Donnerstag, 25. April 2024

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Feindschaft unter Verwandten

In "Familienbande" nimmt Christoph Schubiger die Abgründe einer Großfamilie unter die Lupe. Schauplatz ist die Feier von Opas 80. Geburtstag auf einem Landgasthof. Leider geraten die einzelnen Figuren etwas zu klischeehaft.

Von Eberhard Spreng | 24.10.2011
    "Können wir uns mal ein bisschen lieb haben?"

    "Halt's Maul"

    "Wer weiß denn wann wir uns all wieder mal treffen"

    "Halt's Maul"

    "Deshalb hast Du auch kein Recht hier ständig rum zu kläffen, schau Dir doch mal andern Familien an, da geht's und richtig Gold, da sind wir richtig gut dran, alle haben was, alle freuen sich, alle nett und bieder, und die einzige die Stunk macht, bist du schon wieder."

    Zwischen der 45-jährigen Schwiegertochter Sabine und der gleichaltrigen Tochter Johanna gibt's Zoff: Die erste hätte es gerne harmonisch, wozu jeder einen Goodwill-Beitrag leisten müsse, die zweite, die alleinerziehende Mutter der etwas verschrobenen Tochter Helena, fühlt sich von Familie und Gesellschaft ausgegrenzt. Sie ist als altfreakige Zimtzicke in einem lächerlichen Protestgestus steckengeblieben, ein etwas angeranztes Theaterklischee. Die Figuren in diesem von Franz Wittenbrink und Lutz Hübner konzipierten Abend sind allesamt etwas zu simpel geraten und erleben in dieser "Familienbande" keinerlei dramatische Entwicklungsmöglichkeiten: Eine verzogene, nur mit Geld und Konsum zu beruhigende Göre, ein verfressener Versager mit Hip-Hop-Gestus gehören untern anderen zu diesen Mustern gesellschaftlichen Verhaltens. So auch das geldgierige Muttersöhnchen Albert: Er hat sich verspekuliert und pumpt die Mutter in einer Szene inzestuöser Verführung um 120.000 Euro an:

    "Doch wenn keiner mich versteht, lächelst du mir zu Und wenn keiner mit mir geht, Mutti, dann bist Du dubidu ..."

    Von dem Geheimdeal zwischen Mutter und Sohn darf der Rest der potenziellen Erbengemeinschaft natürlich nichts erfahren und deshalb löst Hip-Hopper Julius gegen Ende der Familienfeier einen erheblichen Skandal aus, als er die Neuigkeit in den Saal ruft. Den ganzen Abend lang hatte er weitgehend unbeachtet in seiner Schmollecke verbracht und doch wie ein Seismograph alle emotionalen Erschütterungen und Verwerfungen registriert.

    Wittenbrink skizziert seine Figuren rein musikalisch: Jeder bekommt seinen Song, und jeder Song stammt dieses Mal aus einem internationalen Mainstream von Aretha Franklins "Think", Wanda Jacksons "Let's have a party", über Bob Dylan und "Allein, allein" der Dresdener Syntie-Pop Gruppe "Polarkreis 18" zu eigenen Wittenbrink-Kompositionen, die den Abend sehr in die Nähe des Musicals bringen. Das Besondere früherer Wittenbrink-Abende, eine ganz eigenen Ort zwischen Theater und Musik zu definieren und dabei gewissermaßen das Alltägliche und Populäre aus der Mitte der Gesellschaft intelligent zu überhöhen, scheint verbraucht. Seine Familienbande sind etwas banale Unterhaltung.