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Familienpolitik
Gemeinsame Zeit als kostbare Währung

Viel Geld wird in familienpolitische Unterstützung investiert und die Geburtenrate steigt auch wieder. Aber Familienpolitik ist mehr als das. Es geht auch darum, Kinder vor strukturell bedingter Armut zu schützen oder die Unterstützung junger Familien beim Thema Work-Life-Balance. Welches Konzept bietet welche Partei?

Von Stefan Maas | 19.09.2017
    Ein Wiesn-Wochenende bei strahlendem Sonnenschein: Vater in Tracht trägt seinen kleinen Sohn, der beherzt in seine Zuckerwatte beißt, auf den Schultern.
    Mehr Zeit für Familien ist ein Aspekt in den Wahlversprechen der Parteien (imago / Ralph Peters)
    Eigentlich beginnt schon alles bei der Frage der Definition. Was – oder vielmehr – wer ist Familie? Sogar im Wahlprogramm von CDU und CSU heißt es dazu:
    "Wir schreiben Familien kein bestimmtes Familienmodell vor ..."
    So der so ähnlich klingt es auch bei fast allen anderen großen Parteien. Nur die AfD definiert Familie ausschließlich als Vater, Mutter, Kind. Besser noch: Kinder.
    Größte Unterschiede beim Ehegattensplitting
    Geht es um die finanzielle Unterstützung von Familien und Alleinerziehenden, zeigt sich einer der größten Unterschiede beim Ehegattensplitting. Union, FDP und AfD wollen es beibehalten. SPD und Grüne wollen eine grundlegende Reform des Splittings, von dem bislang nur verheiratete Paare profitieren. Um Familien zu entlasten, aber auch Alleinerziehende, bei denen das Armutsrisiko deutlich höher ist als im Durchschnitt, wollen Linke und Grüne die direkte finanzielle Unterstützung von Familien verändern. Statt Kindergeld und Kinderfreibeträgen wollen sie irgendwann eine Kindergrundsicherung einführen, wie die stellvertretende Fraktionschefin der Grünen, Katja Dörner, im Bundestag erklärte:
    "Es ist einfach ungerecht, dass Familien mit einem besonders hohen Einkommen über die Freibeträge von der staatlichen Unterstützung auch noch überproportional profitieren. Mehr davon profitieren als Eltern, die einfach Kindergeld bekommen."
    Bis sie ihre Idee von der Grundsicherung umsetzen können, wollen Grüne und Linke das Kindergeld erhöhen. Die Grünen wollen Eltern mit geringem Einkommen einen einkommensabhängigen Kindergeldbonus von maximal 364 Euro zahlen, der mit steigendem Einkommen absinkt.
    Ähnlich die Sozialdemokraten: Sie wollen das Kindergeld und den Kinderzuschlag zusammenlegen. Den können Eltern für das in ihrem Haushalt lebende Kind beantragen, wenn ihr Einkommen zwar den eigenen Bedarf deckt, aber für das Kind nicht reicht. Derzeit beträgt er maximal 170 im Monat, wird aber nur von rund 30 Prozent der Berechtigten beantragt. Durch die Zusammenlegung soll sich das ändern.
    Kindergeld, Betreuungsgeld, Bildungsgutscheine
    Das Kindergeld 2.0 der FDP soll die bisherigen Leistungen wie Kindergeld, Betreuungsgeld, Unterhaltsvorschuss und Bildungsgutscheine ersetzen. Unabhängig vom Elterneinkommen soll es einen Grundbetrag geben, abhängig vom Einkommen ein Kinder-Bürgergeld. Dazu Gutscheine. Zum Beispiel für Vereinsbeiträge.
    CDU und CSU wollen den steuerlichen Kinderfreibetrag in zwei Schritten auf den Freibetrag für Erwachsene anheben. Das Kindergeld soll entsprechend angehoben werden. Im ersten Schritt um 25 Euro.
    Die AfD setzt noch früher und grundsätzlicher an, um das Ziel zu erreichen, dass Sie im Wahlprogramm formuliert: "Der Erhalt des Staatsvolkes ist als Staatsziel ins Grundgesetz aufzunehmen." Sie wünscht sich eine aktivierende Familienpolitik und ein Familienministerium, das Bevölkerungsentwicklung "nach wissenschaftlichen Kriterien koordiniert".
    Gemeinsame Zeit als kostbare Währung
    Geht es um Familie ist jedoch auch Zeit eine kostbare Währung. Während die AfD fordert, Eltern solle ein längerer Anspruch auf Arbeitslosengeld I zustehen und ihre Neueinstellung durch Wiedereingliederungshilfen an den Arbeitgeber gefördert werden, gehen die anderen Parteien eher davon aus, dass die Frauen weiterarbeiten. Die Linke will gar einen besonderen Kündigungsschutz für Eltern von Kindern unter 6 Jahren.
    CDU und CSU wollen einen Anspruch auf befristete Teilzeit. Das will auch die SPD. Dass die große Koalition dies bislang nicht umgesetzt hat, liegt daran, dass es unterschiedliche Ansichten über die Betriebsgrößen gab. Die Union wollte das Rückkehrrecht nur für Betriebe ab 200 Mitarbeiter. Das hätte nach Ansicht der SPD einem Großteil der Betroffenen nicht geholfen.
    Auch Grüne und Linke fordern ein Rückkehrrecht in Vollzeit. Die SPD geht weiter und möchte eine Familienarbeitszeit einführen, "wo eben beide Elternteile Vollzeit-nah arbeiten, zwischen 75 und 90 Prozent. Das heißt im Klartext zwischen 26 und 36 Wochenstunden. "Das können sie aufteilen, wie sie das möchten", erklärt Familienministerin Katharina Barley. Dafür erhalten sie jeweils 150 Euro im Monat für maximal zwei Jahre. Ähnliche Modelle heißen bei den Grünen "Kinderzeit Plus" und "flexible Vollzeit". Die FDP möchte Familie und Job durch flexiblere Arbeitszeiten und digitale Heimarbeit leichter vereinbar machen.