Erich Wolfgang Skwara: "Mare Nostrum"

Zusammentreffen zweier Liebender

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Buchcover von Erich Wolfgang Skwaras "Mare Nostrum oder Ein Bahnhof für jene, die ankommen"
Erich Wolfgang Skwara stellt sich mit seinen Roman "Mare Nostrum" deutlich in die Tradition österreichischer Literatur. © Edition Korrespondenzen / Deutschlandradio
Von Carsten Hueck · 02.01.2020
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„Mare Nostrum“ ist Erich Wolfgang Skwaras erster Roman nach fast zehnjähriger Pause. Auch diesmal geht es um Leidenschaft und Vergänglichkeit – und um ein Wiedersehen zweier Liebender, nachdem sie sich 27 Jahre nicht gesehen haben.
Es ist einer der schönsten Romane des Jahrs 2019, und schon sein Beginn ein Versprechen: ein kleiner Ort in der Provence, gleich hinter der italienischen Grenze. Direkt am Meer, mit einer Altstadt, deren pastellfarbene Häuserfassaden heitere Geborgenheit ausstrahlen. Hier ist es auch im Winter mild, hier wollen sich zwei treffen, die sich 27 Jahre nicht gesehen haben. "Was sie verbindet, ist nicht abgestorben, hat nur brach gelegen wie ein unbebautes Feld." In der Exklusivität des Ortes, zu Beginn eines neuen Jahres, in einer Nichtzeit jenseits der Zusammenhänge, die sonst den Alltag diktieren, soll Utopisches stattfinden, eine ungelebte Liebe zu sich kommen.

Wiedersehen nach mehr als einem Vierteljahrhundert

Er, gebürtiger Österreicher, reist an aus den USA, wo er Familie hat und als Professor an der Universität lehrt. Sie ist Italienerin, mit einem älteren Musikwissenschaftler liiert, und unterrichtet Klavier am Konservatorium in Mailand. Warm und herzlich telefonieren sich die beiden ein paar Wochen aufeinander zu, 27 Jahre, nachdem sie sich als Neunzehnjährige bei einer Sommerakademie in Salzburg kennengelernt hatten. Damals, Ende der 1960er-Jahre, fühlten sie sich zueinander hingezogen, aber dem Erzähler schwindelte vor der Liebe, der Akneversehrte bewunderte vor allem die schöne Haut der Italienerin und ihre Liebe zu Mozart. Und es gab dann noch eine andere, forschere, eine Britin, die ihm schließlich einen Kuss entlockte. Nun aber soll nachgeholt werden, was einst versäumt wurde, die beiden Mittvierziger verabreden sich zu einem Treffen.
Erich Wolfgang Swara ist im selben Jahr geboren wie sein Erzähler. Und wie dieser unterrichtete auch er in den USA. Bis 2010 publizierte Skwara regelmäßig Lyrik, Prosa, Essays und Übersetzungen. "Mare Nostrum" ist sein erster Roman nach fast zehnjähriger Pause. Wieder geht es um Leidenschaft und Vergänglichkeit, das Unbehaustsein im eigenen Leben, die Suche nach einem Ort der Ankunft, das Versagen des Menschen vor sich selbst, die Macht seiner Schwäche.

In österreichischer Literatur-Tradition

Nicht nur gemessen an der Zahl seiner Veröffentlichungen ist Swara hierzulande viel zu wenig bekannt, auch die Art seines Schreibens verdiente weitere Würdigung. Der ehemalige Professor für Kulturwissenschaften ist ein hervorragender Stilist, ruhig der Ton, fein Wahrnehmung und Widergabe psychischer Regungen seiner Figuren wie auch der Schönheit all dessen, was man kultivieren kann: Landschaft, Natur, Lebensart.
Bei aller Weltläufigkeit steht "Mare Nostrum" deutlich in der Tradition österreichischer Literatur von Hofmannsthal und Trakl bis Thomas Bernhard. Ein melancholischer, morbider Unterton begleitet das Zusammentreffen der zwei Liebenden, das bei aller Poesie kein Happy End bereithält. In Vor-und Rückblenden entfaltet Skwara das Leben seines Erzählers, der als passionierter Reisender die Ankunft in Hotels und Bahnhöfen schätzt, sich letztlich aber nach einem Friedhof sehnt.

Erich Wolfgang Skwara: "Mare Nostrum oder Ein Bahnhof für jene, die ankommen"
Edition Korrespondenzen, Wien 2019
204 Seiten, 22,00 Euro

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