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"Farbe, Farbe, Farbe"

Die Malerei von Gotthard Graubner habe sich "aus nichts anderem als der Organisation der Farbe heraus entwickelt", sagt Heinz Liesbrock vom Josef-Albert-Museum im Quadrat in Bottrop. Der deutsche Künstler ist im Alter von 82 Jahren verstorben.

Im Gespräch mit Burkhard Müller-Ullrich | 25.05.2013
    Burkhard Müller-Ullrich: Bei gewissen Staatsanlässen im Schloss Bellevue, dem Sitz des Bundespräsidenten, wenn die Fernsehkameras dabei sind, kann man sie im Hintergrund erkennen, und, ja, auch bei der Rücktrittserklärung von Christian Wulff waren sie im Bild, die Gemälde von Gotthard Graubner. Trotz seiner prominenten Platzierung in staatlichen Gebäuden stand er nicht in der ersten Reihe der deutschen Maler – ich sage stand, denn gestern ist Gotthard Graubner gestorben im Alter von 82 Jahren. Am Telefon ist Heinz Liesbrock, Direktor des Josef-Albert-Museums im Quadrat in Bottrop und ein guter Kenner des Werkes von Gotthard Graubner. Herr Liesbrock, das, was man da im Fernsehen vielleicht wahrgenommen hat – Quadrate mit Farbe, violett zum Beispiel –, ist das typisch für sein Werk?

    Heinz Liesbrock: Das ist typisch für Graubner, denn – Sie haben es gesagt, violett, Sie haben damit eine Farbe bezeichnet – wenn man Graubners Position auf einen einfachen Begriff bringen wollte, dann müsste man sagen: Farbe, Farbe, Farbe. Eine Malerei, die sich aus nichts anderem als der Organisation der Farbe heraus entwickelt. Nuancen der Farbe, die Räumlichkeit der Farbe. Graubner hatte einmal selbst im Versuch, seine Malerei zu charakterisieren, gesagt: Meine Bilder bauen sich auf im Wachsen des Lichts, verlöschen mit dem Licht. Anfang und Ende sind austauschbar. Die bezeichnen keinen Zustand, sie sind Übergang. Dieses Übergangsstadium, dieses Fluide der Farbe, das war Graubners eigentliches Thema, und damit hat er tatsächlich auch einen eigenständigen und unverkennbaren Beitrag, nicht nur zur deutschen Malerei der letzten 50, 60 Jahre, geleistet.

    Müller-Ullrich: Darf ich mal kurz unterbrechen, weil Sie sagen unverkennbar.

    Liesbrock: Ja?

    Müller-Ullrich: Man nennt das ja Schlagwort abstrakte Kunst. Es gibt viele andere Maler, die ähnlich aussehen, deren Werke ähnlich aussehen. Was ist jetzt das Besondere an diesem Werk von Graubner?

    Liesbrock: Zwei Dinge würde ich Ihnen da nennen wollen. Es ist zum einen diese absolute Konzentration auf das Eigenleben der Farbe, eine Malerei, die alles andere ausschließen will, und Graubner ist, man könnte es sagen, ein Kunstgriff gelungen: In den 60er-Jahren hat er eine Form entwickelt, die man später als Farbraumkörper bezeichnet hat, kunsthistorisch. Er hat eine Leinwand unterfüttert mit einer synthetischen Watte, sodass der Bildkörper eine Tiefe bekommen hat. Und in diese Körper hat er die Farbe mit großen Bürsten, mit Besen, eingerieben. Die Farbe konnte einsickern, er hat sie dann neuerlich nach gewisser Zeit wieder in ein fluides Medium verwandelt, hat sie flüssiggemacht, hat sie mit neuen Farben verbunden. Also das war immer eine Malerei, bei der der Künstler Autor war, aber sich zugleich ganz seinem Medium ausgeliefert hat, dem Eigenleben der Farbe.

    Müller-Ullrich: Wie kommt jemand, wie kam er dazu, so auf diese Weise zu malen und sich einer, wenn man so will, Strömung anzuschließen? Welche Lehrer hatte er?

    Liesbrock: Graubner hat Wert darauf gelegt, dass er nicht Sachse, sondern Vogtländer war, es war kurios. Er hat aber in Dresden studiert, bei dem großen Wilhelm Rudolph, das war in den frühen 50er-Jahren, und er ist dann, wie eine ganze Reihe anderer Künstler, wie Baselitz, wie Polke, wie Richter, aus dem Südosten Deutschlands ins Rheinland gekommen, er hat in Düsseldorf studiert, und er hat dort in den späten 50er-Jahren im Umfeld von Zero, im Umfeld des Informellen begonnen, sein Interesse an der Farbe, das eigentlich immer sein primäres Interesse war, dem eine eigenständige Form zu geben und relativ schnell eben, wenn man jetzt sein Lebenswerk betrachtet – nach ungefähr zehn Jahren ist er auf diese Farbraumkörper gestoßen und hat der Farbe diese Räumlichkeit, diese atmende, energetischen Qualität verliehen.

    Müller-Ullrich: Der Erfolg von Kunst, unter anderem der Erfolg von Künstlern besteht darin, einfach sein Ding zu machen und dabei zu bleiben. Versuchen wir es mit der Farbe noch einmal in einer letzten Definition, zehn Sekunden, kann man das machen, wenn ich jetzt ganz banausisch sage, was ist der Unterschied zu Mark Rothko?

    Liesbrock: Man würde das Gemeinsame stärker als die Unterschiede hier bezeichnen. Graubner, ja, also es fällt mir schwer …

    Müller-Ullrich: Ich habe es verstanden, ja.

    Liesbrock: Es fällt mir schwer.

    Müller-Ullrich: Wir haben es verstanden, und das war genau die beste Antwort. Ich danke Ihnen sehr herzlich, Herr Liesbrock! Sie sind der Direktor des Josef-Albers-Museums im Quadrat in Bottrop, und wir sprachen über Gotthard Graubner, der im Alter von 82 Jahren gestorben ist.


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.