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Feigheit vor den Kriegstreibern?

Der EU-Afrika-Gipfel in Lissabon wollte insbesondere die politische und wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen den beiden Kontinenten vertiefen. Doch die Reaktionen auf diese Initiative der portugiesischen EU-Ratspräsidentschaft waren gespalten. Afrikanischen Intellektuelle in Lissabon über ihre Vorstellungen, wie Europäer und Afrikaner fern der Gipfeldiplomatie miteinander umgehen können.

Von Tilo Wagner | 09.12.2007
    Wenige Tage vor dem politischen Großereignis in der portugiesischen Hauptstadt hatten sich doch noch die Intellektuellen zu Wort gemeldet. In einem gemeinsamen Brief warfen afrikanische und europäische Schriftsteller, darunter Nobelpreisträger Günter Grass und Wole Soyinka, den Gipfelteilnehmern vor, dass die Leiden der Bevölkerung in Darfur und Simbabwe nicht eigens behandelt würden. Einer der Mitunterzeichner, der mosambikanische Schriftsteller Mia Couto erklärt den Grund für diese Kritik:

    "Wir wollten darauf aufmerksam machen, dass diese Probleme nicht einfach so oberflächlich behandelt werden können, weil sie für die Afrikaner eine zentrale Bedeutung haben. Es deutet auf die Mitschuld einiger Eliten hin, die die Ursachen für diese Situationen verschleiern oder vor der afrikanischen Bevölkerung verstecken wollen."

    Eine monatelange Diskussion um die Teilnahme von Zimbabwes autoritärem Herrscher Robert Mugabe hat die inhaltlichen Fragen über die Zukunft der europäisch-afrikanischen Beziehungen überdeckt. Insbesondere interkulturelle Aspekte spielten in Lissabon praktische keine Rolle. Der Soziologe Gyekye Tanoh aus Ghana erklärt, auf welches Fundament der Dialog zwischen den beiden Kontinenten gebaut werden könnte:

    "Der wichtigste Bestandteil von Kultur ist die Garantie, dass menschliche Solidarität sich frei ausbreiten kann. Damit ist es jedem möglich, neue Werte und neue Wege des Lebens zu definieren. Das ist nicht nur etwas, was Afrika auf seine Art Europa beibringen kann, sondern auch etwas, was Afrika von Europa lernen kann. Doch diese Art von Austausch wird unterbrochen von Grenzen, von rassistischen Migrations- und Asylpolitiken und durch wirtschaftliche Ausgrenzung. Wichtig ist also, das Beste unserer eigenen Kulturen zu fördern, tolerant zu sein und so zu agieren, dass man Menschen zusammenbringt. Man sollte keine Furcht davor haben, sich selbst einzubringen. Wenn man also Europäer ist und glaubt, dass die genitale Verstümmelung von Frauen zu verachten ist, dann sollte man keine Berührungsängste haben, das anzuprangen nur weil man weiß ist und einen Schwarzen anklagt. Vielmehr unterstützt man damit Millionen von Frauen, die etwas anderes wollen, und Millionen von Männern, die daran glauben, dass die Würde der Frauen Teil der Würde aller Menschen ist. Es gibt traditionalistische, aber auch modernistische Eliten, die ein anderes Afrika wollen, aber wir wollen ein Afrika, das gut zu seinen eigenen Leuten ist und gut zur ganzen Welt."

    Unter afrikanischen Intellektuellen scheint jedoch die Befürchtung groß zu sein, dass der EU-Afrika-Gipfel einseitig wirtschaftliche Verbesserungen vor allem für europäische Unternehmen mit sich bringen wird, die afrikanische Seite aber nur in ein neues Abhängigkeitsverhältnis gerät. Deshalb fordert Mia Couto:

    "Die herkömmliche Art von Kooperation wird unsere Probleme nicht beheben können. Die Qualität der Unterstützung muss in Frage gestellt werden. Wir brauchen Hilfen, die uns emanzipieren und nicht neue externe Abhängigkeiten schaffen."

    Dabei besteht jedoch auch die Gefahr, dass Kritiker und Intellektuelle in den afrikanischen Gesellschaften den Glauben verlieren, den internationalen Entscheidungsprozess mitbestimmen zu können. Der angolanische Schriftsteller José Eduardo Agualusa beobachtet in Afrika ein gewisses Desinteresse an den Resultaten des Gipfels.

    "Auf der einen Seite haben die Leute nicht allzu hohe Erwartungen und sind skeptisch. Auf der anderen Seite gab es nur wenig Information zu dem Gipfel."

    Auch Gyekye Tanoh stellt eine resignierende Haltung der afrikanischen Intellektuellen fest und glaubt, dass hier der Grund dafür liegt, warum Kritiker in Afrika wenig neue Ansätze aufzeigen, die eine andere Form der Kooperation zwischen Europa und Afrika möglich machen würde:

    ""Die überwiegende Mehrheit blicken mit Zynismus auf die Veranstaltung. Und wenn man zynisch ist und keine hohen Erwartungen hat, distanziert man sich automatisch davon. Deshalb gab es in letzter Zeit keine kritische Debatte darüber und auch kein Versuch über Alternativen nachzudenken."