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FC Ingolstadt
Mit Misstrauensvorschuss in die Bundesliga

Vor dem Bundesliga-Debüt weht dem FC Ingolstadt eher Antipathie als Sympathie entgegen - zumindest auf Seiten der Fußballromantiker. Sie sehen im FC Ingolstadt eher ein Kunstprodukt, mit dem der ohnehin schon omnipräsente Autokonzern VW weiter in die Bundesliga drängt.

Von Bastian Rudde | 09.08.2015
    Vor dem Bundesliga-Debüt kämpft der FC Ingolstadt gegen das Image des Werksklubs.
    Vor dem Bundesliga-Debüt kämpft der FC Ingolstadt gegen das Image des Werksklubs. (dpa / Armin Weigel)
    Es ist Februar 2015, mittendrin in der letzten Saison. Der FC Ingolstadt hat sich längst an der Spitze der Zweiten Liga festgesetzt. Der Aufstieg deutet sich an – und auch Stephan Grühsem ist beeindruckt. Der Sponsoring-Generalbevollmächtige der Volkswagen AG spricht anerkennend über das, was da gerade in Ingolstadt entsteht.
    "Weil natürlich sich die Verantwortlichen am Standort dran gemacht haben, aus zwei Klubs einen zu machen, haben dann dort einen Weg eingeschlagen, der durchaus ansehnlich ist und sehr effizient ist."
    In elf Jahren von der Bayern- in die Bundesliga
    Effizient. 2004 tun sich der ESV und der MTV Ingolstadt zum FC Ingolstadt 04 zusammen. Der braucht nur elf Jahre, um von der Bayernliga in die Bundesliga zu kommen. Als es im Mai 2015 geschafft ist, ist der Applaus groß. Auch in der Fernsehsendung "Blickpunkt Sport" im Bayerischen Rundfunk.
    BR-Moderator Marcus Othmer: "Wir sind froh, dass er den Weg zu uns Studio gefunden hat. Der Macher des Aufstiegs, der Vorstandsvorsitzende Peter Jackwerth, herzlich willkommen!"
    Jackwerth, damals Inhaber einer Zeitarbeitsfirma, hat die Geschichte des FC Ingolstadt als Mäzen der ersten Stunde maßgeblich mitgeschrieben. Doch noch maßgeblicher war jemand anderes.
    "Peter, wie viel Audi steckt in diesem Aufstieg, beim Standort Ingolstadt und beim Trikotsponsor Audi...?"
    "Ja, natürlich hat Audi einen großen Anteil. Vor allem in der Anfangszeit haben die uns sehr unterstützt. Und jetzt auch nach Übernahme des Stadions! Audi hat ja letztes Jahr das Stadion übernommen von mir und es ist ja keine Geheimnis, dass ich mit 25 Millionen Euro verschuldet war. Und das tut uns natürlich richtig gut!"
    Der Automobilhersteller Audi, Tochter des VW-Konzerns, hat seinen Hauptsitz in Ingolstadt. Audi sponsert den FC, ist Stadioneigentümer – und über die "quattro GmbH" auch Anteilseigner von 20 Prozent, also Mitbesitzer. Von einem reinen Audi-Klub will der Vorstandsvorsitzende Jackwerth aber nichts hören.
    Audi will nichts von "Werksklub" hören
    "Deswegen weigere ich mich auch, immer über dieses, ich sag schon fast 'Werksklubsgelaber' zu diskutieren, weil es definitiv nicht so ist!"
    Begründet oder unbegründet: Zumindest der Ruf, etwas von einem Werksklub zu haben, eilt dem FC Ingolstadt wegen des Audi-Engagements teilweise voraus.
    "Ingolstadt ist ein Retortenverein."
    Jan-Henrik Gruszecki ist Fan von Borussia Dortmund, setzt sich aber über die Grenzen seines Vereins dafür ein, dass Fußball Kultur bleibt und nicht noch mehr Kommerz wird. Ein Klub wie Ingolstadt hat für ihn etwas Künstliches, schnell Geschaffenes, dem die Basis fehlt.
    "Also ich würde lieber nach Nürnberg fahren als nach Ingolstadt – nicht nur weil es ein paar Kilometer weniger sind von Dortmund. Da sind Jungs, die den Fußball leben, die den Fußball lieben. Gibt's in Ingolstadt sicherlich auch ein paar. Aber eben nicht so ausgeprägt wie woanders."
    Weniger Fans, weniger Mitglieder. Anhänger von sogenannten Traditionsvereinen mit mehr Fans und mehr Mitgliedern glauben, dass dem deutschen Fußball durch Klubs wie Ingolstadt seine Identität verloren geht. Außerdem halten sie es für gefährlich, dass der FC nach Bayern München und dem VfL Wolfsburg der dritte Bundesliga-Klub ist, an dem der VW-Konzern direkt oder indirekt über Töchter wie Audi Anteile hält. Längst kursieren Horrorszenarien von abgesprochenen Ergebnissen in einem Krieg der Marken, zu dem die Bundesliga werden könne.
    Angst vor Absprachen der VW-gesponserten Klubs
    "Wenn's mal zu einem entscheidenden Spiel kommt und dann sitzt der Geschäftsführer von Mannschaft A im Aufsichtsrat von Mannschaft B. Also in der Formel 1 gibt es ja auch diese Teamabsprachen."
    Soweit die hypothetische Befürchtung, die nicht nur Jan-Henrik Grsuzecki hat. Er selbst blickt allerdings auch den Tatsachen ins Auge – zum Beispiel auf dem Transfermarkt. Da hat sich Ingolstadt bis jetzt nicht sonderlich verdächtig gemacht.
    "Dass Audi da nennenswert auch Geld schon bereitgestellt hat, ist richtig. Dennoch haben sie eben nicht – wie andere Vereine – Spieler verpflichtet, die andere Vereine nicht hätten verpflichten können."
    "Wir haben wirklich eine sehr, sehr junge, sehr, sehr nette Truppe. Sind gute Jungs auf dem Platz aber auch neben dem Platz."
    So sagt es Ingolstadts Kapitän Marvin Matip. Der FCI – kein Hoffenheim, kein Wolfsburg. Noch nicht, entgegnen die Skeptiker. Ihnen scheint es gerade vor allem darum zu gehen, was am Audi-Standort denkbar ist. Fest steht: Abgesehen von Hoffenheim ist ein Aufsteiger selten mit solch einem Misstrauensvorschuss in seine erste Bundesligasaison gestartet. Trainer Ralph Hasenhüttl dürfte es mit seinem Vorhaben schwer haben, wenn es nächsten Samstag beim FSV Mainz losgeht.
    "Wir werden jedes Spiel als das nehmen, was es ist – nämlich als Chance, sich in dieser Liga zu zeigen. Und um zu zeigen, dass wir zurecht da sind und vielleicht sogar eine Bereicherung für diese Liga darstellen."