Donnerstag, 28. März 2024

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FashionTech von Anouk Wipprecht
Gedanken steuern Kleid

Kleidung kann schon lange mehr als nur gut aussehen. Neue Technologien machen es möglich, dass Kleider blinken und sich bewegen können. Die Niederländerin Anouk Wipprecht gehört im Bereich FashionTech seit Jahren zu den innovativsten Designerinnen.

Von Dennis Kastrup | 14.10.2020
Auf dem Bild ist das futuristische anmutende weiße Kleid der Designerin Anouk Wipprecht zu sehen. Es hat seltsame Sensoren, die sich von ihm abheben.
Ein Kleid der niederländischen Designerin Anouk Wipprecht (Yanni de Melo)
Die Plastikteile aus dem 3-D-Drucker erinnern an ein Skelett, nur außerhalb des Körpers: Wie weiße Knochen schlängeln sie sich von den Schultern über die Hüfte hinab bis zu den Knien. Daran angebracht: 32 kleine Motoren, die wie Hühnereier aussehen. Jeder steuert eine LED-Lampe, die sich im Kreis bewegt und in verschiedenen Farben leuchtet. Auf dem kahlgeschorenen Kopf der Trägerin sind mehrere bräunliche Leiterplatten befestigt. Wie bei einem EEG messen sie die Gehirnströme. Über ein Jahr lang hat Anouk Wipprecht an dem "Pangolin" gearbeitet.
"Das Kleid visualisiert die Daten der Signale, die am Kopf gemessen werden. Wenn man in einem meditativen Zustand ist, leuchtet es lila. Bei neutralem Zustand leuchtet es blau. Ist man hektisch, leuchten die weißen LEDs wie verrückt und die Motoren bewegen sich. Es visualisiert also in Echtzeit, welche Daten vom Kopf empfangen werden."
Woran gedacht wird, kann der angeschlossene Computer an Hand der Daten aber nicht erkennen. Licht und Bewegung hängen ausschließlich von der Intensität der Konzentration ab.
Textilien, Schuhe und Polster liegen neben einem Container für Altkleider auf der Straße.
Mode - Wissen, woher der Stoff kommt
Ein Umdenken der Mode-Industrie mit Blick auf die Klimakrise fordern Marika Hellmund und Viola Volk von der HAW Hamburg. Das und wie es nachhaltig geht, zeigen sie auf der A+Modenschau in Hamburg.
Mit Denken das Aussehen verändern
"Man kann lernen, das Kleid zu steuern. Es gibt viele Dinge, die unser Gehirn beeinflussen, wie zum Beispiel ein lautes Geräusch oder jemand, der meinen Namen sagt, Anouk. Dann sieht man, dass die Signale des Gehirns nach oben ausschlagen und helles Licht leuchtet. Es gibt Tricks, das zu kontrollieren. Und es macht Spaß, damit zu spielen."
Die verkabelten Metallplatten auf dem Kopf sehen dabei aus wie der Panzer eines Schuppentiers. Das so genannte "Pangolin" hat dem Dress deshalb auch den Namen gegeben.
"Die Natur nachzuahmen, gefällt mir sehr gut. Dabei betrachtet man, wie alles wächst und fließt und wie sich Tiere verhalten. Das mag ich besonders gern. Das projiziere ich dann auf meine Robotersysteme."
Eleganz und Rüstung
So wie bei einem älteren Kleid von Wipprecht: "Spider", Spinne. Kommt man ihm zu nahe, fährt es aus Angst seine acht Arme aus, um die Trägerin zu beschützen. Das Kleid stellt somit eine Schnittstelle zwischen Umwelt und dem inneren Befinden dar. Die emotionale Reaktion ist ungeschminkt und vom Betrachter erkennbar. Das gilt auch für das "Pangolin".
"Wenn wir alle näher an unseren Emotionen dran wären, also uns vielleicht nicht daran stören, dass man rot anläuft, dann wäre das vielleicht besser für unser Stressniveau. Wir sind zu einer Gesellschaft geworden, in der wir unsere Emotionen und Gefühle oft verstecken wollen. Und ich glaube, dass wir uns mehr verstecken als wir das sollten."
Tücken der technifizierten Kleidung
Die Kleider von Anouk Wipprecht sind alle von ihr selbst programmiert worden. Bei der Umsetzung wurde sie von der Johannes Kepler Universität Linz, dem Linz Institute Of Technology und dem Institute For Integrated Circuits unterstützt. Die Wissenschaftler konnten bisher aber auch nicht das große Problem lösen, das alle FashionTech Designer haben:
"Der größte Feind von elektronischen Geräten ist Wasser. Ich war mit vielen Waschmaschinenfirmen in Kontakt, die versuchen, das zu beheben. Es gibt jetzt aber tatsächlich viele Maschinen in den Labors, die darauf fokussiert sind, intelligente Technologien zu waschen. Das find ich sehr gut!"
Das "Pangolin" ist kein Kleid für den Alltag. Es ist ein Hingucker bei Veranstaltungen und sorgt für Aufmerksamkeit. Damit unterscheidet es sich in der Wahrnehmung nicht wirklich von exzentrischer Haute Couture auf dem roten Teppich. Die Diskussion, ob Mode und Technologie zusammenpassen, wird schon länger geführt. In Zeiten von Corona sogar noch intensiver, da mittlerweile auch integrierte Sensoren Körperfunktionen kontrollieren und die Träger vor einer Krankheit warnen können. Wipprecht stellt sich die Frage nicht. Für sie ist klar: In Zukunft werden wir immer mehr und bessere Technologie in unserer Kleidung tragen – wir müssen uns nur gut darauf vorbereiten.
"Wenn man eines meiner Spinnenkostüme trägt und es dann am Abend nicht funktioniert, was macht man dann? Zurücksenden? Bringt man es zu einem Schneider für Roboter-Kleidung? Oder ist es möglich, es selber zu reparieren, also das Kleid neu zu programmieren? Deshalb interessiere ich mich auch sehr für die Do It Yourself Bewegung. Je mehr Menschen sich mit Programmieren und dem Coden auskennen, desto mehr können sie das Problem selbst lösen."