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FCKW-Emissionen steigen wieder
Rätselhafte Renaissance verbotener Ozon-Killer

Eigentlich ist FCKW 11 seit acht Jahren verboten - um die Ozonschicht zu schützen. Doch jetzt zeigt eine neue US-Studie: Die Emissionen gehen wieder hoch. Forscher sind alarmiert und verfolgen eine Spur nach Ostasien.

Von Volker Mrasek | 28.05.2018
    Eine Satellitenaufnahme der Erde zeigt den Verbleib der Ozonschicht über der Arktis (Foto vom Winter 1999/2000).
    Eine Satellitenaufnahme der Erde zeigt den Verbleib der Ozonschicht über der Arktis (Foto vom Winter 1999/2000). (Nasa, dpa picture-alliance)
    Trichlorfluormethan oder FCKW 11 - mit diesem Gas wurden vor allem Dämmstoffe für Häuser und Kühlschränke aufgeschäumt. Einer der wichtigsten FCKW mit den größten Produktionsmengen in der Vergangenheit - aber auch einer der schädlichsten für die Ozonschicht. Deswegen ist der Stoff inzwischen seit acht Jahren verboten und darf nirgendwo mehr produziert werden. Doch jetzt zeigt eine neue US-Studie: Die Emissionen von FCKW 11 gehen wieder hoch! Der Chemiker Steve Montzka von der Fachbehörde für Ozean und Atmosphäre in Boulder in den USA:
    "Überraschenderweise haben die Emissionen nach 2012 stark zugenommen. Und zwar um rund 25 Prozent oder 13.000 Tonnen pro Jahr, wir wir schätzen."
    Montzkas Arbeitsgruppe erhält wöchentlich Luftproben von insgesamt zwölf Messstellen aus allen möglichen Ecken der Welt und analysiert sie. Eine davon befindet sich auf Hawaii im Pazifischen Ozean. Westlich davon liegt Asien:
    "Wir haben uns unsere Messungen auf Hawaii näher angeschaut und zurückverfolgt, wo die Luftmassen mit erhöhten FCKW-Konzentrationen herkommen. Dabei zeigte sich: Sie stammen aus Ostasien."
    Auch andere geächtete Ozon-Killer auf dem Vormarsch
    Es gibt noch ein weiteres globales Messnetz, das andere Atmosphärenforscher betreiben. Auch sie haben inzwischen einen Blick in ihre Datensätze geworfen und bestätigen die Ergebnisse ihrer US-Kollegen. Mehr noch! Nicht nur der Ausstoß von FCKW 11 nimmt wieder zu. Das gelte auch für andere geächtete Ozon-Killer, sagt Martin Vollmer von der EMPA, der Eidgenössischen Materialforschungsanstalt in der Nähe von Zürich. Der Atmosphärenchemiker nennt beispielhaft das frühere Kühlmittel FCKW 115:
    "Die atmosphärische Konzentration steigt weiter an. Und nicht nur das. Noch kräftiger ist sie angestiegen in den letzten Jahren. Wir haben ein Minimum der Emissionen 2007, 2008 oder 2009 gemessen Und das hat sich mittlerweile etwa verdoppelt."
    Vollmers Kollege Stefan Reimann beschäftigt sich derweil mit Tetrachlorkohlenstoff. Das Lösungsmittel wurde früher in großen Mengen verwendet, ist aber ebenfalls seit 2010 verboten, weil es Ozon abbaut. Laut den Messungen des Umweltchemikers zeigt dieses Verbot bislang aber kaum Wirkung.
    "Wir sehen, dass auch nach 2010 relativ konstante Emissionen von diesem Tetrachlorkohlenstoff vorhanden sind. So knapp 40.000 Tonnen. Das sind ungefähr 2.000 Eisenbahnwagen einer hinter dem anderen. Wir haben Studien gemacht, dass in Europa und [den] USA je etwa 5.00 - 6.000 Tonnen herauskommen. Und der Rest in Ostasien."
    Unbeabsichtigte Freisetzung?
    Dorthin führt auch die Spur im Fall von FCKW 115. Stefan Vollmer liest das aus den Daten von Messstationen in Südkorea und in China:
    "Für FCKW 115 sehen wir vom chinesischen Festland her Emissionen, die eigentlich sehr, sehr klar und deutlich sind."
    Doch wer setzt die verbotenen Ozon-Killer frei? Und das in so großen Mengen? Keiner der Forscher kann sich vorstellen, dass jemand die Stoffe wieder neu produziert. Manche werden offenbar bei der Synthese anderer Chemikalien unbeabsichtigt frei. Auf jeden Fall sind allein die jetzt aufgedeckten Emissionen von FCKW 11 gravierend, wie Steve Montzka verdeutlicht:
    "Wenn diese Emissionen weiter anhalten, könnte das die Erholung der Ozonschicht nach unseren Abschätzungen um zehn Jahre verzögern."
    Eigentlich sollte sich das Ozonloch über der Antarktis spätestens um das Jahr 2070 herum wieder geschlossen haben. Jetzt könnte es doch länger dauern. Und ein Thema, das eigentlich schon als erledigt galt, ist plötzlich wieder aktuell - nicht nur für Stefan Reimann und seine Fachkollegen:
    "Ich denke, da sind wir jetzt gefordert. Die Industrie ist gefordert, die Politik ist gefordert, aber auch die Wissenschaft ist gefordert, hier Lösungen zu finden."