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Familienrechtlerin kritisiert weiterhin bestehendes Fremdkindadoptionsverbot

Trotz der Aufhebung des Sukzessivadoptionsrechts für gleichgeschlechtliche Paare, bestünde noch das Verbot der Fremdkindadoption für Schwule und Lesben, sagt Alexandra Gosemärker. Der Gesetzgeber werde mit dem heutigen Urteil nicht die Chance nutzen, auch dieses Verbot zu kippen, sagt die Familienrichterin

Friedbert Meurer im Gespräch mit Alexandra Gosemärker | 19.02.2013
    Friedbert Meurer: Zwei Fälle lagen dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe vor und jeweils ist das höchste deutsche Gericht zu einem klaren und eindeutigen Urteil gelangt. Wenn ein Partner ein Adoptivkind hat, dann darf dem anderen Partner nicht von vornherein die Möglichkeit der Adoption verwehrt werden, nur weil beide Partner gleichen Geschlechts sind. Karlsruhe unterstreicht heute, alles andere wäre eine Ungleichbehandlung, und ein zentraler Satz des Urteils lautet vermutlich: Die behüteten Verhältnisse einer eingetragenen Lebenspartnerschaft können das Aufwachsen von Kindern ebenso fördern wie in einer Ehe.
    Alexandra Gosemärker ist Anwältin für Familienrecht in Berlin und hat in der Praxis häufiger zu tun mit gleichgeschlechtlichen Partnern, die Kinder pflegen oder adoptieren möchten. Guten Tag, Frau Gosemärker.

    Alexandra Gosemärker: Guten Tag, Herr Meurer.

    Meurer: Welche Tragweite, glauben Sie, hat dieses Urteil von heute in Karlsruhe?

    Gosemärker: Nun, der Gesetzgeber ist ja nun aufgefordert, das Verbot der Sukzessivkindadoption zu beseitigen und damit auch die Möglichkeit, das Fremdkindadoptionsverbot auch zu beseitigen. Wir werden sehen, ob der Gesetzgeber das tut. Die bisherige Erfahrung lässt das nicht wahrscheinlich sein. Möglicherweise ist es tatsächlich so, dass hier das Bundesverfassungsgericht einen entsprechenden Fall ausurteilen muss. Es liegt jedoch kein Fall dem Verfassungsgericht bislang vor.

    Meurer: Fremdkindadoption - das heißt also, wenn ein, sagen wir mal, lesbisches Paar zum Jugendamt geht, sagt, wir möchten gerne ein Kind adoptieren, das ist die Fremdkindadoption?

    Gosemärker: Richtig.

    Meurer: Warum glauben Sie, dass Karlsruhe da anders entscheiden wird als bei der Sukzessivadoption?

    Gosemärker: Das denke ich nicht. Ich denke, dass der Gesetzgeber die Möglichkeit, die ja jetzt eingeräumt ist, auch dieses Verbot zu beseitigen, nicht nutzen wird, sondern dass das Verfassungsgericht auch in dieser Frage entscheiden werden wird müssen.

    Meurer: Wie würde Karlsruhe entscheiden, wenn es dazu kommt, bei der Fremdkindadoption? Was glauben Sie jetzt?

    Gosemärker: Wenn es konsequent seine Argumente weiterführt, dann spricht nichts dafür, dass das Fremdkind-Adoptionsverbot verfassungsgemäß ist.

    Meurer: Warum glauben Sie das?

    Gosemärker: ... , weil hier dieselben Argumente vorgebracht werden wie im Sukzessivadoptionsverfahren, nämlich dass es vor allem die Kinder stärkt und schützt, die in eingetragenen Lebenspartnerschaften leben, und dass dieser Schutz einem Kind auch dann zukommen soll, wenn es nicht das leibliche Kind eines Elternteils ist, sondern ein fremdes Kind, zumal hinzukommt, dass dadurch, dass das Sukzessivkindadoptionsverbot nun ausgehoben ist, de facto ohnehin die Möglichkeit der Fremdkindadoption besteht, weil nun ein Partner, eine Partnerin ein Kind adoptieren kann und der Lebenspartner, die Lebenspartnerin das Kind einfach nachadoptiert, denn das ist ja nun zulässig.

    Meurer: Um über diese Möglichkeit zu reden - das könnte in der Praxis jetzt tatsächlich eintreten, dass also schon nach diesem Urteil jetzt lesbische oder schwule Paare hingehen und sagen, okay, erst mal adoptiert der eine und dann nachträglich der andere.

