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Feuer und Ökologie
Pilze und Bakterien reiten auf Rauchwolken

Pilze und Bakterien können im Rauch von Bränden überleben, so die Forschungsergebnisse von Feuerökologen. Die aufgewirbelten Mikroorganismen nutzen den Rauch, um neue Territorien zu erobern - und haben dadurch möglicherweise einen Einfluss auf das Ökosystem an dem Ort, an dem sie wieder landen.

Von Dagmar Röhrlich | 13.12.2019
Dramatische Rauchwolken steigen über dem Berg Granite Creek im Bridger-Teton National Forest in Wyoming in den USA auf.
Brände zerstören den Wald, aber die Vielfalt an Mikroorganismen ist im Feuerrauch doppelt so groß wie in der normalen Umgebungsluft (picture alliance / Ryan Dorgan)
Als sie mit ihren Arbeiten begannen, waren sie einfach nur neugierig. Sie wollten wissen, was eigentlich im Rauch der Wald- und Steppenbrände steckt. Doch dabei entdeckten sie, dass er sozusagen lebt, erzählt die Feuerökologin Leda Kobziar von der University of Idaho:
"Feuer wirbelt viele lebendige Bakterien und Pilze auf und der Rauch trägt sie dann fort. Wir haben im Rauch viermal so viele Zellen gefunden wie in der normalen Umgebungsluft."
Verbrennungsprozess wirbelt Mikroorganismen auf
Für ihre Forschungen sammelten die Wissenschaftler Pflanzen- und Bodenproben in einem Wald in Idaho, die sie dann im Labor unter kontrollierten Bedingungen verbrannten. Außerdem untersuchten sie den Rauch von Wäldern in Florida, in denen das Unterholz regelmäßig kontrolliert abgebrannt wird. Das Ergebnis ihrer Arbeiten:
"Es sieht so aus, als ob die Mikroorganismen in allen Phasen des Verbrennungsprozesses aufgewirbelt werden und in den Rauch gelangen: Während die Brennstoffe erhitzt werden, wenn sie ihr Wasser verlieren, bei Schwelbränden, wenn die Materialien zerfallen. Mikroorganismen werden wohl auch mit diesen winzigen Partikeln hochgerissen, reiten sozusagen auf ihnen und werden so Teil der Rauchwolke."
Erstaunliche Artenvielfalt im Rauch
Sie scheinen das Feuer zu überleben, weil die heiße Luft sie hochwirbelt, bevor beispielsweise das Blatt auf dem sie leben oder der Boden, verbrannt ist. Leda Kobziar:
"Wir sind uns noch nicht sicher, welche Prozesse bei der Verbrennung auf mikroskopischer Skala ablaufen, damit die Mikroorganismen Teil des Rauchs werden können. Die Feuerforschung ist noch nicht in diese kleinskaligen Prozesse vorgedrungen."
Die Analysen der Mikroorganismen selbst belegen, dass sie aus den verschiedensten Waldbereichen stammen: Aus Bodenhorizonten ebenso wie aus den Biofilmen der Blattoberflächen. Im Rauch entsteht so eine Mischung, die sich deutlich von der unterscheidet, die normalerweise in der Umgebungsluft zu finden ist. Leda Kobziar:
"Wir haben DNA-Analysen durchgeführt, um die Gemeinschaften der Mikroorganismen zu vergleichen, und wir sehen ganz verschiedene Gruppen von Pilzen und Bakterien. Außerdem ist die Artenvielfalt der Bakterien im Rauch doppelt so hoch wie in der Umgebungsluft."
Keime für die Bildung von Eiskristallen
Feuer zerstört also die Mikrobengemeinschaften nicht, sondern verändert sie. Mikroorganismen scheinen den Rauch sozusagen dazu nutzen, neue Territorien zu erobern – und sie spielen möglicherweise eine Rolle dabei, das Pflanzenwachstum dort anzukurbeln, wo sie wieder auf dem Boden landen. Etwa wenn es sich um nährstofffixierende Bakterien handelt oder wenn Pflanzen für ihr Wachstum auf ganz bestimmte Bakterien und Pilze im Boden angewiesen sind. Leda Kobziar:
"Nachweisen konnten wir inzwischen, dass die Mikroorganismen im Rauch sehr effizient darin sind, als Keime für die Bildung von Eiskristallen zu dienen. Damit spielen sie wahrscheinlich bei der Wolkenbildung eine Rolle und bei der Entstehung von Regen. Sie haben also möglicherweise einen Einfluss auf Wetter und Klima. Und wenn wir uns anschauen, wieviel Rauch die Flächenbrände Jahr für Jahr weltweit freisetzen, könnte dieser Einfluss beachtlich sein."
Einen anderen Aspekt haben die Forscher gerade zu untersuchen begonnen: den Einfluss auf die Gesundheit der Menschen. Denn unter den Bakterien sind auch Allergene und Krankheitserreger - und die könnte eine besondere Gefahr für die Feuerwehrleute darstellen und für die Bewohner von Gebieten, die tagelang dem Rauch eines Wald- oder Steppenbrands ausgesetzt sind.