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Fest: Meinungsfreiheit gilt auch für fragwürdige Zeitschriften

Der Historiker und FAZ-Herausgeber Joachim C. Fest hat einen Aufruf der rechtslastigen Zeitschrift "Junge Freiheit" unterzeichnet, die darin gegen die Ausladung durch die Leipziger Buchmesse protestiert. Auch für eine seiner Ansicht nach fragwürdige Zeitschrift gelte die im Grundgesetz verankerte Meinungsfreiheit, so Fest.

Moderation: Burkhard Müller-Ullrich | 09.02.2006
    Burkhard Müller-Ullrich: Wir sagen Meinungsfreiheit, Meinungsfreiheit, und wenn die Musik aufhört, dann setzt sich jeder rasch auf einen Stuhl, und dann sehen wir schon, was übrig bleibt. In Moskau will das Sacharow-Museum die Mohammed-Karikaturen ausstellen. Aber in Leipzig sieht es gerade so aus, als müsse eine Wochenzeitung namens "Junge Freiheit" bei der kommenden Buchmesse draußen bleiben, denn die "Junge Freiheit" ist den Veranstaltern nicht geheuer. Gegen den Hinauswurf haben jetzt etliche Prominente protestiert, darunter Sie, Joachim Fest. Sie sind bekannt als Historiker und Herausgeber einer bürgerlich konservativen Zeitung namens "FAZ". Was hat Sie bewogen, sich für eine Postille am rechten Rand des politischen Spektrums einzusetzen - eine Postille, die auch schon vom Verfassungsschutz beobachtet wurde?

    Joachim C. Fest: Na also, ich möchte auch nicht als deren Mitarbeiter oder was immer bekannt werden, um Ihre Frage noch zu ergänzen. Bewegt hat mich einfach die Tatsache, dass wir ein Grundgesetz haben, in dem die Meinungsfreiheit verbürgt ist, und hier soll die Meinungsfreiheit von einer, wie ich finde, auch fragwürdigen Zeitung, soll nicht angewendet werden. Wo sind wir? Das gibt es nicht. Das möchte ich nicht. Ich möchte, dass jeder, links oder rechts, seine Meinung sagen kann, und zwar so lange er damit nicht gegen das Grundgesetz verstößt. Wenn er das tut, dann wirft er sich selber außer Kraft.

    Müller-Ullrich: Um genau diese Trennungslinie, dessen was statthaft ist und was nicht, wird ja sehr viel gestritten in der Gegenwart. Wir brauchen die Mohammed-Karikaturen nur am Rande zu erwähnen. Aber auch bei uns ist ja zum Beispiel einiges mit Verboten belegt, etwa Hitlers "Mein Kampf" darf nicht erscheinen, würden Sie sagen, um der Freiheit willen, sollte man das auch tun?

    Fest: Na, ich habe schon vor 15 Jahren, oder wann immer es war, zusammen im "FOCUS" in einer Kolumne - ich glaube Herr Beckstein war Contra, ich war Pro - über die Veröffentlichung von "Mein Kampf" geschrieben und ich habe gesagt: Natürlich muss "Mein Kampf" veröffentlicht und lesbar gemacht werden, wenn auch, das war meine Einschränkung damals und wäre sie wohl auch heute noch, in einer kommentierten Ausgabe.

    Müller-Ullrich: Nun erscheint die "Junge Freiheit" ja nicht gerade in einer kommentierten Ausgabe. Wo würden Sie denn sagen, muss man sich erstmal informieren? Wie haben Sie sich selbst mit der "Jungen Freiheit" auseinandergesetzt?

    Fest: Kaum. Kaum, ich sage ja, ich lese sie kaum. Nein, wissen Sie, 60 Jahre lang haben wir jetzt die demokratische Indoktrination oder Lehre oder Praxis, all das erfahren. Also wenn wir jetzt so wenig Zutrauen haben, dass wir Angst vor so einer Postille empfinden, dann hätte ich viel mehr Anlass zum Pessimismus, als ich ohnehin habe.

    Müller-Ullrich: Es hat vor nicht allzu langer Zeit just im Zusammenhang mit der "Jungen Freiheit" Ärger gegeben, weil Rolf Hochhuth denen ein Interview gab, und im Gefolge dessen, vielleicht wissen Sie es, und Hochhuth hatte sich dann auch als ein Freund von David Irving identifiziert.

    Fest: Das liegt aber doch 20 Jahre zurück, wenn ich mich richtig erinnere, das habe ich ja auch miterlebt und da habe ich ja auch manchen Strauß mit ihm ausgefochten, aber das ist lange, lange her. Ich glaube, das würde er heute nicht mehr vertreten und auch Irving, für Irving ist es lange her, denn Irving hat damals nicht, meiner Auffassung nach, ich habe das so genau nicht geprüft, die Meinungen vertreten, die er heute vertritt.

    Müller-Ullrich: Es hat jedenfalls dazu geführt, dass die Deutsche Verlagsanstalt, die ja mit Ihrer Zeitung einst eng verbunden war, die Autobiographie von Hochhuth zu publizieren, ablehnte.

    Fest: Da können Sie sehen, in was für einem Land wir leben. Meinungsfreiheit, wieder.

    Müller-Ullrich: Wie ist es denn dazu gekommen, wie hat man Sie dazu gebracht, hat man Sie angerufen?

    Fest: Man hat mir ein Fernschreiben geschickt und ich habe gesehen, Meinungsfreiheit, das sind übrigens die einzigen, ich habe das zwei oder drei Mal in meinem Leben getan, die einzigen Resolutionen, die ich unterschrieben habe gegen die Meinungsfreiheit, alle anderen habe ich nie, ich unterzeichne keine Resolutionen. Aber da ging es auch um eine Art, um die Frage, ob das und das erlaubt sein dürfe zu sagen, und ich habe gesagt: Natürlich darf man es sagen.

    Müller-Ullrich: Und Sie haben sich nicht darum geschert, wer sonst noch unterschreibt.

    Fest: Nein, warum soll ich, um Gottes Willen, wenn ich so viel Zeit hätte. Das kann ich gar nicht, nein.