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Verschreibungspflichtige Verhütungsmittel
Pilotprojekt unterstützt Geringverdiener

Frauen mit wenig Einkommen können sich häufig keine Verhütung leisten und lassen sie deswegen oft weg. In Nordrhein-Westfalen ist nun das Pilotprojekt Biko gestartet, das Geringverdienern und Arbeitslosen die Pille und andere verschreibungspflichtige Verhütungsmittel finanziert. Die Resonanz ist groß.

Von Bettina Papenfuß | 17.03.2017
    Die Pille "Diane" der Firma Bayer.
    Verhütung kostet viel Geld - nicht jeder kann sie sich leisten. (dpa / picture-alliance / François Destoc)
    "Wir haben auch Nachfragen von Ärzten, von Klienten, und ganz viele Nachfragen auch von unseren Multiplikatoren, anderen Beratungsstellen, etwa Drogenberatungsstelle rufen sie uns an, vom Jobcenter kommen auch Nachfragen an uns. Jetzt klingelt das Telefon ständig."
    Alesia Knoll von de pro familia Recklinghausen strahlt regelrecht. Sie leitet das Projekt Biko, und es läuft richtig gut. Immer mehr Frauen kommen zu ihr in die Beratung, um sich zu informieren. Ganz gleich, ob sie studieren und Bafög beziehen, allein oder in einer Partnerschaft leben, Wohngeld oder eine Berufsausbildungshilfe bekommen- für sie alle sind die Kosten für Verhütungsmittel ein Problem.
    Positive Resonanz auf Biko
    Die Gründe, warum die Frauen nicht oder nicht wieder schwanger werden, sondern lieber sicher verhüten möchten, sind sehr unterschiedlich. Nina aus Recklinghausen, die ihren Nachnamen nicht nennen möchte, ist beispielsweise zweifache Mutter. Für sie und ihren Mann ist die Familie, wo wie sie ist, komplett. Sie hat von ihrem Gynäkologen von Biko erfahren:
    "Ich hatte meinen Frauenarzttermin, und der hat nach der Geburt meines Sohnes mit mir über die Verhütung gesprochen, und er sagte: 'Spirale, und gehen Sie mal zu pro familia.' Und ich hab dann direkt hier angerufen und habe einen Termin ausgemacht."
    Nina ist 28 und in Elternzeit. Mit dem Geld, das ihr Mann als Systemelektroniker verdient, kommt die Familie zwar über die Runden, aber die Kosten für die vom Arzt empfohlene Verhütungsmethode übersteigen das Budget:
    "Gerade, wenn es, so wie bei mir jetzt, um die Spirale geht- die kostet ja schon ein bisschen mehr als die Pille. Und mein Frauenarzt hat mir jetzt dazu geraten, dass die Spirale besser für mich wäre."
    Aus Geldnot wird Verhütung oft weggelassen
    Kostenpunkt: rund 400 Euro und damit einfach zu viel Geld für die junge Familie. Vielen Frauen gehe es ähnlich, sagt Birgit Schoppmeier-Krügener, Leiterin der pro familia Beratungsstelle in Recklinghausen. Das Geld reiche oft hinten und vorne nicht, und das habe Auswirkungen auf das Verhütungsverhalten von Frauen:
    "Wenn wir den Zugang finanziell nicht haben zu teuren Verhütungsmitteln, wählen wir nicht das Mittel, was für unsere Gesundheit gut ist, sondern wir wählen das, was am preiswertesten ist oder wir lassen sie weg."
    Biko ermöglicht den Frauen, selbstbestimmt zu verhüten, unabhängig davon, was es kostet. Das Bundesfamilienministerium fördert das auf drei Jahre angelegte Projekt mit 3,5 Millionen Euro an sieben verschiedenen Standorten, darunter Lübeck, Erfurt und Recklinghausen. Erklärtes Ziel: Die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche zu reduzieren.
    Wissenschaftliche Begleitung des Projekts
    Biko wird wissenschaftlich begleitet, auch, um den Bedarf zu ermitteln und langfristig zu einer bundesweiten Lösung zu gelangen. In Recklinghausen, Marl und Gladbeck, wo die Armutsrate hoch und die wirtschaftliche Lage unsicher ist, stehen die Frauen jedenfalls Schlange.
    "Wir helfen den Betroffenen schnell und unkompliziert", sagt Alesia Knoll: "Die Frauen müssen den Personalausweis mitbringen, Bescheide vom Jobcenter oder Nachweise, dass sie soziale Leistungen beziehen. Wenn die Frauen Geringverdiener sind, müssen sie Lohnnachweise mitbringen. Und ich überprüfe, ob alles passt."
    Bei Nina passt alles. Ihr Antrag wird bewilligt, sie kann die ärztlich empfohlene Spirale jetzt kostenfrei bekommen.
    "Sie haben jetzt von mir zwei Zusagen bekommen, eine geben Sie in der Apotheke ab, die andere Zusage müssen Sie dem Arzt geben, und der Arzt schickt mir auch die Rechnung."
    Möglichst viele Kooperationspartner gewinnen
    Pro familia ist auch für eine gute Vernetzung zwischen allen Beteiligten zuständig, hat die Aufgabe, Jobcenter, Familienhilfe und ähnliche Einrichtungen über Biko zu informieren, sowie Arztpraxen und Apotheken für die Kooperation zu gewinnen. In Recklinghausen scheint das zu funktionieren. Die Mitarbeiterin in der nahegelegenen Apotheke kennt das Projekt bereits.
    "Wir finden das ist eine sehr, sehr gute Sache, und haben gesagt, da machen wir direkt mit. Der Patient kriegt seine Ware und wir schicken die Rechnung direkt an Pro familia. Es waren schon einige Patientinnen da, und das klappt problemlos."
    Alesia Knoll will so viele Frauen wie möglich ermutigen, das Angebot zu nutzen. Die nächsten Klientinnen sind schon da. Eine der beiden Frauen war gerade eine Etage tiefer bei der Schwangerschaftskonfliktberatung. Die dreifache Mutter wird die Schwangerschaft abbrechen, und sie ist erleichtert, dass sie künftig über Biko das Geld für die Pille bekommt. Die 37-Jährige will keine ungewollte Schwangerschaft mehr riskieren.