Projekt "Musik statt Straße"

Der Geiger Georgi Kalaidjiev fördert Roma-Kinder

Sliven 2015 Georgi Kalaidjiev begleitet Hristo vom Unterrichtsraum von "Musik statt Strasse" nach Nadeshda. Foto: Rolf K. Wegst
Georgi Kalaidijev mit einem Schüler seines Musikprojekts © Rof K. Wegst
Von Mirko Schwanitz · 28.04.2018
Er gehört zu den besten Geigern der Welt. Geboren wurde Georgi Kalaidjiev vor über 70 Jahren in einem Roma-Viertel im bulgarischen Sliwen. Mit seinem Projekt "Musik statt Straße" will er den Kindern dort Hoffnung auf ein besseres Leben geben.
"Wir stehen hier an unserem Bahnhof in Sliwen. Links und rechts ist dieser Tunnel, was wir sehen. Und dieser Tunnel führt zu einer anderen Welt – meiner Zigeunerwelt."
Jedes Mal, wenn der bulgarische Geiger Georgi Kalaidjiev in seine Heimatstadt Sliwen zurückkehrt, muss er durch eine Eisenbahnunterführung. Sie verbindet das Viertel, in dem er aufgewachsen ist, mit dem Rest der Stadt.
"Wir sind in unserem Viertel "Nadeshda". Das hier sieht nicht so gut aus: Flecken, Pfützen auf der Straße, kaputte Türen, verrostete alte Autos. Das ist total typisch – viel Dreck."

Ein Roma-Kind studiert Geige – und brilliert

Vor 70 Jahren wurde Georgi Kalaidjiev in diesem Viertel geboren. Die damals kommunistische Regierung förderte begabte Roma-Kinder. Er studierte Geige, wurde Konzertmeister bei einem der berühmtesten Kammerensembles der Welt, den "Sofioter Solisten". Kalaidjiev spielte nicht nur in der Royal Albert Hall London, der Carnegie Hall New York oder dem Leipziger Gewandhaus. Er spielte auch fast alle berühmten Filmmusiken für Ennio Morricone ein.
In den 1990er Jahren beendete er seine Weltkarriere, wird Konzertmeister beim Philharmonischen Orchester Gießen. Vor zehn Jahren kehrte er mit seiner Frau Maria Hauschild nach langer Abwesenheit zum ersten Mal in sein Heimatviertel zurück. Beide sind entsetzt.
Maria Hauschild: "Also, als ich das zum allerersten Mal gesehen hab, hab ich gedacht, Kalkutta. Kalkutta mitten in Europa."

Armut und wenig Chancen für die Jugendlichen

Fast 20.000 Menschen leben hier auf engstem Raum. Die Arbeitslosigkeit beträgt 90 Prozent. Die Jugendlichen haben kaum keine Chance, dem Schmutz, der Armut und der Gewalt zu entkommen.
Georgi Kalaidjiev: "Das war ein wunderschönes, sehr tolles Leben mit meiner Geige. Und ich wollte etwas zurückgeben für meine Kinder hier und meine Leute hier, weil diese Armut ist so geblieben wie früher, es geht ihnen sogar noch schlechter, und ich dachte, wie kann ich diesen Kindern helfen."
In einer umgebauten Garage gründeten Maria Hauschild und Georgi Kalaidjiev das Projekt "Musik statt Straße". Es ist das bisher einzige in einem Roma-Viertel Europas, das mit Hilfe von klassischer Musik Kindern eine Zukunft und eine Hoffnung auf ein besseres Leben geben möchte. Finanziert wird es bisher ausschließlich über Spenden und Benefizkonzerte.
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Die jüngste Schülerin ist 5 Jahre alt.© Mairko Schwanitz
Radka Kusseva: "Wenn alle Kinder hier sind, gibt es keine Luft zum Atmen mehr. Bis jetzt aber haben wir bei der Suche nach größeren Räumlichkeiten weder von der bulgarischen Regierung noch von der Stadtverwaltung Unterstützung erhalten."
Die Geigerin Radka Kusseva ist die musikalische Leiterin des Projektes. Gemeinsam mit Kollegen des Sliwener Symphonieorchesters unterrichtet sie in der Enge und Hitze inzwischen 30 Kinder.
"Ich bin Svetelina Kalinova Kristova. Ich bin 14 Jahre alt. Als ich vor sieben Jahren hierher kam, hatte ich noch nie eine Geige in der Hand."
Inzwischen lernt Svetelina, wie fünf andere Kinder aus dem Projekt auch, an den renommiertesten Musikgymnasien des Landes. "Musik statt Straße" hat damit etwas geschafft, was kaum jemand im Viertel für möglich gehalten hätte. Hunderte Anmeldungen hat das Projekt. Doch ohne Hilfe kann "Musik statt Straße" nicht wachsen.

Der Name des Viertels bedeutet "Hoffnung"

Bis heute lehnen Stadtverwaltung und Regierung jede Unterstützung für solche Projekte ab. Den letzten Brief, den Georgi Kalaidjiev an den Bürgermeister schrieb, hatte der nach drei Wochen noch nicht einmal geöffnet.
Doch aufgeben will er nicht. Immer wieder gibt er Benefizkonzerte, damit "Musik statt Straße" weiterlebt. Dafür, dass in Zukunft noch mehr Kinder in dem Roma-Jugendorchester des Projekts spielen können; und so die Erfahrung machen, das der Name des Viertels, aus dem sie kommen, für sie endlich eine Bedeutung bekommt. Nadeshda nämlich heißt übersetzt: Hoffnung.

Am Samstag, den 28. April 2018, gibt Georgi Kalaidjiev in Bad Saarow ein Benefizkonzert zugunsten von "Musik statt Straße" - und stellt das Projekt vor.

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