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Fantasie der Weltverbesserer

Wenn Drehbuchautor und Regisseur mit ihrem Machwerk selbst nicht zufrieden sind, dann ist das kein gutes Zeichen. Tiefstapelei oder ist "8th Wonderland" der französischen Filmemacher Nicolas Alberny und Jean Mach wirklich mehr etwas für den "Spamordner"?

Von Josef Schnelle | 12.08.2010
    Es war ja nur eine Frage der Zeit, bis die virtuelle Realität der Netzcommunity den Stoff für die in die Jahre gekommene virtuelle Realität des Kinos hergeben würde. Die beiden französischen Regisseure Nicolas Alberny und Jean Mach haben mit "8th Wonderland" nun eine der ersten Geschichten gedreht, die mit der Macht des Internets spielt.

    Die digitalen Bewohner des achten Wunderlandes haben sich zusammengeschlossen, um mit im Internet abgesprochenen Aktionen auf Probleme der realen Welt hinzuweisen oder diese sogar zum Beispiel durch gezielte Falschinformationen zu lösen. Jede Aktion wird übers Internet in Multibildkonferenzen, die es technologisch so noch nicht gibt beschlossen und dann von Aktivisten vor Ort ausgeführt. Millionenschwere Fußballstars werden entführt und landen in einer chinesischen Fabrik, in der Kinderhände die Prestigefußballschuhe herstellen. Ein Atomabkommen zwischen Russland und dem Iran wird durch eine eingeschleuste Übersetzerin boykottiert, die im Auftrag von "8th Wonderland" die Präsidentengattinnen beleidigt. Zunächst ähnelt das alles der Spaßguerilla, bei der nach den Vorgaben des kürzlich verstorbenen Fritz Teufel die Mächtigen durch einfache Aktionen vor allem lächerlich gemacht werden sollen. Auch der Vatikan bekommt dies zu spüren.

    Übrigens wird auch eine Darwin-Bibel in Millionenauflage unter die Leute gebracht und auch der Truthahn, den der amerikanische Präsident jedes Jahr zum Thanksgivingfest in einem Anflug von öffentlicher Ironie als Festtagsbraten begnadigt, wird spektakulär entführt, um gegen die Todesstrafe zu protestieren. Mit wachsendem Einfluss der Internet-Anarchisten wird die Sache jedoch unübersichtlich. Trittbrettfahrer versuchen das Image der Community für sich nutzbar zu machen. Immer gefährlichere Vorschläge zu Aktionen kommen zur Abstimmung. Fragen der Moral müssen aufgearbeitet werden. Und Fragen der filmischen Darstellbarkeit eines Geschehens im virtuellen Raum. In ihrem ersten abendfüllenden Film stellt sich Nicolas Alberny zusammen mit seinem Drehbuchautor Jean Mach den inneren Widersprüche der satirische geschilderten Netzabhängigen Science-Fiction Welt samt der politischen Revolution, die aus dem Netz kommt. Webcambilder tauchen auf und verschwinden wieder wie Geister aus einer anderen Welt. Und es wird viel - vielleicht zuviel - diskutiert und gezweifelt.

    "8th Wonderland" ist ein ungewöhnlicher Film. Die Unverfrorenheit mit der die Macher auf die Welt losgehen ist zunächst sympathisch. Der Film will vorausschauen und hat doch schon jetzt das Nachsehen. Die Netzcommunities, oft als neue Kommunikationsstrukturen im Internet beschworen, sind längst angekommen im Mainstream der Strukturen, die nur noch ein wenig geschliffen werden müssen für den Einsatz als Marketinginstrumente. Auch in "8th Wonderland" bekommt der Traum von der Völker- und Klassenfreundschaft aus dem Internet ein paar gehörige Schrammen. Außerdem sind die Autoren auch selbst unzufrieden mit ihrer Zukunftsvision, weswegen der Fortsetzungsfilm "9th Wonderland" schon abgedreht ist. Auf derart kurze Distanz mit der Medienentwicklung Schritt zu halten, scheint aber doch ganz schön schwierig: gedanklich und technisch: Hoffentlich ist "9th Wonderland" wenigstens in 3 D.