommen werden. Inbegriffen ist auch eine bis zu dreimonatige Sterbebegleitung für Menschen, die in einem Hospiz leben.
    Dass Schwesig Zugeständnisse an die Wirtschaft machte und Beschäftigte in Kleinunternehmen nun keinen Rechtsanspruch auf die lange Familienpflegezeit haben, wird von Linkspartei und Grünen heftig kritisiert. Christine Lambrecht, Fraktionsgeschäftsführerin der SPD, allerdings verteidigt den Kompromiss:
    "Die Union wollte eine Anhebung auf 50 Mitarbeiter. Damit hätten wir nur noch zwei Prozent aller Betriebe erreicht. Und jetzt haben wir einen Mittelweg gefunden, wie ich finde, mit 25 durchaus akzeptabel."
    Nach der heutigen Abstimmung im Bundestag wird der Bundesrat am 19. Dezember das letzte Wort haben. Zum 1. Januar schon soll die neue Pflegezeit in Kraft treten.