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FDP im Tief
"Das neue Bild der FDP ist noch nicht ganz angekommen"

Wolfgang Kubicki glaubt an eine Wiederkehr der FDP - doch dafür müsse die Partei selbstbewusster auftreten. Die Alternative für Deutschland sei nicht der Grund für das schlechte Wahlergebnis in Sachsen. "Unser Problem ist nicht die AfD, unser Problem sind wir selbst", sagte der stellvertretende Bundesvorsitzende der FDP im Deutschlandfunk.

01.09.2014
    Der FDP-Politiker Wolfgang Kubicki
    "Wenn wir dort nicht reüssieren, dann wird es tatsächlich schwierig für die FDP", sagt der stellvertretende Bundesvorsitzende der FDP, Wolfgang Kubicki, über die Bürgerschaftswahl 2015 in Hamburg. (dpa / picture-alliance / Soeren Stache)
    Der sächsische FDP-Spitzenkandidat Holger Zastrow habe mit seiner Abgrenzung zur FDP im Bund einen sehr eigenständigen Kurs gefahren, sagte Kubicki. "Die Menschen interessiert wenig, was innerhalb der FDP los ist. Die Menschen wollen wissen, welche Lösungsvorschläge wir für ihre Probleme anbieten."
    "Die Menschen sind in Wartehaltung"
    Wolfgang Kubicki fordert ein anderes Selbstbild der FDP: "Eine Partei, die nicht selbstbewusst auftritt und nicht souverän wirkt, wird auch nicht unterstützt." Er sei sich sicher, dass der Wiederaufstieg der FDP zu schaffen sei. "Wir haben vier Jahre Zeit damit zugebracht, von 15 Prozent auf unter fünf zu kommen. Man kann nicht erwarten, dass es innerhalb weniger Monate umgedreht wird. Die Menschen sind in einer Art Wartehaltung, das neue Bild der FDP ist noch nicht ganz angekommen."
    Nun kämpfe die FDP in Thüringen und Brandenburg jeweils um den Einzug ins Parlament. Die Bürgerschaftswahl in Hamburg 2015 sei aber die entscheidende Wahl. "Wenn wir in Hamburg nicht reüssieren, wird es tatsächlich schwierig für die FDP."

    Das Interview mit Wolfgang Kubicki in voller Länge:
    Tobias Armbrüster: Es waren vor allem die kleinen Parteien, die gestern bei der Landtagswahl in Sachsen für Schlagzeilen gesorgt haben. Die AfD hat aus dem Stand zehn Prozent geholt, sitzt zum ersten Mal in einem Landesparlament, und die FDP ist wieder mal rausgeflogen und sie hat außerdem die letzte Regierungsbeteiligung in einem deutschen Parlament eingebüßt.
    Fest steht außerdem, dass Stanislaw Tillich Ministerpräsident bleibt. Seine CDU ist mit deutlichem Abstand wieder stärkste Kraft geworden. Am Telefon ist jetzt Wolfgang Kubicki, der stellvertretende Bundesvorsitzende der FDP, außerdem Fraktionschef seiner Partei im Landtag von Schleswig-Holstein. Schönen guten Tag, Herr Kubicki.
    Wolfgang Kubicki: Schönen guten Tag, Herr Armbrüster.
    "Bitteres Ergebnis in Sachsen"
    Armbrüster: Herr Kubicki, fühlen Sie sich langsam einsam als aktiver FDP-Politiker?
    Kubicki: Nein! Wir haben zwar ein bitteres Ergebnis zu verzeichnen in Sachsen, was besonders für unsere sächsischen Parteifreunde bedauerlich ist, denn sie haben einen fulminanten Wahlkampf hingelegt. Aber wir sind nach wie vor in acht Landesparlamenten vertreten. Wir kämpfen in 14 Tagen um Thüringen und Brandenburg. Und ich bin es gewohnt als Schleswig-Holsteiner, aus einer Position heraus zu agieren, bei der man der FDP nichts zutraut und trotzdem gute Ergebnisse erzielt werden.
