Donnerstag, 28. März 2024

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"FDP muss ihrer staatsbürgerlichen Verantwortung gerecht werden"

Der SPD-Fraktionsvize Klaas Hübner hat die FDP nach deren Erfolg bei der hessischen Landtagswahl zur Zusammenarbeit im Bundesrat aufgefordert. Die Liberalen müssten zeigen, ob sie regierungsfähig seien oder ob sie die Macht für parteitaktische Spielereien missbrauchten, sagte der Sprecher des konservativen Seeheimer Kreises in der SPD. Eine von der FDP geforderte Nachbesserung des Konjunkturpakets II lehnte er ab.

Klaas Hübner im Gespräch mit Christian Schütte | 19.01.2009
    O-Ton Andrea Ypsilanti: Ich resigniere nicht. Zugleich übernehme ich aber die politische Verantwortung für dieses Ergebnis und deshalb erkläre ich heute meinen Rücktritt als Fraktions- und Landesvorsitzende.

    Christian Schütte: Andrea Ypsilanti geht nach dem Wahldebakel in Hessen für die SPD. Die SPD stürzt ab, die CDU legt kaum zu, Grüne, vor allem aber die Liberalen profitieren. Warum die Wahlberechtigten in Hessen so gewählt haben, oder sich sogar dafür entschieden haben, gar nicht zu wählen?

    Thorsten Schäfer-Gümbel hat gekämpft und den Umständen entsprechend eine passable Figur gemacht. Dennoch halten wir als Ergebnis fest: Die SPD in Hessen auf historischem Tiefstand, eine schwere Niederlage für die Sozialdemokraten, weit abgeschlagen im einstigen Stammland. Welche Lehren will und muss die Partei jetzt ziehen? - Wir sprechen mit Klaas Hübner, Vizechef der Bundestagsfraktion und Sprecher des konservativen Seeheimer Kreises. Guten Morgen, Herr Hübner!

    Klaas Hübner: Guten Morgen, Herr Schütte.

    Schütte: Frau Ypsilanti sind Sie los. Welche Probleme bleiben?

    Hübner: Erst einmal muss man festhalten, glaube ich, dass wir ein bitteres Ergebnis eingefahren haben - insbesondere für die hessische SPD. Das hat viel damit zu tun, dass wir in Hessen dadurch viel Glaubwürdigkeit verloren haben, dass wir am Anfang etwas gesagt haben, was wir später nicht eingehalten haben. Wir haben klar gesagt, dass wir mit der Linkspartei keine Zusammenarbeit eingehen wollen. Das haben wir nachher anders getan. Es gab danach das turbulente Jahr, was wir in Hessen gehabt haben, aber das war im letzten Jahr und insofern ist diese Wahl ein Nachklang auf das letzte Jahr. Aber klar hat es originale Gründe, dass wir in Hessen derartig verloren haben. Klar für uns muss sein - auch im Bund als SPD -, das, was wir heute sagen - und wir sagen ganz klar: Wir wollen nicht mit der Linkspartei zusammengehen -, das muss auch gelten nach der Wahl.

    Schütte: Die Parteispitze in Berlin möchte jetzt in die Zukunft blicken und die Hessen-Wahl möglichst schnell abhaken. Warum will die SPD da nicht aus Fehlern lernen?

    Hübner: Nein, wir wollen schon daraus lernen. Darum wollen wir uns ganz klar aufstellen in unserer Positionierung für die Bundestagswahl. Trotzdem ist es wahr, dass wir in Hessen ein besonderes Jahr gehabt haben und dass dieses Ergebnis besonders regional geprägt gewesen ist. Was das für den Bund anbelangt, glaube ich, wenn wir weiter schauen: In neun Monaten haben wir alle Chancen und viel Potenzial nach oben. Die CDU hat sich nicht absetzen können, trotz einer idealen Ausgangslage für sich selber. Das macht uns Mut. Das zeigt uns, dass wir ein Potenzial haben, dass wir durchaus bei der Wahl, bei der Bundestagswahl auch in Hessen ganz anders dastehen können, als wir das gestern Abend getan haben.

    Schütte: Jetzt haben Sie eben schon wiederholt, die SPD wird im Bund nicht mit der Linken zusammengehen. Ein ähnliches Versprechen hat Andrea Ypsilanti schon einmal gebrochen und auch Kurt Beck als damaliger Bundesparteichef hat sich widersprüchlich verhalten. Wem in der SPD kann die Wählerschaft noch vertrauen?

