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Faule Eier bei Google

von Michael Gessat

11.01.2003
    An sich war es einmal eine gute Idee: die Internetgemeinde quasi selbst über die schon vorhandenen und die täglich zu Abertausenden neu im Netz auftauchenden Websites abstimmen zu lassen. Auf wichtige und interessante Inhalte gibt es früher oder später eine Vielzahl von Verweisen; sogenannte "Links" – im World Wide Web die Form des Zitats oder der Empfehlung. Und wie im richtigen Leben zählt die Empfehlung eines prominenten Alteingesessenen mehr als die eines einsamen Newcomers.

    Mit dieser Popularitätsgewichtung der Suchergebnisse, dem so genannten "Page Ranking", schafften die Programmierer von Google den Qualitätsvorsprung, der die Suchmaschine zur unumstrittenen Nummer Eins machte. Denn Sie haben dieses Ranking zum Prinzip Ihrer Suchmaschine gemacht und schwimmen im Erfolg. Bei Google ganz oben gelistet zu werden, bringt Prestige und bares Geld.

    Doch um dem Suchmaschinen-Schicksal etwas nachzuhelfen, werfen Trickser ihre Stimmzettel zur Beliebtsheits-Wahl mittlerweile selbst – und zwar gleich im Zehntausenderpack- in die Wahlurne.

    Ein solches "Paket mit Stimmzettel" besteht aus Internet-Seiten, die mit häufig gesuchten Begriffen gefüllt sind und wie ein Köder für die Suchmaschine wirken. Diese Seiten sind heftig miteinander "verlinkt", um ein optimales "Page Ranking" zu erreichen. Für die Schwindler kosten diese Köder nicht all zuviel, weil frische Internetdomains auch in großen Stückzahlen quasi zum Nulltarif zu haben sind.

    Ob der Surfer, der auf einen solcherart produzierten Treffer klickt, auch nur annähernd dort landet, wo er hin wollte, ist reine Glücksache: Die Suchmaschine hat nämlich nur die Köderseite "zu Gesicht bekommen", der menschliche Surfer wird in Sekundenbruchteilen auf eine andere, die eigentliche Zielseite weitergeleitet.

    Dummerweise ist diese Methode nicht einmal illegitim. Während die Schummler die Köder-Seite mit tausenden von Begriffen voll stopfen, um ein optimales Ranking zu erreichen, brauchen seriöse Anbieter Einstiegsseiten mit Schlüsselworten, um die Suchmaschinen realistisch zu informieren. Denn diese können mit aufwendigen Hompages mit Frames, Flash und Javascript so gut wie nichts anfangen.

    Was ist also der Unterschied zwischen Optimierung und Missbrauch?

    Grundsätzlich kann man sagen, man sollte immer wenn man eine Suchmaschinenoptimierung macht, dafür Sorge tragen, dass halt der User oder der Suchende auch das relevante Ergebnis erhält, gerade bei den Spammergeschichten mit Dialersoftware, oder diese Pornowebsites oder Casinowebsites, was es ja auch sehr häufig gibt, ist das halt das Problem, und wir sagen einfach, der User darf nicht in die Irre geführt werden durch irgendwelche Fehlinformationen, Falschinformationen, sondern dass was er eigentlich sucht den Begriff, und dann den Treffer, den er sieht, dort soll auch die Seite wieder erscheinen.

    Christian Vollmert ist Geschäftsführer der luna-park GmbH, die für ihre Kunden deren Webauftritte auf Effizienz trimmt. Und er versucht als Leiter der Arbeitsgruppe "Suchmaschinen" im Deutschen Multimedia Verband DMMV einen Konsens zwischen den Interessen der Optimierer und ihrer Kunden einerseits und den Vorgaben der Suchmaschinenbetreiber andererseits zu finden.

    Mehr als eine Empfehlungsliste, die einer Idealvorstellung näher ist als der Realität, kommt dabei allerdings nicht heraus. Das liegt allein schon daran, dass die Toleranzgrenzen bei den verschiedenen Suchmaschinen unterschiedlich verlaufen. Aber natürlich findet sich auch bei den Optimierern die ganze Bandbreite vom Ehrenmann bis zum schwarzen Schaf.

    Für einen einigermaßen seriösen Websitebetreiber sind unfreiwillige Besucher eigentlich gar nicht wünschenswert. Noch einmal Christian Vollmert:

    Man muss immer sehen, der Kunde betrachtet ja: was ist der Erfolg von so einer Suchmaschinenoptimierung, und auf der einen Seite, der Kunde will natürlich mit seinen bestimmten Begriffen ganz oben gefunden werden in der Suchmaschine, das ist der eine Wunsch, den er hat, der andere Wunsch ist aber natürlich auch; ich möchte ja möglichst viele qualifizierte Besuche auf meiner Website haben, und das zählt ja letztendlich mehr. Und somit kann man auch sehen, dass das Interesse an der Topposition immer mehr ausgetauscht wird durch relevante Besucher. Solche Differenzierung ist den richtigen Spammern egal: Für die Anbieter aus dem Porno- oder Glücksspielmilieu oder für die Webdialer-Mafia geht es schlichtweg darum, möglichst viele Surfer auf ihre Seiten zu lotsen.

    Schon in ureigenstem Interesse arbeitet natürlich auch Google daran, faule Eier aus der Trefferdatenbank zu entfernen. Darüber sprechen wollte man trotz intensiver Bemühungen um eine Stellungnahme jedoch nicht – vielleicht um den eigenen Nimbus einer vermeintlich idealen und objektiven Informationsquelle nicht anzukratzen.

    Doch weil es viel weniger aufwendig ist, Spam in den Index hineinzubekommen, als ihn womöglich manuell wieder herauszuklauben, hat auch Google ein großes Problem: Mit dem Ruf und dem Geschäft geht es bergab, wenn der Müll überhand nimmt.

    Einstweilen heißt die Devise für den Surfer: Augen auf und eine gehörige Portion Skepsis gegenüber den Fundstellen einer Suchmaschine – nicht nur wegen einer eventuell fraglichen inhaltlichen Relevanz.

    Denn ein Klick auf einen richtig bösen Spam-Treffer kann die gleichen Folgen haben wie das Aufrufen einer entsprechenden Spam-email. Da bleibt dann nur noch zu hoffen, dass ein aktuelles Antivirusprogramm auf dem Rechner läuft und man die größten Sicherheitslücken seines Betriebssystems bei Zeiten gestopft hat.