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Fastenbrechen
Dattel-Schoko-Kalender für den Ramadan

Im Fastenmonat Ramadan dürfen Muslime 30 Tage von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang nichts essen und trinken. Ihr Fasten brechen sie traditionell mit einem Schluck Wasser oder Milch und einer Dattel. Dafür gibt es inzwischen ähnlich wie der Adventskalender einen Ramadankalender - hinter jedem der 30 Türchen versteckt sich eine schokoladenummantelte Dattel.

Von Kemal Hür | 29.05.2017
    Jemand nimmt sich eine Dattel von einem Haufen Datteln.
    Traditionell wird als erstes eine Dattel gegessen. (imago/Xinhua )
    "Kalam, Nur, Salam, Hafiz, Du'a, Sabr. Sabr heißt Geduld."
    Ein junger syrischer Flüchtling liest die arabischen Wörter auf den 30 Türchen vor. Die Wörter kennt er. Was es aber mit den Türchen auf sich hat, das weiß er nicht. Sein Freund, der etwas länger in Deutschland lebt, erkennt sofort die Ähnlichkeit zu einem Adventskalender.
    "Ist super. So kann man die Menschen dazu bringen, zu fasten und Spaß daran zu haben. Man wartet jeden Tag auf ein Türchen - so wie Weihnachten."
    Die Rede ist vom sogenannten Iftarlender. Iftar ist das muslimische Fastenbrechen. Der Aufmachung nach ist der Iftarlender ein Adventskalender. Doch hat dieser 30 Türchen; denn er ist für den Ramadan konzipiert. Gläubige Muslime fasten 30 Tage lang vom Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang und brechen ihr Fasten traditionell mit einer Dattel. Deswegen steckt hinter jedem Türchen eine Dattel mit Schokolade. Jedes Türchen ist mit einem arabischen Wort versehen. Diese Wörter sollen den Fastenden helfen, sich genauer mit ihrer Religion zu beschäftigen, sagt die Erfinderin des Iftarlenders, Nadia Doukali.
    "Klassisches Beispiel: die erste Tür. Da steht Sabr drauf. Das bedeutet Geduld. Man braucht sehr, sehr viel Geduld im Ramadan. Man braucht aber sehr viel Geduld im Leben. Man braucht Geduld mit seinen Mitmenschen, mit sich selbst. Und umso tiefer man in die Bedeutung eines Wortes geht, umso mehr merkt man, dass man nicht alleine ist, dass man nicht alleine ist auf der Welt mit seinen eigenen Problemen oder seinem Glück."
    Kalender für deutsche Läden entwickelt
    Nadia Doukali ist Werbetexterin und Kinderbuchautorin. Die 36-jährige Muslimin stammt aus Marokko und lebt in Frankfurt am Main. Ihr Produkt hat sie bewusst für deutsche Läden entwickelt, sagt Doukali. In türkischen und arabischen Geschäften wird es nicht verkauft.
    "Ich möchte gerne, dass der deutsche Einzelhandel und die deutschen Schokoladenboutiquen, die deutschen Kaufhäuser sich ganz, ganz klar und speziell auf diese Zielgruppe einstellen. Es kann nicht sein, dass wir alle Halloween feiern, und wir haben für die zweitgrößte Religion nicht so viele Optionen für die Feierlichkeiten und die Feste."
    Der blau-weiße Kalender mit dem islamischen Halbmond auf dem Deckel ist online bereits ausverkauft. In einem Berliner Schokoladengeschäft ist die muslimische Verkäuferin von der Idee eines Ramadankalenders begeistert.
    "Das hat sich bis jetzt sehr gut verkauft. Wir haben immer noch Nachfragen danach. Es gibt auch deutsche Kunden, die es für Muslime mitnehmen und verschenken möchten. Aber überwiegend besteht unsere Zielgruppe aus muslimischen Kunden."
    "Ramadan? – Ramadan? – Nach den Türchen Adventkalender. – Denn die Zahlen sind ja alle durcheinander."
    Vor einem Café sitzen vier Rentner. Bei ihnen löst der Dattelkalender eine Diskussion über Muslime aus.
    Renterin: "Sagen Sie mal, wenn die hier in Deutschland leben, wir Christen fasten auch nicht, warum passen sie sich hier nicht an? Die machen unsere ganze Kultur kaputt. Die nehmen uns Weihnachten weg, die nehmen uns Ostern weg, die nehmen uns alles weg."
    Autor: "Warum nehmen die Muslime Ihnen Weihnachten weg, wenn sie im Ramadan fasten?"
    Renterin: "Na ja, ich halte von so etwas nichts."
    Autor: "Was halten Sie davon?"
    Rentnerin 2: "Also, dagegen sage ich nichts. Jeder hat seine Religion und fertig. Ist schon gut so."
    "Dass sie es jetzt anbieten, ist schön"
    Ein paar Meter von der Gruppe entfernt sitzt eine Auszubildende, die Haare streng muslimisch mit einem Kopftuch verdeckt. Sie hat die Diskussion nicht mitbekommen.
    "Es hat mich schon berührt. Ich finde es schön, dass es das in deutschen Märkten gibt. Man fühlt sich wohler, weil viele finden es komisch, dass wir im Ramadan fasten. Dass sie es jetzt anbieten, ist schön."