    Armbrüster: Nun scheint es ja zurzeit eher anders herum zu laufen: Man traut ihr nicht viel zu und es läuft dann auch tatsächlich schlecht. Was hat denn Ihr Parteikollege Holger Zastrow in Sachsen falsch gemacht?
    "Wir werden den Wiederaufstieg der FDP auch schaffen"
    Kubicki: Zunächst einmal hat er einen sehr eigenständigen Kurs gefahren und ich habe ihm privat auch schon gesagt - wir sind ja typengleich, obwohl wir in den politischen Fragen gelegentlich unterschiedlicher Auffassung sind -, Du musst Berlin und Sachsen (Sachsen ist nicht Berlin) anders auflösen, als das auf die FDP zu rekurrieren, Du hättest erklären müssen, Sachsen ist nicht arm und sexy, sondern Sachsen ist wohlhabend und sexy, wir verbuddeln keine Milliarden-Beträge einfach im Sand, wie das in Berlin der Fall ist.
    Die Menschen interessiert wenig, was innerhalb der FDP los ist, sondern sie wollen wissen, welche Lösungsvorschläge wir für die Probleme, für ihre Probleme anbieten, und das ist bedauerlicherweise in Sachsen nicht gelungen.
    Armbrüster: Ist es vielleicht auch ein Problem, dass der FDP einfach inzwischen fast schon so ein Loser-Image anhaftet? Niemand will ja eine Partei wählen, die auf dem absteigenden Ast ist.
    Kubicki: In der Tat. Eine Partei, die nicht selbstbewusst auftritt und nicht souverän wirkt, wird auch nicht unterstützt. Das unterscheidet im Übrigen die Norddeutschen von dem Rest der Republik, glaube ich. Aber auch da bin ich ganz sicher: Wir werden den Wiederaufstieg der FDP auch schaffen. Wir haben vier Jahre Zeit damit zugebracht, von 15 Prozent auf unter fünf zu kommen.
    Man kann nicht erwarten, dass das innerhalb weniger Monate umgedreht wird. Für mich persönlich ist neben Thüringen und Brandenburg im nächsten Jahr die Hamburg-Wahl eine entscheidende Wegmarke. Wenn wir dort nicht reüssieren, dann wird es tatsächlich schwierig für die FDP.
    "Wir sind eine Alternative zur Union - auch wenn wir mit ihr zusammenarbeiten"
    Armbrüster: Herr Kubicki, jetzt bleiben wir mal beim Thema Selbstbewusstsein. Da konnte sich ja Ihre Partei in Sachsen zumindest so einiges ans Revers heften. Sie hat ja zumindest wirtschaftlich einige gute Jahre hinter sich und hat wirklich auch etwas auf die Beine gestellt. Aber wenn selbst so etwas nicht hilft beim Wähler, was kann ihr denn dann helfen?
    Kubicki: Ja. Der selbstbewusste Auftritt heißt nicht, dass man erklärt innerhalb einer Koalition, das ist alles geräuschlos gelaufen, wir haben gut gearbeitet. Man muss im Wahlkampf auch deutlich machen, warum man in einer Koalition als der kleinere Partner gewählt werden muss, dass wir nicht additiv zur Union sind, sondern auch eine Alternative zur Union sind.
    Wir haben ja, wenn man die Wählerwanderung sich anschaut, am meisten in Richtung Union verloren und Nichtwähler, und ich sehe das ja selbst bei meinen ganzen Auftritten bundesweit, dass die Menschen in einer Art Wartehaltung sind. Das neue Bild der FDP ist noch nicht ganz angekommen. Und die Menschen aus dieser Wartehaltung wieder herauszuführen, ist unsere Lernaufgabe. Also: In einem Wahlkampf muss man auch dokumentieren, was einen unterscheidet von dem Koalitionspartner, mit dem man erfolgreich zusammengearbeitet hat.
    Armbrüster: Und die Union, mit der Sie ja erfolgreich zusammengearbeitet haben, die hat wieder einmal gezeigt, dass auf sie wirklich kein Verlass ist, dass sie auch keine Zugeständnisse zu machen bereit ist, wenn es um das Überleben der FDP geht.
