Dienstag, 19. März 2024

Archiv


FDP ermuntert Arbeitnehmer zum Riestern

Ohne private und betriebliche Altersvorsorge geht es künftig nicht mehr, sagt Heinrich Leonard Kolb (FDP). Die Rentenzuschusspläne der Bundesarbeitsministerin hält er für falsch. Stattdessen empfiehlt er allen Bürgern die Riester-Rente, die damit eine ansehnliche private Altersvorsorge aufbauen könnten.

Das Gespräch führte Martin Zagatta | 06.09.2012
    Jasper Barenberg: Nicht nur Geringverdiener, sondern auch Bäcker, Köche und Erzieherinnen könnten beim Renteneintritt zu einem Fall für das Sozialamt werden. So die Warnung von Ursula von der Leyen am Wochenende. In den Augen der Arbeits- und Sozialministerin belegen Zahlen des Statistischen Bundesamtes, dass die Gefahr von Armut im Alter viel größer ist als bisher gedacht, dass viele Millionen auch normal verdienender Arbeitnehmer in Zukunft davon betroffen sein könnten. Als Gegenmittel plant sie unter bestimmten Bedingungen einen Aufschlag aus der Rentenkasse. Viele in der Union aber halten nicht viel von ihrem Konzept dieser Zuschussrente, und die FDP lehnt sie kategorisch ab. Ursula von der Leyen aber geht weiter davon aus, dass die Zuschussrente kommt. Mein Kollege Martin Zagatta hat deshalb FDP-Fraktionsvize Heinrich Leonard Kolb gefragt, ob die Liberalen inzwischen Einlenken signalisiert haben, oder wie die Ministerin sonst zu dieser Einschätzung kommt.

    Heinrich Leonard Kolb: Das kann ich mir auch nicht erklären. Ich glaube, dass Frau von der Leyen am Wochenende mit dem Thema Altersarmut ein wichtiges Thema benannt hat, das aktuell noch nicht so drückt, aber zunehmend an Bedeutung gewinnen wird in der Zukunft. Nur die Zuschussrente ist nicht die Lösung dieses Problems, und ich muss ganz ehrlich sagen, dass ich als auch zuständiger Fachpolitiker, als rentenpolitischer Sprecher der FDP-Fraktion, meiner Fraktion die Zustimmung zur Zuschussrente nicht empfehlen kann. Das gilt unverändert.

    Martin Zagatta: Sind Sie sich da sicher, dass die FDP nicht zustimmt?

    Kolb: Ob die FDP zustimmen wird, wird man sehen, aber ich glaube, dass meine Kollegen diesem Votum folgen werden, weil es gute sachliche Gründe dafür gibt. Erstens ist die Zuschussrente falsch konstruiert, sie verletzt das Äquivalenzprinzip, also den Grundsatz, dass Rente so gezahlt wird, wie man zuvor auch Beiträge in die Rentenkasse eingezahlt hat, und darüber hinaus hilft sie nicht wirklich bei der Lösung dieses Problems der Altersarmut. Sie ist, so wie Frau von der Leyen das konstruiert hat, sehr eng zugeschnitten auf eine enge Zielgruppe. Wir müssen aber in der Breite wirken, wenn wir Altersarmut bekämpfen müssen, und da hat die FDP einen sehr viel zielführenderen Vorschlag in die Diskussion schon vor einiger Zeit eingebracht, nämlich bei der Grundsicherung Freibeträge für private und betriebliche Vorsorge einzuführen. Damit würde für jeden, auch für Menschen mit geringem Einkommen, es sinnvoll, eigene Vorsorge für das Alter zu betreiben.

    Zagatta: Habe ich Sie da richtig verstanden: Sie halten diese Zuschussrente für falsch, aber Sie können nicht ausschließen, dass die FDP dennoch zustimmt?

    Kolb: Nein! Ich gehe nicht davon aus, dass die FDP zustimmt – auch deswegen, weil in der Finanzierung in dem Vorschlag von Frau von der Leyen ein ganz grundlegender Fehler steckt. Sie will das teilweise aus Beitragsgeldern finanzieren; das geht nicht, weil die Bekämpfung der Altersarmut eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist, das muss man mit Steuermitteln machen. Aber auch dann muss man natürlich sehen, dass Steuermittel nicht unbegrenzt zur Verfügung stehen. Wir wollen den Haushalt konsolidieren, das ist für die FDP auch ein hohes Ziel, und deswegen glaube ich, dass in der Summe, in der Bewertung, in der Gesamtbewertung die FDP-Fraktion der Zuschussrente nicht zustimmen wird.

    Zagatta: Herr Kolb, wo ist denn da der Unterschied zum Betreuungsgeld etwa? Das hält die FDP doch auch für Unsinn und will diesem Unsinn zur Not dennoch zustimmen.

    Kolb: Beim Betreuungsgeld muss man sehen, dass es Absprachen dazu in der Koalition gegeben hat. Aber bei der Zuschussrente muss man sehen, dass sie durch den Koalitionsvertrag nicht gedeckt ist. Das, was hier auf dem Tisch liegt, weicht doch deutlich von dem ab, was in der Koalitionsvereinbarung vorgesehen war.

