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Fashion-Industrie
Wie viel Feminismus steckt in der Mode?

High-End-Fashion-Labels benutzen feministische Slogans, um ihre Kleidung zu verkaufen - an nach wie vor sehr schlanken, sexualisierten Frauenkörpern. Und eine Schauspielerin bekommt Ärger, weil sie sich in Underboob zeigt - schließen sich Feminismus und Mode aus?

Von Jenni Zylka | 25.04.2017
    Die jüngste Plakatkampagne des französischen Modehauses Yves Saint Laurent zeigte schlanke Frauen in Netzstrumpfhosen, hochhackigen Rollschuhen und knappen Bodys. Die Models posierten mit hochgerecktem Hinterteil, wirkten dürr, devot und stark sexualisiert
    Die jüngste Plakatkampagne des französischen Modehauses Yves Saint Laurent wurde nach Protesten eingestellt (dpa picture alliance/Leon Tanguy/MAXPPP )
    "Feminismus, Feminismus … Gender Pay Gap … Warum nur werde ich nicht ernst genommen … Feminismus … Oh, und hier sind meine Titten!"
    Das twitterte die US-Radiojournalistin Julia Hartley-Brewer kürzlich als Antwort auf Modefotos von Schauspielerin und Feministin Emma Watson in der "Vanity Fair". Tausendfach wurde der Tweet geteilt. Watsons Engagement für Frauenrechte sei mit so einem Foto hinfällig, hieß es in den Kommentaren. Aber ist Brüstezeigen per se unfeministisch?
    "Die Frage ist: Welche Körper werden gern so inszeniert und welche nicht?", sagt Hengameh Yaghoobifarah, Redakteurin beim "Missy Magazine", das Themen wie diese regelmäßig aufgreift.
    "Das hat ja auch viel damit zu tun, dass Emma Watson eine schlanke, weiße, normschöne Schauspielerin ist. Das würde man bei einer anderen Schauspielerin, die nicht in die Kategorien reinpasst, nicht so erfragen."
    Vorwurf so alt wie die Frauenbewegung
    Die Inszenierungsmechanismen in der Modewelt und der Feminismus scheinen also nicht zusammenzugehen. Der Vorwurf, dass in der Fashion-Industrie ausschließlich der männliche, Frauen auf Objekte reduzierende Blick vorherrscht, ist so alt wie die Frauenbewegung, erklärt Diana Weis. Sie ist Dozentin für Modetheorie an der Akademie für Mode und Design in Berlin:
    "Die erste Welle entstand ja Ende des 19. Jahrhunderts. Und wenn man sich das anschaut, also mit Korsett, mit Reifrock und so weiter, kann man es nachvollziehen, dass die ersten Feministinnen gesagt haben: Wir wollen damit nichts zu tun haben, so! Wir brauchen eine Kleidung, die zweckmäßig ist, mit der wir uns bewegen können, mit der wir arbeiten gehen können. Und diese Lust an der Selbstinszenierung, das Spielerische, dass es auch etwas Positives sein kann, das ist etwas, bei dem die feministische Bewegung ein bisschen gebraucht hat, um sich das einzuverleiben."
    Und die Debatte geht weiter: Die jüngste Plakatkampagne des französischen Modehauses Yves Saint Laurent zeigte schlanke Frauen in Netzstrumpfhosen, hochhackigen Rollschuhen und knappen Bodys. Die Models posierten mit hochgerecktem Hinterteil, wirkten dürr, devot und stark sexualisiert. Die PR-Kampagne wurde nach Protesten eingestellt. Zu Recht, findet Yaghoobifarah vom "Missy Magazine":
    "Oft bedienen diese Bilder den sogenannten 'Male Gaze', also den männlichen Blick, der gefallen soll, der ansprechen soll. Entsprechend sind sie oft sexistisch."
    Bilder, die Yves Saint Laurent vor der Pariser Modemesse in die Schlagzeilen brachten. Für Designer und Designerinnen sind solche Kampagnen aber nicht nur ein PR-Effekt. Modemacher möchten in ihrer Kreativität frei sein. So, wie die Berliner Designerin Esther Perbandt, die ausdrucksstarke, schwarze Unisex-Kleider entwirft. Dass ihre Models dünner sind als die Durchschnittsfrau und in ganz anderen Posen inszeniert werden, erklärt sie so:
    "Hausfrauen und Übermütter und sowas, die finde ich viel gefährlicher"
    "Ich bin solche Bilder gewöhnt, ich arbeite in der Mode, mache selber Modeschauen, ich weiß, wie die Frau aussieht im normalen Leben, die in meinen Laden kommt. Das ist nicht die 20-Jährige, die so einen Körper hat, die ist 45 bis 65 und hat alle möglichen Figuren, die habe ich alle bei mir im Laden und es macht mir Spaß, die anzuziehen. Trotzdem bin ich in der Branche und arbeite mit den anderen Bildern. Ich sehe es eher als Kunst."
    Perbandt sieht eine Gefahr für junge Frauen vielmehr in dem anderen Extrem:
    "Diese Bilder, die in der Werbung, diese Hausfrauen und Übermütter und sowas, die finde ich viel gefährlicher für eine Erziehung einer jungen Frau, die eine Female Future Force bilden sollte, als ein kunstvolles Bild von einem dünnen Model in einer devoten Pose."
    Trend zu feministischen Slogans
    Mit Blick auf die vergangene New York Fashion Week hat man den Eindruck: Mode und Feminismus könnten doch noch dicke Freundinnen werden. Große Modehäuser wie Versace und Dior druckten für ihre Shows feministische Slogans auf ihre Kleidung wie "The future is female" und präsentierten sie offensiv auf den Laufstegen. Ähnlich wie im Popbusiness schon Beyoncé oder Taylor Swift auf der Bühne getan haben. Aber sind solche Aktionen überhaupt glaubwürdig?
    "Natürlich wird man keine Feministin, wenn man ein T-Shirt trägt. Man wird auch nicht politisch engagiert, wenn man auf Instagram postet. Das aber mal ausgeklammert, ist es sehr positiv zu bewerten, dass es einen Trend gibt in Richtung Feminismus", sagt Modedozentin Weis. "Da muss man allerdings auch ausklammern, wie die Modebranche funktioniert, weil es auch zynisch gedeutet werden kann, wenn man sich die Produktionsbedingungen, die Hierarchien, die Frauenbilder und so weiter anschaut, die von diesen Labels unterstützt und verbreitet werden."
    Das im Hinterkopf, müssen sich Mode und Feminismus aber mitnichten ausschließen. Denn viel wichtiger als was und wie viel man trägt, ist, wer davon profitiert und wie man sich damit fühlt. Und ob das gut, sexy, aufgetakelt oder unmöglich aussieht, liegt sowieso im Auge des Betrachters.