    Hübner: Ich bin sehr fest davon überzeugt, dass Franz Müntefering und Frank-Walter Steinmeier über auch eine derartig große persönliche Integrität verfügen, auch in der Bevölkerung, dass man ihnen beiden das abnimmt, dass sie das, was sie vorher sagen, auch nachher einhalten werden. Die beiden stehen dafür und deswegen bin ich eigentlich ganz guter Hoffnung, dass wir hier keine Vertrauenskrise erleben werden.

    Schütte: Doch spätestens bei den Landtagswahlen im August wird Sie das Thema wieder einholen. Wie wollen Sie dem Wähler glaubhaft machen, dass es einen Unterschied gibt zwischen Land und Bund? Es ist eine Partei!

    Hübner: Das ist bei uns so in der SPD, dass wir von unten nach oben organisieren. Natürlich haben die Landesverbände freie Hand, das zu tun, was sie persönlich vor Ort für richtig halten. Das können sie auch am besten selber einschätzen. Wir haben eine Verantwortung für den Bund. Darum sagen wir aus unserer Verantwortung heraus, im Bund kommt es für uns nicht in Frage. Die Landes-SPDen müssen selber entscheiden, was richtig ist, und ich glaube, das ist etwas, was man durchaus nachvollziehen kann. Wir sind keine Partei, die von oben nach unten organisiert ist. Wir sind keine hierarchische Partei, sondern wir sind eine Partei, die sich aus der Basis heraus organisiert. Ich denke, das wissen die Menschen auch. Das war immer ein Markenzeichen der SPD. Ich glaube, das ist auch durchaus gut kommunizierbar.

    Schütte: Die Landesverbände fahren da tatsächlich eine etwas andere Linie. Heiko Maas im Saarland würde unter seiner Führung mit der Linken koalieren. Auch in Thüringen wird mit der Linken geliebäugelt. Also noch einmal: Wie können Sie sich da parallel im Bundestagswahlkampf glaubhaft von der Linken lossagen? Dieses Dilemma löst Ihnen keiner.

    Hübner: Es ist doch so, dass wir gerade im Osten es zu tun haben mit einer ehemaligen PdS, die durchaus auch verwurzelt ist in der Bevölkerung, und es wäre, glaube ich, arrogant zu sagen, mit denjenigen, die dort in der Tat eine große Resonanz haben, werden wir niemals vor Ort zusammenarbeiten. Das tut sogar die CDU mit vielen lokalen Bündnissen in Ost-Deutschland. Entscheidend ist doch, was wir sagen bei der Bundestagswahl, und dort können wir ja nicht nur formale Gründe anführen, sondern auch inhaltliche Gründe. Wir wollen mit der Linkspartei auf Bundesebene deswegen nichts zu tun haben, weil sie eine andere Sozial-, eine andere Wirtschafts- und auch eine andere Außenpolitik verfolgt als wir. Eine Partei, die versucht, den Menschen auf Bundesebene vorzugaukeln, dass man gerade in der Wirtschaftskrise solche Themen, solche Probleme national lösen kann, was in der Tat nicht möglich ist, kann kein Partner sein für die SPD, kann kein Partner sein für eine Partei, die wirklich versuchen will, die Probleme anzupacken und zu lösen. Das will die Linkspartei auf Bundesebene zumindest nicht, sondern sie wollen dort versuchen, populistisch Wähler einzufangen. Das ist nicht unser Stil.

    Schütte: Weiteres Ergebnis der Hessen-Wahl - kommen wir darauf noch einmal zurück. Die Große Koalition verliert ihre Mehrheit im Bundesrat. Das heißt, Sie müssen jetzt Kompromisse mit der FDP suchen. Wie schwierig wird jetzt das Regieren in Berlin?

