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Feldhamster
Erst eine Plage, jetzt vom Aussterben bedroht

Noch in den 70er- und 80er-Jahren galten Feldhamster hierzulande als Plage. Hamsterbauten wurden vergast und es gab Prämien für jeden gefangenen Hamster. Heutzutage ist der Feldhamster eines der seltensten Tiere in Europa. Inzwischen erhalten Bauern für den Schutz des Tieres finanzielle Unterstützung durch den sogenannten Vertragsnaturschutz.

Von Susanne Kuhlmann | 27.06.2016
    Ein Feldhamster sitzt in Heidelberg (Baden-Württemberg) im Zoo in der Feldhamster-Zuchtstation in einem Käfig.
    In Deutschland sind die Feldhamster mittlerweile gefährdet. (picture alliance / dpa / Uwe Anspach)
    Er ist eines der seltensten Tiere Europas und wanderte als Kulturfolger mit dem Getreideanbau aus den Steppen Asiens und Osteuropas nach Süden und Westen: der Feldhamster. In der Mitte Deutschlands existiert noch ein zusammenhängendes Gebiet zwischen Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Überall sonst sind die Bestände isoliert und mehr oder weniger gefährdet. Im dicht besiedelten Nordrhein-Westfalen kommt er nur noch in der Zülpicher Börde südwestlich von Köln vor.
    "Ich habe mal einen laufen sehen vom Schlepper aus, der sieht in etwa aus wie ein Meerschweinchen." Karl-Hubert Faßbender ist Landwirt im nordrhein-westfälischen Erftstadt. Einen Feldhamster bekommt er trotzdem fast nie zu sehen.
    "Er hat ein braunes Rückenfell, hat an den Seiten weiße Flecken, hat weiße Pfoten, einen schwarzen Bauch, und er hat einen kurzen Schwanz." Ute Köhler von der Biologischen Station im Kreis Euskirchen befasst sich seit Jahren mit dem Feldhamsterschutz. Sie knüpfte den Kontakt zu Karl-Hubert Faßbender, dessen Felder in der Zülpicher Börde liegen, südwestlich von Köln, auf idealen Feldhamsterböden.
    "Er lebt in den Feldern, wo in der Fruchtfolge Getreide steht oder Zuckerrüben oder Raps oder Mais und lebt im Boden. Er macht Baue, die bis zu zwei Meter tief sein können. Und das kann er nur dort, wo der Boden tiefgründig ist. Wichtig ist dann noch, dass es nicht feucht wird da unten", denn der Hamster bunkert Vorräte in seinem Bau. Wenn er sich im Herbst zum Winterschlaf verkriecht, frisst er zunächst täglich davon. Dann werden die Schlafperioden länger.
    Noch vor einigen Jahrzehnten waren Feldhamster so zahlreich, dass sie als Schädlinge für die Landwirtschaft galten. Jetzt schließen Bauern wie Karl-Hubert Faßbender in einigen Regionen Deutschlands Verträge mit Naturschutzbehörden und passen ihre Arbeit den Bedürfnissen des Feldhamsters an.
    "Der hat Probleme mit der intensiven und schnellen Feldbewirtschaftung. Wenn nach der Ernte direkt der Boden umgebrochen wird, Anfang Juli kann das schon sein, dann hat er keine Deckung und kein Futter mehr. Von daher kann er dann schlecht durch den Winter kommen."
    Gefährdet ist vor allem der zweite Wurf. Der muss aber so gut es geht durchkommen, um den Bestand zu sichern, denn manche Tiere fallen Greifvögeln und Füchsen zum Opfer. Der Vertragsnaturschutz schafft einen finanziellen Ausgleich für die Verluste, die er hat, weil er den Boden weniger intensiv bearbeitet, sagt Karl-Hubert Faßbender. "Das entspricht sicher dem, was wir mit unserem Getreide erlösen."
    Wie viel Geld ein Landwirt für den Hamsterschutz bekommt, hängt davon ab, wie stark er die übliche Bewirtschaftung einschränkt.
    "Die Stoppellänge muss bleiben. Dafür gibt es Extrageld. Auf den Pflug verzichten, dafür gibt es extra eine Prämie. Und wenn wir ganz auf die Ernte verzichten, um dem Feldhamster länger Schutz und Nahrung zu bieten, dann gehen die Entschädigungssätze hoch bis 1950 Euro pro Hektar."
    Auch benachbarte Landwirte sollen möglichst mitmachen. Aber in der Zülpicher Börde ließen sich nicht alle für den Vertragsnaturschutz gewinnen. Lohnt sich der Aufwand? Karl-Hubert Faßbender war nach der jüngsten Zählung von Ute Köhler enttäuscht:
    "In 2010 hatten wir 28 Bauten auf diesen 1,8 Hektar, die ich bewirtschafte. Leider waren es im letzten Jahr wohl nur zwei, warum auch immer. Es sind hoffentlich dieses Jahr wieder etwas mehr."
    Ute Köhler, die Biologin, bedauert auch, dass die große Hamstervermehrung bisher ausgeblieben ist. In Nordrhein-Westfalen und einigen anderen Bundesländern steht der Feldhamster ganz oben auf der Roten Liste gefährdeter Arten. Naturschützer und Behörden ziehen Nachzuchtprogramme in Erwägung. Wenn sich aber die Lebensbedingungen auf den Feldern verbesserten, käme das nicht nur dem Hamster, sondern auch anderen Arten zugute, die dort als Kulturfolger leben: die Feldlerche und die Grauammer zum Beispiel.
    Stefan Meisberger leitet die Biologische Station Euskirchen und sagt, "dass hier was nicht zusammen passt und dass wir uns Gedanken machen müssen, wie wir das wieder zusammenbringen. Dass auf der einen Seite eine Landwirtschaft funktioniert, dass auf der anderen Seite aber auch solche Arten wie der Feldhamster oder Feldvögel einen Fortbestand in unserer Agrarlandschaft haben können."
    Wer übrigens in Nordrhein-Westfalen einen Feldhamster sieht – meerschweinchengroß und mit braun-weiß-schwarzem Fell – sollte das der Biologischen Station in Euskirchen melden. Es könnte sich um ein bisher unbekanntes Vorkommen handeln.