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Fein aber oho

Astronomie.- In Lissabon findet derzeit die Konferenz JENAM 2010 statt, das Joint European and National Astronomy Meeting. Dort hat ein australisches Astronomenteam nun seine Beobachtung vorgestellt, die auf eine Veränderung der sogenannten Feinstrukturkonstanten hindeuten.

Von Guido Meyer | 08.09.2010
    Besser ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende. Der anwährende Schrecken, das ist in diesem Fall die Ungewissheit über das Wesen der Feinstrukturkonstanten. Sie ist das, was – frei nach Faust – die Welt im Innersten zusammenhält, indem sie die Stärke der elektromagnetischen Wechselwirkung angibt. Darauf baut letztlich die Zusammensetzung der Atome und damit die der Materie auf. Doch seit sie vor fast 100 Jahren in die Physik eingeführt wurde, ist die Frage unbeantwortet, ob es sich bei ihr wirklich um eine Konstante handelt.

    Nein, sagt John Webb von der Schule für Physik der Universität von New South Wales in Sydney. Gemäß den Messungen dieses australischen Astronomenteams verändere sie sich, je weiter man hinaus ins All und damit in die Zeit zurückblickt. Mit dem Keck Teleskop auf Hawaii und dem europäischen Very Large Telescope in Chile haben die Wissenschaftler bis zu zwölf Milliarden Jahre hinausgeschaut. Dort haben sie beobachtet, wie das Licht von Quasaren von Staubwolken im All absorbiert wird – minimal anders, als es gemäß der Vorhersagen der Feinstrukturkonstanten geschehen sollte.

    Dort draußen sei eine Abweichung festgestellt worden, die jedoch weniger als ein Tausendstel Prozent des vermuteten Wertes ausmache. Tut jedoch nichts zur Sache, denn veränderlich ist veränderlich und eben nicht konstant.

    "Die moderne Kosmologie basiert auf dem kosmologischen Prinzip. Es sagt, dass das Universum überall homogen, isotrop und gleichförmig ist – egal, in welche Richtung man blickt oder wo man sich aufhält. Jedes physikalische Experiment sollte in jedem Winkel des Weltalls das gleiche Ergebnis liefern. Damit lassen sich unsere Beobachtungen jedoch offenbar nicht in Einklang bringen."

    In den letzten Milliarden Jahren scheint die Feinstrukturkonstante allmählich größer geworden zu sein. Würde sie – in einer fernen Zukunft - zu groß, wäre letztlich der innere Zusammenhalt der Atome gefährdet; die Materie könnte schlicht zerfallen. Einen Zeitpfeil wollen die australischen Astronomen in der Tat entdeckt haben:

    "Wenn wir ins Universum blicken, wird die Feinstrukturkonstante in der einen Richtung größer, in der entgegengesetzten nimmt ihr Wert ab. Rechtwinklig davon jedoch stellen wir keine Veränderung fest."

    Aus diesen Beobachtungen könnte nunmehr das Ende mit Schrecken folgen, dass nämlich die Einsteinsche Relativitätstheorie überdacht werden muss. Julian King, ebenfalls von der School of Physics der University of New South Wales.

    "Die Tatsache, dass wir eine kontinuierliche Veränderung der Feinstrukturkonstanten beobachten, legt die Schlussfolgerung nahe, dass wir nur einen kleinen Teil des Weltraums einsehen können und das Universum viel, viel größer ist als der von uns beobachtbare Teil. Denn wir haben keinen Grund zu der Annahme, dass wir uns an einem herausgehobenen, besonderen Punkt des Alls befinden sollten. Offensichtlich nimmt der Wert dieser vermeintlichen Konstanten ganz andere Werte an, wenn man sich nur weit genug entfernt."

    Webseite der JENAM