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Feuerwehr in der Krise
Zwischen Tradition und Öffnung

Hartmut Ziebs, Präsident des Deutschen Feuerwehrverbandes, steht in den eigenen Reihen in der Kritik. Intern fordern manche seinen Rücktritt. Zuvor hat sich Ziebs von der AfD abgegrenzt und mehr Vielfalt in den Verbänden gefordert – um das Überleben der Feuerwehr zu sichern.

Von Maike Rademaker | 12.12.2019
ARCHIV - 17.05.2017, Berlin: Hartmut Ziebs, Präsident des Deutschen Feuerwehrverbands, steht vor einem Feuerwehrwagen. (zu dpa "Experten: In Deutschland keine riesigen Waldbrände zu erwarten" vom 25.07.2018) Foto: Lino Mirgeler/dpa | Verwendung weltweit
Hartmut Ziebs ist seit 2016 Präsident des Deutschen Feuerwehrverbandes. (dpa / Lino Mirgeler)
Dass der Präsident des Deutschen Feuerwehrverbandes Hartmut Ziebs es ernst meint mit der Vielfalt in der Feuerwehr, lernten seine Mitglieder schnell. Kurz nach seiner Wahl zum Präsidenten 2016 schlug Ziebs eine junge, türkischstämmige, promovierte Juristin, die nicht aus der Feuerwehr kam, als Bundesgeschäftsführerin vor. Der Personalvorschlag stieß auf heftigen Widerstand. Ziebs stellte sie trotzdem ein. Der Fall ist noch jetzt, rund vier Jahre später, nicht erledigt: Die Personalie soll ein Grund gewesen sein, dass fünf Vizepräsidenten unlängst seinen Rücktritt forderten.
Dabei hatte Hartmut Ziebs von Anfang an klar gemacht, dass er für mehr Vielfalt bei der Feuerwehr sorgen will, und für Frauen in Führungspositionen. Er sieht erste Erfolge:
"Ich glaube, wir sind dabei die Kurve zu kriegen, die Frauen für die Feuerwehr zu begeistern. Da sind wir noch nicht sehr weit gekommen, aber wir sind auf dem richtigen Weg, meiner Ansicht nach. Es kommen immer mehr junge Frauen, aber da ist noch richtig Luft nach oben, und da müssen wir uns zum Beispiel Gedanken drüber machen, wie gehen wir denn um mit den Frauen, wenn sie bei uns sind - Stichwort Familienbetreuung."
Ziebs: "Freiwillige Feuerwehr nicht rechtsnational orientiert"
Tatsächlich versuchen viele der rund 24.000 Feuerwehren schon seit längerer Zeit, für mehr Vielfalt in ihren Wehren zu sorgen. So gibt es bundesweit ein Frauennetzwerk, und kreative Ideen wie "Feuerwehromas", die Kinder bei Einsätzen betreuen. In Nordrhein-Westfalen hat sich ein LSBTI-Netzwerk gegründet, für Lesben, Schwule, Bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche Menschen. Es gab große Kampagnen wie "Frauen am Zug", und gemeinsame Projekte mit dem Bundesprogramm für Zusammenhalt und Teilhabe.
Die Feuerwehr bei einem Einsatz in Saarbrücken. 
Streit im Feuerwehrverband: "Man wollte Ziebs eigentlich nur vom Stuhl stoßen"
Bernd Schneider, Vize-Vorsitzender der Feuerwehren in NRW, ergreift Partei für den bisherigen Verbandschef Harmut Ziebs. Diesem war im Präsidialrat das Vertrauen entzogen worden, nachdem er vor rechtsnationalen Tendenzen in der Feuerwehr gewarnt hatte. Eine Mediaton sei abgelehnt worden, sagte Schneider im Dlf.
Trotzdem liegt der Anteil an Frauen bei den Freiwilligen Feuerwehren im Durchschnitt bei 10 Prozent. Der Anteil an Frauen in Berufs- und Werksfeuerwehren liegt sogar unter fünf Prozent. Und nicht einer der 18 Feuerwehrverbände wird von einer Frau geführt. Wie viele Menschen mit Migrationshintergrund bei den Feuerwehren mitmachen, wird nicht im Detail erfasst – aber es sind wenige.
