Donnerstag, 28. März 2024

Archiv


Fantasiestadt Paris

Die Zauberei, die aus der Mechanik kommt, spielen im neuem Film von Regisseur in Martin Scorsese eine zentrale Rolle. Ganz auf sich allein gestellt sucht ein kleiner Junge im Labyrinth eines idealisierten Pariser Jugendstil-Bahnhofs in den 30er-Jahren nach dem Geheimnis seiner Identität.

Von Josef Schnelle | 05.02.2012
    "Dein Film handelt von der Magie des Kinos. Und er ist selbst magisch." –
    "Hast Du Lust auf ein Abenteuer?"

    Regisseur James Cameron betätigt sich als Filmkritiker und verleiht dem Film seines Kollegen Martin Scorsese, der in einem Werbe-Trailer neben ihm sitzt, die höheren Weihen. Scorsese hat seinen Film "Hugo Cabret" in Camerons Stereoskopie-3D-Verfahren gedreht, das dieser für seinen Film "Avatar" entwickelt hatte. Doch die Magie des Kinos kommt aus dem Sujet, der Verfilmung eines bekannten Kinderbuchs von Brian Selznick, in dem ein kleiner Junge ganz auf sich allein gestellt im Labyrinth eines idealisierten Pariser Jugendstil-Bahnhofs in den 30er-Jahren nach dem Geheimnis seiner Identität sucht. Eine zentrale Rolle spielt dabei ein kleiner mechanischer Roboter, den Hugos inzwischen verstorbener Vater ihm hinterlassen hat.

    "Was kann der alles?"

    "Er ist eine Aufziehfigur wie eine Musikbox. Das ist bei weitestem die komplizierteste, die ich je in den Fingern hielt. Mit Abstand. Weißt Du, diese hier kann schreiben. Als ich noch klein war, traten Zauberkünstler damit auf. Manche Figuren konnten gehen, tanzen oder sangen. Aber das Geheimnis, das lag immer im Uhrwerk."

    Uhrwerke und die Zauberei, die aus der Mechanik kommt, spielen in diesem Film eine zentrale Rolle, den Hugo sorgt dafür, dass die riesigen Uhren des Bahnhofs nie stillstehen. Die Eisenbahn – nur ein halben Jahrhundert älter als das Kino - war eines von dessen bevorzugten Sujets.

    Die Kinoerfinder August und Louis Lumière zeigten in einem der ersten Filme der Kinogeschichte die Einfahrt eines Zuges in einen Bahnhof und der Blick aus den Fenstern auf die vorbeirasende Landschaft nahm die Illusion des bewegten Bildes vorweg. In den Anfangsjahren des Films fürchteten sich die Menschen vor dem von der Leinwand scheinbar auf sie zurasenden Zug.

    1895, im Geburtsjahr des Kinos, geschah auch der im Film spektakulär zitierte berühmte Unfall im Gare Mont Parnasse, bei dem ein Zug die Fassade des Kopfbahnhofs durchbrach. Die kopfüber gestürzte Lokomotive aus dem zerstörten Bahnhof ist immer noch ein beliebtes Postkartenmotiv. In anderen Filmen der Gründerjahre traten feuerspuckende Drachen auf und die Züge befreiten sich von der Erdenschwere und machten sich auf zu den Gestirnen. Wie eine Kanonenkugel wird in einem der ersten Fantastischen Filme überhaupt 1904 eine Forschergruppe im Gehrock zum Mond expediert und landet beim Mann im Mond, der als eine Art Cremetorte dargestellt wird.

    Der Schöpfer dieser Szenen – der Zauberkünstler und Illusionist Georges Mélies vertrat unter den Pionieren der Filmkunst diejenigen, die Träume schaffen wollten die größer sein sollten, als das Leben selbst. Er begründete damit eine der beiden großen Traditionslinien des Kinos. In "Hugo Cabret" betreibt Onkel Georges - verkannt und fast vergessen wie sein historisches Vorbild einen kleinen Spielzeug-Laden und er ist - gespielt von Ben Kingsley - die Schlüsselfigur des Films.

    "Mein Leben hat mich gelehrt, ein Happy End gibt es nur in den Filmen." – "Die Geschichte ist noch nicht zu Ende."

    Martin Scorsese ist einer der Filmregisseure, für den Filmgeschichte zählt. Und so ist "Hugo Cabret" ein labyrinthisches Geflecht aus cineastischen Anspielungen und Zitaten, mit denen das Zielpublikum im Kinderalter gelegentlich überfordert wird, aber es ist eine Fundgrube filmhistorischer Schätze, die den Reichtum des Mediums feiert. Diese Liebeserklärung an die Poesie des frühen Films dringt damit auch zum Wesen des heutigen Illusionskinos vor.

    "Wenn Du dich jemals gefragt hast, wo Deine Träume herkommen: Hier werden sie gemacht."

    Und heute werden sie natürlich in 3-D gemacht. Martin Scorsese hatte deshalb auch den Ehrgeiz, dieses auch für ihn ganz neue Medium im Handstreich zu erobern. Dass ihm das gelungen ist muss selbst James Cameron anerkennen, der sich damit auch vom Thron des kreativsten 3-D-Visionär stoßen lässt.

    Und so ist das triumphale "Yes" aus dem Munde des Meisterregisseurs Martin Scorsese am Schluss des folgenden Interviewausschnitts durchaus noch bescheiden zu nennen.

    "Ich finde, es ist etwas ganz anderes was du machst. Du hast 3-D als Teil deiner Kunst begriffen, so wie eine zusätzliche Farbe mit der du Malen kannst."