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Fehdehandschuh

Die Linkspartei hat bislang die rot-grüne Minderheitsregierung in Düsseldorf geduldet. Aber das könnte sich jetzt ändern, denn im Parlament will keiner mehr so richtig mit ihr. Und auch bei den Wählern sieht es nicht besser aus, bei Umfragewerten unter fünf Prozent. Zeit für eine Selbstfindung.

Von Barbara Schmidt-Mattern | 20.10.2011
    Letztes Stühlerücken vor dem Arbeitstreffen. Der Kölner Kreisverband der Linkspartei trifft sich in seinen neuen Räumen, mitten im Univiertel. Drei karge Zimmer, zugestellt mit alten Möbeln und voller Umzugskartons. Offizieller Name: Parteibüro. Es klingt wie: Politbüro. Die Putzfrau stellt sich vor:

    "Hannelore Hildebrandt, Kreisvorstandsmitglied in Köln… ja, und Reinigungskraft!"

    Dass der Vorstand mit zum Putzeimer greift, das gebe es nur bei der Linkspartei, feixt Hildebrandt. Über die Mitgliederwerbung wollen sie und ihre fünf Parteifreunde an diesem Abend beraten. Werbung tut Not, denn es läuft in Nordrhein-Westfalen derzeit nicht so gut für die Linke. Abgerutscht auf unter fünf Prozent, Hannelore Hildebrandt nimmt das ganz locker:

    "Also dieses Rennen um Mandate und%e, dieser ganze Parlamentarismus ist ja eh nicht so meine Sache…"

    Eine weitverbreitete Ansicht bei der als radikal links verschrienen Basis der NRW-Linken.

    "Das mache ich ja nur mit, weil im Moment hast du auch nichts anderes, wo du dir Gehör verschaffen kannst. Und von daher – wenn es keinen Zuwachs von der ganz rechten Seite gibt, habe ich mit Zuwachs von ganz links überhaupt kein Problem."

    Angelika Link-Wilden, ehemals SPD-Mitglied und heute bei der Linkspartei, sieht die Dinge nicht ganz so gelassen. Und auf die Frage, wie der Kreisvorstand in Köln denn nun neue Mitglieder anwerben will, zählt die Vorstandssprecherin Ideen auf, die längst kein Alleinstellungsmerkmal der Linken mehr sind:

    "Ich glaube, dass dann immer noch die zentralen Botschaften wie gesetzlicher Mindestlohn, Rente mit 67 und das Thema Steuergerechtigkeit immer noch die Themen sind, die wir originär besetzen, und wo wir jetzt auch eigentlich voller Freude feststellen können, dass andere Parteien die auch aufnehmen. Das ist ja eigentlich auch in unserem Sinne, aber natürlich (ist) schon das Problem, dass man das nicht mehr automatisch uns zuweist."

    Auch bei den landespolitischen Themen haben andere Parteien das Feld abgeräumt. Den Schulfrieden hat die rot-grüne Landesregierung mit der CDU geschlossen. Beim Alles-oder-Nichts-Thema Haushalt signalisiert nun die FDP ihre Unterstützung – und die Linkspartei, die bisher als inoffizielle Mehrheitsbeschafferin für die Minderheitsregierung von SPD und Grünen galt, guckt in die Röhre.

    "Wir sind überhaupt nicht beleidigt… da sind wir schon professionell in der Politik."

    Versichert Wolfgang Zimmermann, Fraktionschef der Linken im Düsseldorfer Landtag.

    "Es hat einfach damit zu tun, dass SPD und Grüne, die Minderheitsregierung eine Kehrtwende zu machen scheinen. Ich sage das mal ganz vorsichtig…"

    Vor allem sagt Zimmermann das ganz taktisch – wenn die Linke in den Umfragen absackt, dann sind eben die anderen schuld. Allerdings: Ein wenig Selbstkritik kommt dann doch – die Probleme der Linkspartei in Bund und Land seien auch hausgemacht:

    "Das liegt einerseits daran, dass wir selbst uns in letzter Zeit häufig natürlich auch mit Personalfragen beschäftigt haben und strukturellen Fragen…"

    Also Wege zum Kommunismus, Briefe an Fidel Castro, Streit um das Führungsduo der Bundespartei, Gesine Lötzsch und Klaus Ernst, so dass…

    "… die inhaltlichen Themen in den Hintergrund gerückt sind, ein wenig, da haben wir selbst eine Verantwortung für, das muss sich ändern."

    Im Übrigen sei er aber völlig zufrieden damit, im Düsseldorfer Landtag in der Opposition zu sein. Ob steuerfinanzierte Milliardenhilfen für die WestLB oder der Schulfrieden – ständig begehe Rot-Grün Wahlbetrug, anstatt die – Zitat – "Forderungen der Linken" zu erfüllen. Und dann zieht Zimmermann, der einer der führenden Strategen bei den NRW-Linken ist – sein Ass aus dem Ärmel:

    "Wir wollen glaubwürdig bleiben. Wir sind nicht der Auffassung wie Frau Kraft, die gesagt hat, Landtagswahlprogramme müssen nach der Wahl einem Realitäts-Check unterzogen werden."

    Der Schwarze Peter für Rot-Grün - und für die Linke: Ein aufpoliertes Image als Protestpartei. Mit dieser Strategie will die Zimmermann-Truppe aus ihrem Umfragetief herausrudern. Denn sollte es in absehbarer Zeit doch noch zu Neuwahlen kommen – was in Zeiten einer Minderheitsregierung niemals ausgeschlossen ist – muss die Linke ihre Stammwähler zurückgewinnen, wenn sie erneut den Sprung in den Landtag schaffen will. Diese Strategie gefällt auch dem Landesvorstand der Linken. Der hatte zuvor monatelang genörgelt, die Landtagsfraktion sei viel zu pragmatisch. Alles Quatsch, sagt Wolfgang Zimmermann, und verstrickt sich dann in Widersprüche:

    "Es gibt pragmatisch Radikale oder radikale Pragmatiker. Es gibt diesen Gegensatz eigentlich gar nicht. Es gibt natürlich wie in jeder Partei mehrere Flügel, und es gibt in der Tat auch in unserer Partei mehrere Strömungen, so nennen wir das, aber das hat mit "radikal" wenig zu tun."

    Noch immer wird die Linke in Düsseldorf wahlweise als "Hort des Wahnsinns" oder als "ultraorthodoxe Selbstfindungsgruppe" verspottet. Fraktionschef Zimmermann lacht darüber gerne, doch die Basis vermisst einen klaren Kurs. Einfach nur Protestpartei zu sein, das reicht nicht aus, um Wahlen zu gewinnen, meint Angelika Link-Wilden vom Kreisverband Köln.

    "Es gibt keine Garantie für uns, ob wir, wenn wir jetzt Neuwahlen hätten, im nächsten Jahr, dass wir (wieder) in den Landtag kämen. Dann würde all das, was uns als Partei auch stark macht, wegbrechen. Allein der Apparat der wissenschaftlichen Mitarbeiter, die Abgeordneten selber. Es ist nichts, worüber wir uns freuen würden, neben den Anstrengungen des Wahlkampfes. Also natürlich ist da eine große Sorge."