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Thüringen
CDU-Jahresfest mit Stargast Sebastian Kurz

Seinen Stargast beim Jahresempfang der thüringischen CDU-Fraktion hatte der Landesvorsitzende, Mike Mohring, offenbar nicht zufällig ausgewählt: Österreichs Bundeskanzler steht für eine bestimmte Flüchtlingspolitik – und mit der versucht Mohring nun im Hinblick auf die Landtagswahl zu punkten.

Von Henry Bernhard | 24.08.2018
    23.08.2018, Thüringen, Erfurt: Der Österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) (l), und Mike Mohring, Landesvorsitzender der CDU Thüringen, stehen beim Jahresempfang der CDU-Fraktion des Thüringer Landtages bei einer Pressekonferenz.
    Wollte Mike Mohring keine Tipps für die Landtagswahlen geben: Sebastian Kurz (l.) (ZB)
    Ein paar Dutzend meist sehr junge Leute stehen mit ihren Transparenten und Fahnen vor der Erfurter Messe. Der DGB ist dabei, Parteijugend der Linken, der SPD und der Grünen. "Widerstand kommt zu Kurz" ist das Motto der kleinen Demo. In ihrem Demonstrationsaufruf hatten die Organisatoren den österreichischen Bundeskanzler Sebastian Kurz als "Baby-Hitler" bezeichnet.
    Das würde der Grüne Fraktionschef Dirk Adams sicher nicht so formulieren, aber gegen Kurz demonstriert er dennoch - durchaus mit Blick auf Thüringer Verhältnisse: "Die Lippenbekenntnisse von Mike Mohring, dass er keine Koalition mit der AfD eingehen will, darf man bezweifeln." Im kommenden Jahr ist Landtagswahl in Thüringen - und dann will Mike Mohring, der Partei- und Fraktionsvorsitzende der CDU, endlich Ministerpräsident werden. Nur könnte es schwierig werden, angesichts der Schwäche der möglichen Partner, also SPD, Grünen, FDP, eine Koalition zu schmieden.
    "Ein klares politisches Signal"
    Deshalb sieht auch Nathanael Falk vom Flüchtlingsrat Thüringen den Besuch des österreichischen Kanzlers Kurz in Thüringen mit Bedenken: "Das ist natürlich ein klares politisches Signal, wohin sich die CDU unter Mike Mohring im Wahlkampf bewegen möchte. Wir erinnern uns daran, dass die CDU-Landtagfraktion vor kurzem erst bei Victor Orban war im Wahlkampf in Ungarn, dem vermutlich rechtesten Autokraten, den es in der EU gibt, und dass Mohring danach auch offene Worte gefunden hat und die ungarische Flüchtlingspolitik offen befürwortet hat auch. Und das sind natürlich alles Signale, die uns Sorgen bereiten."
    Die Besucher des Jahresempfangs der CDU-Fraktion gehen ungerührt an der kleinen Demo vorbei und schieben sich geduldig durch die Kontrollen. 3.300 Karten hat die CDU im ganzen Land verteilt, der Andrang ist riesig. Und während sich die große Messehalle langsam füllt, posieren Kurz und Mohring im Innenhof vor den Kameras der Reporter. Im Stehen, im Sitzen. Mohring, der selbst bei CDU-Wählern nicht besonders beliebt und bekannt ist und außerdem gerade noch eine private Steueraffäre durchstehen muss, braucht schöne Bilder für den Wahlkampf im nächsten Jahr.
    Bei der kurzen Pressekonferenz strahlen sie in die Kameras, versichern sich gegenseitig der Wertschätzung und der Bedeutung des Ereignisses. Die paar Demonstranten da draußen sollten mal ruhig weiter machen. "Also, es protestieren ungefähr 15 Leute - muss man zur Einordnung dazu sagen. Damit man ein Gefühl kriegt. 3.300 sind im Saal - 15 vor der Tür."
    "Lieber Sebastian, lieber Mike, viel Erfolg bei der EU-Ratspräsidentschaft, viel Erfolg bei der Landtagswahl im nächsten Jahr." - Ob er angesichts seiner eigenen Koalition mit der rechtspopulistischen FPÖ dem Thüringer Mohring zu einer Koalition mit der AfD raten würde, wird Sebastian Kurz gefragt. "Nein, das würde ich ihm nicht raten. Sondern, ich bin der festen Überzeugung, dass er die Entscheidung richtig für Thüringen treffen wird; und ich glaube auch, dass man politische Systeme nie 1:1 vergleichen kann. Und insofern gibt’s hier keine Tipps von meiner Seite", antwortet Kurz.
    Motto des Abends: "Ein Europa, das schützt"
    Der Einmarsch in die Halle, alles, was in der Thüringer CDU mal Rang und Namen hatte, ist dabei - und der österreichische Botschafter. Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow von den Linken schwieg sich zu Kurz' angeblich "privater" Visite in Thüringen aus. Er wisse von nichts von einem Besuch, knurrte er vor ein paar Tagen auf Nachfrage. Im kurzen Video-Opener in der Messehalle blitzen wirre Bilder auf: Flüchtlingskolonnen unterwegs auf der Straße, Stacheldraht, eine Kirche mit Kreuz, eine Massenunterkunft. Die Bilder suggerieren Kontrollverlust und Fremdheit: "Österreich zeigt uns, wie eine Flüchtlingspolitik aussehen kann, die Menschen in Not hilft und trotzdem den Missbrauch des Asylrechts unterbindet."
    Mohring redet lang: Wie kann man die bürgerliche Mitte einfangen, wie die Zweifelnden zurückgewinnen, wie Europa sicherer machen und die Grenzen dichter? Wenn erst die CDU wieder dran wäre in Thüringen, dann würde alles besser. Dann gäbe es auch genug Lehrer. Kurz beschränkt sich im Wesentlichen auf das Motto des Abends: "Ein Europa, das schützt". Keinen Flüchtling mehr über das Mittelmeer kommen lassen, die zerstrittene EU wieder zusammenbringen. Das Publikum ist angetan, applaudiert höflich, aber nicht enthusiastisch.
    Angie Ehrlich aber, eine junge Frau, war begeistert von Kanzler Kurz: "Ehrlich Sehr zufrieden, wie ich es mir vorgestellt habe; eine bombastisch gute Rede!" Ob es passend war, dass Mohring, der jedes Jahr einen Stargast einlädt, nun Kurz da hatte? Ehrlich: "Das glaube ich schon. Der Mike Mohring steht ja schon für eine konservative Flüchtlingspolitik mit Ordnung und Maß, wie sie auch in Österreich praktiziert wird. Ich glaube schon, dass er damit ein Zeichen setzen wollte."
    Mike Mohring bringt sich politisch in Stellung. Im kommenden Jahr ist Landtagswahl in Thüringen.