Ziebs betreibt gezielt Öffentlichkeitsarbeit, geht in islamische Kulturvereine und arbeitet mit anderen Verbänden zusammen, darunter mit dem Zentralrat der Muslime:
"Wie können wir junge Menschen, Migranten, die schon in der zweiten oder dritten Generation hier sind, ansprechen, um sie für die Feuerwehr zu begeistern. Es reicht nicht, dass wir uns nur dahin bewegen, wir müssen sie abholen, wir müssen sie mitnehmen, und wir müssen ihnen, das ist unser großes Problem, erklären, wie funktioniert denn Freiwillige Feuerwehr in Deutschland".
Die gegenwärtige Debatte über die Unterwanderung der Feuerwehr durch Rechtsnationalisten wertet er dabei als kontraproduktiv:
"Die Freiwillige Feuerwehr ist nicht rechtsnational orientiert, ich warne nur davor, dass rechtsnationale Tendenzen Fuß fassen können, denn dann schließen wir eigentlich die Migranten und die Vielfalt und die Frauen wieder aus der Freiwilligen Feuerwehr aus."
Die mangelnde Vielfalt ist nicht nur aus Gleichstellungssicht ein Problem. Die Feuerwehr braucht die Frauen und Migranten, denn sie kämpft vor allem auf dem Land mit einem massiven Mitgliederschwund: Es gibt immer weniger Freiwillige, die sich in einer der Feuerwehren engagieren wollen. Ihre Zahl ist um 300.000 auf eine Million gesunken.
Über Vielfalt mehr Mitglieder gewinnen
Grund für den Mitgliederrückgang sind vor allem die demographische Entwicklung und die Landflucht – aber auch ihre meist stramm konservative Ausrichtung. Feuerwehrleute tragen Uniform, sind hochgradig hierarchisch organisiert und pflegen zahlreiche Regeln und Rituale. Ziebs verteidigt das:
"Also, die Feuerwehr ist schon sehr konservativ. Das ist auch gut so. Wir setzen immer auf altbewährte Technologien, weil, die müssen im Einsatz funktionieren. Wir setzen auf bewährte Führungsstrukturen, die müssen im Einsatz funktionieren. Da haben wir keinen zweiten Versuch. Und deshalb braucht die Feuerwehr auch manchmal etwas länger, bis sie neue Ideen umsetzt."
Diese Überzeugung ist Thema interdisziplinärer Forschung zu Diversität bei Feuerwehren. Mit dem Projekt "Fortesy" untersucht die Soziologin und Professorin Ilona Horwath an der Universität Paderborn, warum Feuerwehren so veränderungsresistent sind. Zentral ist nach Ansicht von Horwath das Sicherheitsgefühl: Die Männer trauen Frauen nicht zu, in den oft sehr gefährlichen Einsätzen mithalten zu können, und fürchten um ihre Sicherheit:
"Vertrauen in die Sicherheit ist eine Grundvoraussetzung, um eben in den Einsatz gehen zu können, und gefährliche Situationen erfolgreich gemeinsam bewältigen zu können. Die Einführung von neuen Technologien kann in diesem System dann ebenso Irritationen hervorrufen wie eben die Vergrößerung von Diversität."
Als Beispiel dafür, warum Feuerwehrmänner die Teilnahme von Frauen ablehnen, nennt Horwath das Atemschutzgerät. Diese Ausrüstung kann bis zu 20 Kilogramm wiegen. Im Einsatz kann es vorkommen, dass zudem Brandopfer transportiert werden müssen:
In den Feuerwehren gibt es Vorbehalte
"Der Atemschutz ist ein sehr fordernder Einsatz, wo man sich auch wirklich auf die Kameraden verlassen muss, wo es auch oft um Leben und Tod geht. Und das ist ein Argument, wo dann auch viele, vor allem traditionell orientierte Feuerwehrmänner, sagen, die Frauen haben die körperliche Konstitution nicht dafür."
Solche Einsätze sind zwar körperlich anspruchsvoll, aber dass Frauen sie schaffen, zeigen sie bei Polizei und Militär – dort sind die Anforderungen ähnlich. Damit sich die Haltung zu Frauen ändert, müsste es deswegen mehr gemeinsame Übungen geben, sagt Horwath. Die Truppe muss lernen, dass nicht die Zusammensetzung der Gruppe, sondern gute Ausbildung, Technik und gemeinsame Erfahrung einen Einsatz erfolgreich machen.
In den USA bietet man deswegen Frauen laut Horwath Trainingscamps an, wo sie Techniken lernen, um fehlende Kraft auszugleichen: Smart statt Hart. Der Anteil der Frauen bei der Feuerwehr liegt allerdings auch dort noch im Schnitt unter 10 Prozent.