    "Meine Partei muss lernen, wieder selbstbewusst aufzutreten"
    Kubicki: Das muss sie auch nicht. Wir betteln nicht darum, dass die Union uns hilft. Man muss selbstbewusst auftreten und darum kämpfen. Man muss den Menschen erklären, dass wir eine Alternative zur Union sind, auch wenn wir mit ihr zusammenarbeiten, und in Sachsen ist das bedauerlicherweise jedenfalls in den letzten Wochen versäumt worden.
    Armbrüster: Aber es ist doch schon sehr deutlich zu sehen, wie sich die Union auch von der FDP absetzt.
    Kubicki: Ja, das ist das gute Recht der Union, sich Bündnispartner zu suchen, wo immer sie sie findet. Aber es ist auch das gute Recht der FDP, sich entsprechend zu positionieren. Inhalte, Marktwirtschaft, Bewahrung der Bürger- und Freiheitsrechte auf der einen Seite, andererseits aber auch Koalitionsoptionen unterhalb oder außerhalb der Verbindung mit der Union sind das Wesentliche. Meine Partei muss lernen, wieder souverän und selbstbewusst aufzutreten, und daran arbeite ich.
    Armbrüster: Oder wird Ihre Partei so langsam von der AfD verdrängt?
    Kubicki: Wir haben mit der AfD vergleichsweise wenig Schnittmengen. Die AfD ist ...
    Armbrüster: Immerhin 18.000 Wähler sind von der FDP übergegangen zur AfD.
    Kubicki: Ja. Aber fast genauso viele Wähler sind zur SPD gegangen und deutlich mehr sind in die Wahlenthaltung gegangen, in die Nichtwählerschaft. Entscheidend ist, wir müssen uns so positionieren, dass wir unser eigenständiges Profil nach außen dokumentieren. Ich mach mir um die AfD relativ wenig Sorgen. Das ist eine Partei, die momentan auf einer Welle schwimmt, wie früher die Piraten das getan haben, aber man kann mit rechtspopulistischen Positionen in Deutschland auf Dauer nicht reüssieren.
    Armbrüster: Das heißt, Sie hoffen darauf, dass dieses Problem sozusagen von selber wieder verschwindet?
    Kubicki: Das Problem verschwindet wieder von selbst. Bei den bundesweiten Meinungsumfragen ist die AfD mittlerweile bei fünf Prozent und weniger angekommen. Dass sie in Sachsen so erfolgreich gewesen ist, hat was mit der sächsischen Normalität zu tun, dass dort Dinge anders gesehen werden als im Rest der Republik. Aber noch einmal: Die AfD ist nicht unser Problem. Unser Problem sind wir selbst. Wir müssen uns aufstellen und dokumentieren, dass wir Lösungsmöglichkeiten anbieten für die Probleme der Menschen.
    "Wenig Schnittmengen mit der AfD"
    Armbrüster: Aber ist es denn nicht sehr deutlich, dass die AfD sozusagen ein ähnliches Klientel anspricht wie die FDP, Leute, die sich nicht ganz gut vertreten fühlen von der Union?
    Kubicki: Ja. Wir haben trotzdem relativ wenig Überschneidungsmengen mit denjenigen, die die AfD anspricht. Die Tatsache, dass jemand aus dem Mittelstand kommt, heißt ja nicht, dass er unbedingt der FDP zuzurechnen ist. Die Union hat wesentlich größere Probleme mit der AfD als wir, aber wir sind natürlich Teil des bürgerlichen Lagers. Nur die AfD positioniert sich rechts von der Union etwa, eine Position, die die FDP nicht einnimmt.
    Armbrüster: Bei uns im Deutschlandfunk in den „Informationen am Mittag" war das Wolfgang Kubicki, der stellvertretende Bundesvorsitzende der FDP. Besten Dank, Herr Kubicki, für das Gespräch.
    Kubicki: Herr Armbrüster, bis dann!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.