    Zagatta: Bis wann wird da über die Rentenreform entschieden, oder bleibt das jetzt auch ein ungelöstes Problem?

    Kolb: Nein. Wir haben ja viele gute Punkte in den Rentengesprächen der letzten eineinhalb Jahre herausgearbeitet, die auch beschlossen werden können und beschlossen werden sollten. Ich nenne nur die Verbesserung der Zuverdienstmöglichkeiten für Rentner vor Erreichen der Regelaltersgrenze, das macht sehr viel Sinn. Ich nenne die Verbesserung der Erwerbsminderungsrenten, die Anpassung des Reha-Deckels, nach der Demografie atmen und andere Dinge mehr. All das kann man verabschieden. Aber die Zuschussrente haben wir von Anfang an sehr kritisch gesehen, wir haben das auch der Ministerin immer so kommuniziert, und das gilt unverändert.

    Zagatta: Ist das wieder so ein Thema, bei dem die schwarz-gelbe Regierung heillos zerstritten ist?

    Kolb: Nein. Wenn Sie sich die Diskussionen der letzten Tage ansehen, dann kann man vielleicht sagen, dass die FDP schon früh die Bedenken geäußert hat, aber doch auch jetzt beim Koalitionspartner in der Union sehr, sehr viele diese Kritik annehmen, aufnehmen und selbst auch vertreten – der Wirtschaftsrat, der Wirtschaftsflügel in der Fraktion, die junge Gruppe der Union. Also ich denke, dass wir da sehr breit mittlerweile auch zum Ausdruck bringen, dass die Zuschussrente nicht die Lösung des Problems der Altersarmut ist.

    Barenberg: Das Problem bleibt aber dennoch bestehen. Was sagen Sie denn einer Verkäuferin zum Beispiel, die ihr ganzes Leben lang arbeitet, aber recht bescheiden verdient? Muss die sich tatsächlich Sorgen machen?

    Kolb: Dass das Rentenniveau absinkt, ist auf einen Beschluss der rot-grünen Bundesregierung zurückzuführen. Die hat das damals nicht ohne Not gemacht, sondern die Absenkung des Rentenniveaus muss erfolgen, damit die Beiträge für die junge Generation auch in der Zukunft bezahlbar bleiben in der Rentenversicherung. Aber es bestand damals Konsens und für uns gilt das heute weiter, dass diese Absenkung des Rentenniveaus kompensiert werden muss durch private und betriebliche Vorsorge, und da will ich darauf hinweisen, dass gerade bei der Riester-Rente mit sehr geringen Eigenbeiträgen eine doch ansehnliche private Altersvorsorge aufgebaut werden kann. Der Staat gibt da sehr, sehr viel Geld dazu, gerade bei Menschen mit geringen Einkommen. Und das ist die Botschaft, die man aussenden muss heute, dass ohne private und betriebliche Altersvorsorge es künftig nicht mehr geht. Jeder muss alle drei Säulen der Altersvorsorge aufbauen, und das würde ich auch dieser Verkäuferin sagen.

    Zagatta: Aber es gibt doch immer mehr Menschen, deswegen haben wir ja auch diese Mindestlohn-Diskussion, die sehr, sehr wenig verdienen. Die können sich überhaupt keine private Vorsorge mehr leisten.

    Kolb: Deswegen sage ich ja: Gerade wenn Sie die Riester-Rente nehmen, da können Sie schon mit geringen Beträgen, mit neun oder zehn Euro im Monat, durchaus einen eigenen Anspruch erwerben. Sie müssen sehen, das soll ja nicht in zwei, drei Jahren, sondern über ein Erwerbsleben hinweg geschehen. Nur man muss eines klar sehen: Die gesetzliche Rente ist jetzt kein Reparaturbetrieb unserer sozialen Sicherung, sondern Rente wird so gezahlt, wie man vorher auch Beiträge eingezahlt hat. Wer mehr will – und da ist ja mit der Grundsicherung im Alter auch schon eine Auffanglinie eingezogen -, wer möchte, dass ein Abstand zur Grundsicherung im Alter für Personen stattfindet, die länger gearbeitet haben, der muss das aber steuerfinanziert tun, und da muss man auch sagen, woher die Mittel kommen.

    Zagatta: Herr Kolb, kann Ursula von der Leyen überhaupt noch im Amt bleiben, wenn sie mit diesen Plänen scheitert, für die sie sich ja öffentlich so stark macht? Wenn das scheitert, dann wäre sie doch ganz schön beschädigt.

    Kolb: Nein. Sie hat ja unlängst mal in einem Interview erklärt, dass sie mit großer Leidenschaft für die Themen kämpft, die sie wichtig findet. Die Bekämpfung der Altersarmut ist ein wichtiges Thema. Wir können die Lösung nicht nachvollziehen, aber ich glaube, sie macht im Übrigen eine erfolgreiche Arbeit, und ich sehe kein Problem, dass sie im Amt bleiben könnte.

    Barenberg: FDP-Fraktionsvize Heinrich Leonard Kolb im Gespräch mit meinem Kollegen Martin Zagatta.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.


    Mehr zum Thema auf deutschlandradio.de:

    Zweifel an Plänen zu Zuschussrente - Kanzlerin Merkel geht laut Medienbericht auf Distanz zum Konzept der Arbeitsministerin