    Gosemärker: Richtig.

    Meurer: Wie viele Jahre müssen dazwischen liegen, oder welche Voraussetzungen müssen da gegeben sein, dass das so einfach funktioniert, dass der andere einfach zwei Jahre später dann nachadoptiert?

    Gosemärker: Nun, die Voraussetzungen für die Adoption, als solche sind, dass die Eltern geeignet sind oder die zukünftigen Annehmenden geeignet sind, für das Kindeswohl zu sorgen, und das hängt nicht davon ab, wie lange zwischen den einzelnen Adoptionen Zeit verstrichen ist, sondern eben einfach davon, ob die Eltern dazu in der Lage sein werden, und das obliegt den Jugendämtern und den Familienrichtern, darüber zu entscheiden.

    Meurer: Werden Jugendämter denn ein Kind nur einem Partner zur Adoption geben?

    Gosemärker: Sie können ja nicht anders. Derzeit ist es ja so, dass, wenn ein lesbisches oder ein schwules Paar sich um ein fremdes Kind bemüht, di Jugendämter, die Adoptionsvermittlungsstellen darauf hinweisen müssen, dass nur einer der beiden das Kind adoptieren kann und der andere das Kind aber auch nicht nachadoptieren kann nach geltendem Recht.

    Meurer: Man denkt ja meistens, die Jugendämter geben Kinder nur an, ich sage mal, die übliche historische Standardfamilie. In welchen Fällen kommt das vor, dass die Jugendämter sagen, wir geben das Kind auch so ab? Schon in der jetzigen Lage, schon heute, wann entscheiden Jugendämter, ein Kind in eine gleichgeschlechtliche Partnerschaft zu geben und von einem adoptieren zu lassen?

    Gosemärker: In der Regel ist es so, dass diese Familien dadurch entstehen, dass ein Pflegekind in eine lesbische oder in eine schwule Beziehung gegeben wird. Die beiden bewerben sich als Pflegeeltern, und wenn es über die Kurzzeitpflege hinausgeht und die Adoption möglich ist, dann entscheidet sich möglicherweise das Paar, das Kind zu adoptieren, und dann wird nur ein Lebenspartner das Kind adoptieren, der andere wird das nicht tun, weil es rechtlich ja bislang nicht erlaubt war. In Zukunft dann wird es so sein, dass dann eben der zweite Elternteil das Kind dann über die Sukzessivadoption nachadoptiert.

    Meurer: Was ist eigentlich Ihre Meinung, dass in der Praxis Jugendämter Kinder als Pflegekind schon jetzt in gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften geben, aber eben nicht beide adoptieren dürfen?

    Gosemärker: Sie geben nach meiner Erfahrung Kinder deshalb in Lebenspartnerschaften, weil sie gute Erfahrungen gemacht haben mit den Pflegeeltern. Sie geben auch Kinder in gleichgeschlechtliche Partnerschaften; die Adoption darf eben nur durch einen Lebenspartner erfolgen. Da haben ja auch die Jugendämter nach der bislang geltenden Rechtslage keine Handhabe.

    Meurer: Frau Gosemärker, Sie haben mir im Vorgespräch gesagt, bei Partnerschaften, die Kinder haben möchten, pflegen möchten, adoptieren möchten, handelt es sich fast immer um lesbische Paare, nur in zwei Prozent der Fälle um männliche Paare. Woran liegt das?

    Gosemärker: Ich denke mal, dass die Frage, eine Familie zu gründen, bei zwei Frauen einfach stärker im Vordergrund steht als bei zwei Männern, wobei auch dort die Tendenz immer stärker wird, dass auch schwule Männer Kinder haben wollen. Das ist natürlich auch tabuisiert in der Schwulen-Community, aber das bricht langsam auf. Ich möchte aber auch gerne richtigstellen oder klarstellen, dass die meisten Kinder, die in Regenbogen-Familien leben, mittlerweile nicht in fremden Ländern adoptiert werden oder über Pflegefamilien in die Regenbogen-Familien kommen, sondern weil die Frauen, weil ein lesbisches Paar bewusst eine Familie plant und dann über eine Samenspende diese Familienplanung umsetzt.

    Meurer: Alexandra Gosemärker, Anwältin für Familienrecht in Berlin, zur heutigen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum sogenannten Sukzessivadoptionsrecht. Ich bedanke mich! Auf Wiederhören, Frau Gosemärker.

    Gosemärker: Danke Ihnen!

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