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Fastenzeit
Bibellesen mit Bruder Jakob

Durch die Bibel in 40 Tagen: In der Erfurter Reglergemeinde trifft sich in der Fastenzeit jede Woche eine Gruppe, die gemeinsam die Bibel liest und darüber diskutiert. Mit dabei: die drei Augustinermönche, die seit drei Jahren in der Gemeinde Seelsorge betreiben.

Von Henry Bernhard | 12.04.2017
    Bibel
    In 40 Tagen wichtige Texte der Bibel zu lesen und dann gemeinsam zu diskutieren. (dpa / picture alliance / Arno Burgi)
    Pater Pius singt: "Sage doch nicht, ich bin zu jung."
    Pater Pius eröffnet den Abend mit "Sage doch nicht, ich bin zu jung". Pater Pius ist 77 Jahre alt. Die Gemeinde ringsum ist jünger, ein gutes Dutzend Frauen und Männer allen Alters sitzen im Kreis. Jede Woche der Fastenzeit haben sie sich einmal im Gemeindehaus der Erfurter Reglergemeinde getroffen, um in 40 Tagen wichtige Texte der Bibel zu lesen und dann gemeinsam zu diskutieren. Die Idee kam von der Gemeindepfarrerin Gabriele Lipski.
    "Der Gedanke dahinter ist: Immer mal wieder treffen wir Menschen, die sagen, 'Ach, ich würde gerne mal die Bibel lesen; aber ich weiß nicht, wo ich anfangen soll.' Und wenn ich einfach nur so am Anfang lese, langweilt's oder ich verstehe vieles nicht oder ich komme nicht voran. Und dann ist mir zufällig begegnet dieses Buch von Klaus Douglass, das heißt 'In 40 Tagen durch die Bibel. Expedition zum Ich'. Und deswegen habe ich gesagt, wir probieren's auch mal. Und unsere Mönche haben sofort gesagt: 'Ja, wir machen das auch gerne mit!' Deswegen machen wir gemeinsam mit Gemeindegliedern diese Expedition."
    Drei Augustinermönche in der Seelsorge
    "Unsere Mönche" muss man in einem evangelischen Pfarrhaus wohl erklären: Die Erfurter Reglergemeinde hat drei Augustinermönche vor drei Jahren in ihr Pfarrhaus und später auch in ihre seelsorgerische Arbeit aufgenommen.
    "Es ist eine sehr gemischte Gruppe. Es sind eine ganze Reihe Leute da, die also regelmäßige Kirchgänger sind, also, die eigentlich zum Gemeindekern gehören. Aber die brauchen das natürlich auch! Gerade die, die intensiver leben wollen und das Leben so ein Stück ausrichten wollen, die haben es eigentlich ganz besonders nötig! Wir, die ständig damit umgehen, sind ja am ehesten in der Gefahr, dass es Routine wird und man das Eigentliche nicht mehr mitbekommt, das, was mich jetzt trifft."
    Die drei Augustinermönche haben vor vier Jahren ihre Stammhäuser verlassen, um in Erfurt, in der Diaspora, noch einmal neu zu gründen. Mangels eines Klosters und, um näher am Menschen zu sein, wie er sagt. Eben auch bei "In 40 Tagen durch die Bibel". Bruder Jakob beginnt so die Runde mit einem Gedicht von Friedrich Nietzsche, reflektiert über Worte und Sprache, über das Gesagte und das Nicht-Gesagte. Immer in Bezug auf die Texte, die in der Vorwoche zu lesen waren, aus Jeremiah, Jesaja, Michael, Amos und die Römerbriefe.
    Danach geht es in die Gruppenarbeit. Zwei junge Frauen gehen mit Bruder Jakob. Ein kleiner Raum, Salzstangen, Getränke.
    Bruder Jakob sagt:
    "Wir sitzen hier an diesem Tisch, da sind wir schön beieinander."
    Zuerst die Frage an alle:
    Was hat mich in der vergangenen Woche am stärksten bewegt?
    Eine Frau sagt:
    "Ich habe mich diese Woche sehr schwergetan mit der Expedition. Ich fand das zeitweise schon eine Zumutung, also diese Herausforderung: Ja, du musst Gott suchen! Und du musst ihn nicht nur suchen, du musst ihn auch finden wollen. Und du musst offen sein … Das hat mich mehr überfordert jetzt in dieser Woche, als dass es wohlig irgendwas gegeben hätte, dass mich ein Wort berührt hat, dass ich sage, "Ja, das stärkt mich; das möchte ich jetzt bewahren, dass mich das begleitet, dass mich das weiter bringt."
    Gespräch geht tief in das Selbstverständnis der Religiosität
    Eine andere Frau sieht keine Probleme mit der Nächstenliebe – außer bei manchen, recht nahen Menschen. Wie soll sie damit umgehen? Bruder Jakob fragte sich bei der Lektüre, wo er bei aller Seelsorge für andere selbst noch Gott sucht. Das Gespräch geht tief in das Selbstverständnis der Religiosität, stellt Fragen nach dem richtigen Leben – locker angedockt, aber doch nicht festgezurrt an den gerade gelesenen Bibelstellen:
    "Dass ich auf der Suche bin. Und dass, je älter ich werde, umso näher an Gott komme, und dann hoffe ich doch, dass ich da auch finde, was ich suche."
    "Na ja, man hat ja schon eine Sehnsucht anzukommen."
    "Ja eben, das meine ich."
    "Auf der Suche, auf dem Weg."
    "Aber am Ende muss ich mich selber finden, um Gott zu finden."
    Bruder Jakob:
    "Das könnte natürlich genau der Schlüssel sein, warum das Suchen nie aufhört! Weil ich heute ein anderer bin als gestern. Und morgen ein anderer sein werde als heute."
    Bruder Jakob stellt sich selbst infrage
    Bruder Jakob moderiert, bringt sich selbst mit ein, stellt sich auch infrage. Bei den beiden Frauen hat der Weg in 40 Tagen durch die Bibel tiefe Spuren hinterlassen.
    "Ich wollte in der Fastenzeit nicht nur was weglassen, also verzichten auf etwas, sondern ich wollte auch was mehr machen für meine Gottesbeziehung. Und die Kombination aus Mich-Entdecken und dabei gleichzeitig die Bibel entdecken fand ich sehr ansprechend."
    "Und allein zu Hause die Bibel lesen: Kann man machen, macht man aber nicht wirklich! Da habe ich gedacht: Das ist eine gute Gelegenheit: Ich kann ein bisschen in der Bibel lesen; ich kann mich mit anderen austauschen. Und dass es so intensiv wird, dass es einen selbst verändert, das habe ich nicht so bedacht und bin davon überrascht. Und ich finde das sehr anstrengend und weiß noch nicht, ob ich das noch einmal mache! Nein, es ist vollkommen in Ordnung! Aber es ist sehr anstrengend, weil es eben mich verändert dabei."