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Hong Kong Filmfestival
Zwischen Feminismus und Zensur

Was in Hong Kong erlaubt ist, ist im restlichen China zensiert. Das ist auch im Filmgenre so. Darum ist das Filmfest in Hong Kong für Fans und Insider immer ein absolutes Highlight. Dieses Jahr wird außerdem der deutsche Regisseur Werner Herzog mit einer Retrospektive geehrt.

Von Steffen Wurzel | 22.03.2018
    Feminismus auf Chinesisch: Mädchen fährt Roller in "Angels wear white" von Vivian Qu
    Feminismus auf Chinesisch: "Angels wear white" von Vivian Qu (HKIFF (Hong Kong International Film Festival) )
    Der Rote Teppich fällt beim Hong Kong Film Festival bescheidener aus als woanders, Promis aus der Film- und Medienbranche nehmen sich viel Zeit für Fans und Autogrammjäger und die von einer Radiomoderatorin präsentierte Auftaktgala kommt ohne große Sicherheitskontrollen aus.
    Im Wettbewerbsegment Young Cinema ist "Angels wear white" zu sehen, im chinesischen Original Jiā nián huá (嘉年华). Ein Film in dem viele Heldinnen vorkommen, aber nur ganz wenige Männer. Regisseurin Vivian Qu erzählt die Geschichte zweier Mädchen aus einem auf den ersten Blick gemütlichen Küstenort in Südchina. Das eine Mädchen, eine Schülerin, wird in einem Hotelzimmer missbraucht. Das Zimmermädchen, dass das Ganze mitbekommt, kann aber nicht offen gegen den Täter aussagen, weil sie das selbst in Probleme bringen könnte. Die beiden jungen Protagonistinnen geraten in eine Spirale aus Gewalt, Misstrauen und vor allem Ungerechtigkeiten.
    Wenig Spielraum
    "Frauen und Mädchen müssen sich auf eine bestimmte Art und Weise verhalten, dieses Bewusstsein herrscht in der chinesischen Gesellschaft immer noch vor," erklärt Regisseurin Vivian Qu.
    "Frauen haben mit viel größeren Hürden zu kämpfen als Männer. Deswegen erleben viele dieser Missbrauchsopfer Ungerechtigkeit. Einfach, weil viele glauben: Ach, die Betroffenen sind doch selber Schuld."
    Vivian Qu gilt als eine der wenigen kommerziell erfolgreichen Filmemacherinnen aus Festlandchina. Die immer schärfer werdende Zensur und der allumfassende Machtanspruch der Pekinger Staats- und Parteiführung lässt für Künstler wie sie nur wenig Spielraum. Trotzdem, sagt sie, versuche sie, mit Filmen wie "Angels Wear White" politisch-gesellschaftliche Debatten anzustoßen.
    "I think, this film has a statement. You just have to find the right way."
    Man müsse nur immer den richtigen Weg finden, sich politisch zu äußern, sagt die Pekinger Regisseurin. Und die rote Linie, die das abgrenzt, was man nicht sagen darf in China, müsse man eben versuchen, zu verschieben.
    "We try to push the line. And we try to keep pushing. When they try to push back you push forward …"
    Junge Fans treffen
    Anders als in vergangenen Jahren stehen inner-chinesische Probleme, die sich mit Zensur, mit der Taiwan-Frage oder dem Status von Hongkong beschäftigen, dieses Jahr nicht besonders im Fokus. Stattdessen widmet sich das Hongkonger Filmfestival unter anderem dem Werk von Werner Herzog. Der 75-jährige Filmemacher ist Ehrengast des 42. Hongkonger Filmfestivals. Der gebürtige Münchener wird mit einer Retrospektive geehrt.
    Zu sehen ist unter anderem Herzogs neuester Film "Into the Inferno", eine für Netflix produzierte Dokumentation, in der sich der Herzog wieder einmal mit den Naturgewalten beschäftigt: mit Vulkanen.
    In China ist der ansonsten sehr weitgereiste Werner Herzog zum ersten Mal. In Hongkong, Shanghai und Peking will er sich unter anderem mit jungen Filmschaffenden treffen. Außerdem mit Fans. Und von denen gibt es viele, das weiß Werner Herzog aus den vielen Mails, die er aus China bekommt.
    "Zum großen Teil sind es ganz junge Leute, 15-Jährige, die heute übers Internet plötzlich Zugang zu Filmen von mir haben und auf einmal neugierig sind. Hongkong und Taiwan, Mainland China, noch nicht so viel. Ich dachte, ich muss hier mit meinen Filmen mal auftauchen."