Freitag, 29. März 2024

Archiv

Fanarbeit
Rechtsruck in den polnischen Fankurven

2012 fand die EM in Polen und in der Ukraine statt. Die Gastgeber legten zahlreiche Programme gegen Rechtsextremismus in den Fankurven auf. Vier Jahre später hat sich die politische Lage in Polen stark verändert. Mit Folgen für die polnische Fanarbeit.

Von Ronny Blaschke | 11.06.2016
    Fans von Legia Warschau feuern ihr Team während des Europa League-Spiels gegen den SSC Neapel an
    In den Fankkurven der polnischen Klubs macht sich zunehmend fremdenfeindliche Stimmung breit. (picture alliance / dpa / Bartlomiej Zborowski)
    Als im vergangenen Jahr immer mehr Flüchtlinge nach Europa kamen, ließen die polnischen Ultras ihrem Hass freien Lauf. Die Uefa bat Vereine in europäischen Wettbewerben um Spenden aus Ticketeinnahmen. Fans von Lech Posen riefen zum Boykott gegen die Kampagne auf. Statt den üblichen 20.000 Zuschauern kamen nur 8000 zum Heimspiel.
    Wochen später zeigten Ultras aus Breslau eine riesige Choreografie. Darauf zu sehen war ein Kreuzritter, der Europa mit einem Schwert verteidigt, während am Mittelmeer Flüchtlingsboote ankommen.
    "Starker Rechtsruck in Polen"
    Der Extremismusforscher Rafal Pankowski beobachtet die polnische Fanszene seit zwei Jahrzehnten."Wir haben in Polen inzwischen eine komplett andere sozialpolitische Situation, mit einem starken Rechtsruck in der Gesellschaft. Diese feindliche Stimmung gegen Flüchtlinge wurde in fast allen Fanszenen der oberen Ligen deutlich. Durch antimuslimische Banner, Gesänge und Demonstrationen. Die meisten Ultras wollen sich von der Regierungspartei nicht vereinnahmen lassen, aber sie bestärken das nationalkonservative Klima. Leider gibt es dagegen im Fußball kaum Protest. So ist das Gesamtbild nicht so optimistisch, wie wir es uns vor vier Jahren erhofft hatten."
    Rafal Pankowski forscht am Collegium Civitas in Warschau. 1996 gehörte er zu den Gründern der Initiative "Nigdy Wiecej", auf Deutsch: "Nie Wieder". Mit Blick auf die EM 2012 legte die Organisation eines der breitesten Programme des europäischen Fußballs auf, unterstützt von UEFA und dem europäischen Netzwerk Fare. Zum Programm gehörten Workshops, Ausstellungen, Turniere sowie Schulungen von Lehrern, Trainern, Sicherheitskräften.
    Polens Verbandspräsident stand vielem im Weg
    "Aber leider muss ich sagen: wir haben schon lange nicht mehr die gleiche Unterstützung erhalten. Nicht von der Politik, nicht von der Uefa und auch nicht von den Medien. Das Interesse ist verloren gegangen, das sollte für künftige Turniere eine Lehre sein. In Polen jedenfalls stand der Fußballverband vielen Aktionen gegen Rassismus kritisch gegenüber. Das liegt vor allem an seinem aktuellen Präsidenten Zbigniew Boniek."
    Boniek freute sich über den Wahlsieg der rechtspopulistischen Partei "Recht und Gerechtigkeit". Überdies veröffentlichte der Verbandschef auf Twitter ein Foto von Jacek Purski, einem der prägenden Köpfe von "Nie Wieder". Boniek empfahl den Artikel eines rechtsextremen Magazins, überschrieben mit der Schlagzeile: "Rote Laus und Kommunisten-Spion Jacek Purski". 300.000 Menschen lasen Bonieks Kommentar, es folgten Beleidigungen und Drohungen Jacek Purski.
    Riskos eines rassistischen Angriffs besteht
    In diesem Klima gibt es keine polnische Fangruppe, die sich gegen Rechts positioniert. Stattdessen offene Hetze und Verbindungen zu rechtsextremen Musikbands. Welche Auswirkungen hat diese Entwicklung auf die EM in Frankreich, wo Polen auch gegen Deutschland und die Ukraine antritt? Rafal Pankowski. "Ich denke, dass nicht viele rechtsextreme Fans anreisen werden, aber einige fahren bestimmt. Wir gehen nicht davon aus, dass es in den Stadien zu Ausschreitungen kommen wird. Aber in Frankreich leben viele Menschen mit afrikanischen und arabischen Wurzeln, auch um die Stadien herum. Ich hoffe nicht, dass es dort zu tragischen Vorfällen kommt. Aber das Risiko besteht."
    Immerhin gibt es in Polen inzwischen zwölf Fanprojekte, die sich um die Stärkung von engagierten Anhängern bemühen. Bald sollen weitere hinzukommen. Doch sie haben viel Arbeit vor sich. In Frankreich nun werden 19 der 24 teilnehmenden Länder mit mobilen Anlaufstellen vertreten sein. Organisiert von Fans für Fans. Mit dabei sind Nationen wie Russland, die Ukraine oder Ungarn, wo ebenfalls viele nationalistische Fans den Ton angeben. Aus Polen aber ist keine Fan-Botschaft vertreten. Das Interesse an einer Zusammenarbeit, so heißt es, sei nicht ausreichend gewesen.