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Festnahme nach Facebook-Post
Palästinenser fürchten um ihre Meinungsfreiheit

Sie kritisieren im Internet die palästinensische Autonomiebehörde und landen dafür im Gefängnis: Im Westjordanland bekommen palästinensische Journalisten und Aktivisten die Härte eines neuen Gesetzes von Präsident Abbas zu spüren.

Von Benjamin Hammer | 13.09.2017
    Palästinenserpräsident Mahmud Abbas bei einem Treffen in Belgien im Februar 2017
    Der Druck auf Präsident Abbas steigt auch auf internationaler Bühne. (BELGA)
    Bei einer Sache sind sich junge Deutsche und junge Palästinenser sehr ähnlich: Sie haben die gleichen Apps auf dem Smartphone installiert. Auch diese jungen Palästinenser in der Innenstadt von Ramallah verbringen viel Zeit in den sozialen Netzwerken."Instagramm, Whatsapp"
    "Whatsapp, Instagramm, Snapchat"
    Es gibt aber einen gewaltigen Unterschied zu deutschen Smartphone-Nutzern: Palästinenser sind viel vorsichtiger.
    "Wenn Du im Netz etwas gegen die palästinensische Autonomiebehörde sagst", meint ein junger Mann, "naja, dann ziehen sie Dir die Ohren lang."
    Autonomiebehörde reagiert "extrem"
    Oder die Kritiker kommen gleich in Haft. Zuletzt traf es den Aktivisten Issa Amro aus Hebron. Amro kritisierte auf Facebook die Festnahme eines Journalisten durch palästinensische Sicherheitskräfte – und wurde daraufhin ebenfalls festgenommen. Ammar Dwaik hat sich diesen Fall ganz genau angeschaut. Er ist der Direktor der unabhängigen palästinensischen Kommission für Menschenrechte.
    "Wir beobachten in letzter Zeit, dass die Meinungsfreiheit und die Pressefreiheit eingeschränkt werden. Das hängt auch mit dem Konflikt zwischen den Parteien im Westjordanland und im Gazastreifen zusammen. Die palästinensische Autonomiebehörde im Westjordanland fühlt sich bedroht. Sie befürchtet eine Verschwörung gegen Präsident Abbas. Also hat sie reagiert. Sie hat extrem reagiert."
    Ende Juni unterschrieb der palästinensische Präsident Machmud Abbas ein Gesetz gegen die Kriminalität im Internet. Es soll die Palästinenser zum Beispiel vor Hackern schützen. Doch im Gesetz finden sich auch andere Passagen.
    "Dieses Gesetz macht es der Regierung sehr leicht, praktisch jede Person für praktisch jede Tat zu belasten. Und es ist vage: Da steht etwas von "Sicherheit des Staates" oder "Zusammenhalt des Volkes". Wenn man irgendetwas schreibt, das diese allgemeinen Dinge berührt, kann man schon angeklagt werden."
    Der Menschenrechtler Ammar Dwaik fordert, dass die Palästinensische Autonomiebehörde die umstrittenen Passagen des Gesetzes zurücknimmt. Der Druck auf Präsident Abbas steigt auch auf internationaler Bühne. Am Sonntag wurde der Aktivist Issa Amro auf Kaution freigelassen. Das Verfahren gegen ihn läuft weiter.
    Journalisten und Aktivisten im Visier
    Doch Amro ist kein Einzelfall. Auch gegen andere Journalisten und Aktivisten wird ermittelt. Teile der Palästinensischen Autonomiebehörde geben sich nun zerknirscht.
    "Niemand hat gesagt, dass wir perfekt sind", sagt der stellvertretende Informationsminister Machmoud Khalefa. "Menschen machen Fehler und wir müssen sie beheben."
    Ob der Vizeminister damit jedoch auch für den palästinensischen Präsidenten spricht, ist unklar. Mehr noch: Khalefa beeilt sich zu betonen, dass auch die Journalisten weiterhin ihre Grenzen kennen müssten. Ammar Dwaik von der palästinensischen Menschenrechtskommission sieht das so: Das Gesetz hat bereits jetzt bei Journalisten und Bloggern zur Selbstzensur geführt. Dabei seien die Palästinenser eigentlich enorm politische Menschen.