    Hübner: Zunächst einmal müssen wir in Berlin erst einmal versuchen, die Finanz- und Wirtschaftskrise wirksam zu bekämpfen. Wir haben dazu ein Maßnahmenpaket auf den Weg gebracht. Es kommt jetzt darauf an, dass die FDP auch ihrer staatsbürgerlichen Verantwortung gerecht wird. Ich persönlich fand die Äußerungen des FDP-Landeschefs in Hessen von gestern Abend ermutigend, der gesagt hat, dass die FDP hier sich nicht in eine Blockadehaltung zurückziehen will, sondern konstruktiv mitarbeiten will. Insofern glaube ich, dass die FDP jetzt am Zuge ist zu beweisen, ob sie in Deutschland regierungsfähig ist, oder ob sie ihre Macht, die sie in den Ländern bekommen hat, immer jeweils als Minderheitskoalitionspartner missbrauchen will für eigene parteitaktische Spielereien. Ich wünsche der FDP, die eine Partei von einer großen Tradition ist, dass sie sich für den ersteren Weg entscheidet. Das wäre gut für sie und wäre auch gut für Deutschland.

    Schütte: Die FDP will nicht blockieren. Andererseits hat beispielsweise der FDP-Schatzmeister Solms schon gefordert, die Abwrackprämie müsste jetzt zurückgenommen werden. Das heißt, der Druck, Kompromisse zu finden, wächst offenbar. Bessern Sie jetzt schon vor der Abstimmung im Bundesrat nach, damit es dort nicht zu Verzögerungen kommt?

    Hübner: Nein. Wir haben ein sehr klares Konzept auf den Weg gebracht. Ich glaube, es ist auch in all seinen Facetten richtig. Es ist auch vor allem richtig, der Automobilindustrie zu helfen. Wir sind hier den Forderungen nachgekommen, die die Automobilindustrie selber aufgestellt hat. Und ich glaube, wenn die FDP es ernst meint mit einer Verantwortung für das Land, wird sie sich dem nicht verweigern können. Das ist ein Druckpunkt für die FDP. Hier entscheidet sich, ob die FDP wirklich auch in Regierungsfähigkeit und -verantwortlichkeit eintreten möchte. Ich wünsche es ihr und ich wünsche es auch unserem Land.

    Schütte: Ist es andererseits verantwortungsvoll, von Seiten der SPD beziehungsweise der Großen Koalition darauf zu hoffen, dass die FDP dann doch gegebenenfalls alles schluckt und im Bundesrat alles gut geht?

    Hübner: Wir müssen, glaube ich, feststellen, dass wir im Bund eine Regierungsmehrheit haben, die nun mal schwarz/rot ist. Wir haben eine Verantwortung für den Bund und ich glaube, egal welche Partei sollte sich nicht überschätzen, wenn sie auch in einigen Landesregierungen als Minderheitspartei in einer Koalition ist, ist es, glaube ich, auch aus staatsbürgerlicher Sicht heraus nicht ihr Recht, hier wirkungsvolle, wichtige und schnell durchzuführende Maßnahmen zu blockieren. Insofern müssen wir eine klare Vorgabe machen. Das haben wir getan und es liegt jetzt an der FDP, hier den Weg frei zu machen für eine möglichst schnelle Hilfe in dieser durchaus entscheidenden Krise für unser Land.

    Schütte: Herr Hübner, blicken wir zum Schluss noch einmal in Richtung September, in Richtung Bundestagswahl. In Umfragen liegt die Bundes-SPD auch nicht gerade deutlich über dem Ergebnis in Hessen. Wie wollen Sie Ihre Wählerschaft mobilisieren?

    Hübner: Ich persönlich glaube, dass das Ergebnis der Hessen-Wahl in den heutigen Umfragen für die Bundestagswahl schon eingepreist ist. Klar ist: Wir müssen kämpfen, wir müssen unsere Klientel mobilisieren. Aber mein Gefühl ist, dass gerade in diesen Zeiten, in denen wir einer Wirtschaftskrise ungeahnten Ausmaßes gegenüberstehen, klar geworden ist, dass die Freiheit der Märkte, dass die freien Marktradikalen ausgedient haben, dass es darum geht, das zusammenzubringen, das Soziale und die Demokratie, und keine andere Partei steht so sehr dafür wie die SPD in ihrer alten großen Tradition. Ich glaube, wenn wir das deutlich machen, haben wir alle Chancen, bei der Bundestagswahl deutlich weiter vorne zu liegen, als es heute die Umfragen wiedergeben.

    Schütte: Klaas Hübner, stellvertretender Chef der SPD-Bundestagsfraktion und Sprecher des konservativen Seeheimer Kreises. Ich danke Ihnen für das Gespräch.

    Hübner: Danke auch, Herr Schütte.