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Fest in Männerhand

Australiens Farmer-Söhne suchen nach der Frau fürs Leben oft vergeblich. Eine Heirat hat für die Frauen meist ein Dasein in einer sehr unwirtlichen Gegend zufolge. Um das Problem zu lösen, betätigt sich der australischer Farmerverband bereits als Partnervermittlung.

Von Andreas Stummer | 05.08.2006
    Wikepin, 1500 Kilometer westlich von Sydney, mitten im menschenleeren Outback Australiens. Ein Ort, an dem sich Dingo und Känguruh gute Nacht sagen – Einwohnerzahl 122, Tendenz fallend. Denn nach vier Jahren ohne einen Tropfen Regen sind auch Frauen Mangelware. Immer mehr haben genug und packen. "Wikepin ist fest in Männerhand", beklagt Pub-Besitzerin Angie Jones. Ein Blick ins stille Örtchen des Dorfs spricht Bände. Das Papier auf der Damen-Toilette muss nur alle sechs Monate nachgefüllt werden.

    "Die meisten Geschäfte im Ort haben dicht gemacht. Früher kamen junge Lehrerinnen, Krankenschwestern oder Bankangestellte hierher. Heute ist das Verhältnis Männer-Frauen bei uns zehn zu eins. Die jungen Dinger haben früher alle unsere Farmer geheiratet. Wer als Lehrerin kam, blieb damals als Bäuerin hier."
    Das früher fruchtbare Land ist zu rötlichem Staub zerfallen, den der Wind unablässig aufwirbelt und fort trägt. Flüsse und Seen sind versiegt, die Dämme leer. Das Grün im australischen Busch ist nurmehr ein lebloses Braun, das karge Outback eine Sandwüste.

    Kostbares Wasser muss mit Tankwagen von weit hergeholt werden, Kinder kennen Regen nur aus dem Fernsehen. Ehen zerrütten und Familien werden auseinandergerissen. Seit Australiens Farmer auf dem Trockenen sitzen kommen Singles selten allein. Denn vor allem junge Frauen wie die 19-jährige Emily Staniforth ziehen in Scharen vom Land in die Stadt.

    "Wer eine gute Ausbildung haben will, dem bleibt keine andere Wahl. Ich will studieren, und das kann ich nur in Sydney. Jeder wartet hier nur auf Regen. Moderne Frauen möchten selbst etwas aus sich machen und nicht einfach nur das tun, was ihr Mann ihnen sagt."

    Hitze, Staub und Trockenheit, kaum Jobs, Finanznöte – und Frauenmangel. Wegen der Jahrhundert-Dürre droht ganzen Gemeinden in Australien der Zerfall. Zurück bleiben Farmer wie Ian Wright. Wikepins beste Partie ist Anfang 30, Schafzüchter wie schon sein Vater und sein Großvater - und er ist allein trotz des riesigen Familienbesitzes, trotz seiner breiten Schultern. Und wie Ian sehnen sich immer mehr einsame Farmer in Australien nach Zweisamkeit.

    "Ehrlich gesagt habe ich Angst davor, allein zu bleiben und mein Leben mit niemandem teilen zu können. Für mich wird es höchste, Zeit jemanden zu finden und eine Familie zu gründen. Je früher, desto besser. Das wäre wundervoll."

    Gelegenheit macht Liebe, sagt man. Nicht in Wikepin. 18-Stunden-Arbeitstage, kein Wochenende und abends um sechs werden die Gehwege hochgeklappt. Die nächste Stadt ist eine Tagesreise weit weg. Deshalb muss das Nachtleben eben ab und zu raus aufs Land kommen.

    Gegen die Dürre ist man machtlos, aber der australische Farmerverband lässt nichts unversucht, um den Frauenschwund auf dem Land aufzuhalten. Man spielt sogar Heiratsvermittlung. Viermal im Jahr wird ein Junggesellen-Ball in Wikepin veranstaltet. Es gibt Musik, Tanz - und das Wichtigste: junge Frauen aus der Großstadt, die ein Wochenende lang das Leben auf dem Land kennen lernen wollen.

    Marie, 33, eine Steuerberaterin aus Sydney ist nach Wikepin gekommen, weil sie von der City die Nase voll hat: zu viel Stau, Hektik und zu viele Männer, die sich nur für Karriere und ein schickes Appartement interessieren. In Wikepin aber wird sie von Weizenbauer Mitch seit dem Tanzabend nicht mehr aus den Augen gelassen.

    "Sie ist fantastisch, voller Leben, überhaupt nicht zickig. Und wir haben viel Spaß zusammen. Marie ist nicht zu stoppen. Es gäbe eine Menge Männer in der Stadt, die gerne ihre Hand halten oder mit ihr ausgehen würden."

    Spazierfahrten auf dem Traktor, selbstgebackene Apfelkuchen und Picknick an der Trauerweide unten am Damm: Wikepins Junggesellen knipsen für die acht Besucherinnen ihren eingerosteten Charme an. Nervös und oft etwas unbeholfen werden heiratswillige Farmer zu Fremdenführern: von der Scheune durch den verdorrten Gemüsegarten ins windschiefe Farm-Haus. Blind Dates im Outback-Stil. Wenn dann aber die neue Erntemaschine stolz wie ein Sportwagen-Cabrio vorgeführt wird, sitzt der Kulturschock tief. Marie hat zwar Mitch ihre Telefonnummer gegeben. Aber keine der acht Farm-Touristinnen hat bei einem der Busch-Romeos wirklich weiche Knie bekommen.

    Amanda, eine stämmige, 2-7jährige Reitlehrerin, bringen keine zehn Pferde zurück nach Wikepin.

    "Das ist ein netter Ort. Ich habe meine Zeit hier genossen, aber für eine junge Frau, die Single ist, wird hier nichts geboten. Das Leben ist mehr als Kochen, Putzen und sich mitten im Nirgendwo bucklig zu arbeiten. Wenn ich mich an jemanden binde, dann nur, wenn man eine gemeinsame Zukunft hat und zueinander passt."

    Gelegentlich aber gibt es auch ein Happy End. Gärtnerin Rose Mitchell aus Sydney hat sich auf einem der Schnupper-Wochenenden des Farmerverbandes in Weizenbauer Jim verliebt. Drei Monate später waren die beiden verheiratet. Als Jim wegen der Trockenheit das Land verkaufen wollte, hat Rose ihn davon überzeugt nicht aufzugeben, sondern gemeinsam gegen die Dürre zu kämpfen. In guten wie in schlechten Tagen.

    "Man lernt hier draußen, dass man über diese Dinge keine Kontrolle hat. Also beißt man die Zähne zusammen und macht weiter. Irgendwann wird es wieder regnen. Aber bis dahin muss man akzeptieren, dass die Zeiten hart sind. So ist das nun mal."

    Trotzdem wird eine Rekordzahl von Familienbesitzen verkauft, weil immer mehr Familien auseinandergehen und Farmer kaum mehr Familien gründen. Junge Frauen aus ländlichen Gebieten suchen Geld und Liebe in der Stadt. Und deshalb sind viele Getreidebauern, Schaf- und Rinderzüchter im dürregeplagten Australien oft nur mehr mit ihrer Farm verheiratet.