Samstag, 20. April 2024

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Feuilletonistischer Geist

Er muss eine bemerkenswerte Erscheinung abgegeben haben. Nicht viele Porträts von Ferdinand Hardekopf sind überliefert. Das bekannteste Photo des jungen Schriftstellers jedoch scheint diesen Mangel durch ein Übermaß an Ausdruckskraft wettzumachen. Es zeigt eine – ja, man kann es durchaus so nennen – expressionistische Physiognomie, in der die Einzelheiten durch harte Schatten dramatisch herausgehoben werden. Seine Freundin Sylvia von Harden zeichnete in Worten folgendes Bild:

Eberhard Falcke | 28.03.2004
    Sein scharfes Profil, seine graumelierten Haare, die großen dunkelbraunen Augen unter den buschigen Augenbrauen, seine kräftige Nase, den seltsam herausfordernden Mund, seine schönen Hände, den Zauber seines Geistes durfte ich sieben Jahre lang an seiner Seite ... bewundern.

    Künstler- und Literatenkreise waren Hardekopfs Gesellschaft. Er schrieb für die wichtigsten Zeitschriften des expressionistischen Jahrzehts, für Siegfried Jacobsohns Schaubühne, Herwarth Waldens "Der Sturm", Franz Pfempferts Die Aktion und für die Jugend. In Berlin arbeitete er mit am Kabarett Größenwahn, in Zürich an Hugo Balls Dada-Bühne Cabaret Voltaire. Hardekopfs Lebensstil entsprach der Bohème, seine Orte waren die Paradiese der Nacht, wo die Geistestätigkeit von Stimulanzien aller Art angeregt wurde: die Cafés, Bars, Cabarets, Varietés, Music-Halls, und nicht zu vergessen die zu seiner Zeit modernste Unterhaltungsattraktion, das Kino. Wir Gespenster heißt eines seiner bekannteren Gedichten, das den expressionistischen Tenor und Gestus idealtypisch demonstriert.

    Wir haben all unsere Lüste vergessen,
    In Cinémas suchen wir Grauen zu fressen;
    Erleuchtete Tore locken uns sehr,
    Doch die Angst ist gering – wir brauchen viel mehr.

    Als Knaben sind wir ins Theater gegangen,
    Nach gelben Actricen ging unser Verlangen;
    Nur Herr Kerr geht noch hin, gegen Wunder geimpft,
    Der Bürger, der Nietzsche und Strindberg beschimpft.

    ...

    Aus der Welt Dostojewskis sind wir hinterblieben:
    Gespenster, die Lautrec und Verzweiflung lieben.
    Wir haben nichts mehr, was einst wir besessen,
    In Cinémas suchen wir Grauen zu fressen.


    Der Expressionismus war Kunst gewordene Angstlust angesichts der Moderne, der Industrialisierung, der städtischen, der protletarischen Massen und der Metropolen, in denen sich all diese Dynamik konzentrierte. Man verdammte die alte Zeit, begrüßte den Anbruch einer neuen Welt, war zugleich fasziniert und erschrocken und verband den Zwiespalt der Gefühle in gelegentlich grellen Weissagungen, deren Ton zwischen Abgebrühtheit und Hysterie variierte. Diesen Ton allerdings machte sich Hardekopf nur manchmal zueigen, ebensooft wahrte er zum drängenden expressionistischen Pathos eine eigene Distanz.

    Hardekopf war eine eindrucksvolle und regsame Gestalt. Trotzdem hat er in der Literaturgeschichte eher schemenhafte Spuren hinterlassen. Daran ändert auch nichts sein überliefertes Werk. Eher bestätigt es diese Tatsache. Kaum 130 Seiten umfassen alles in allem die drei Buchveröffentlichungen, mit denen der Schriftsteller zu Lebzeiten hervorgetreten ist. 1913 veröffentlichte er den Dialog "Der Abend. Ein kleines Gespräch" von nicht mehr als neun Seiten. 1916 erschienen unter dem Titel "Lesestücke" 20 Gedichte und sieben Prosatexte. 1921 folgte der Band "Privatgedichte", enthaltend 28 derselben, ein Viertel davon war jedoch schon in "Lesestücke" abgedruckt. Macht also zusammen 41 Gedichte und acht Prosaarbeiten.

    Zu Hardekopfs 50. Todestag am 24. März hat Wilfried F. Schoeller dieses Werk im Arche Verlag nun erneut herausgegeben. Dessen schmalen Umfang interpretiert er in seinem Nachwort auf die allerschönste Weise folgendermaßen:

    Man könnte sein poetisches Werk als eine fortgesetzte Übung in Schwerelosigkeit verstehen. [...] Ferdinand Hardekopf, einer der Elegants unter den Dichtern aus der Epoche des Expressionismus, hat sein schmales Oeuvre gleichwohl erarbeitet, einer Artistenkontrolle unterzogen. Im Gegensatz zum natürlichen Begehr von Autoren nach Entfaltung aller ihrer Möglichkeiten war der Lyriker und Miniaturist Hardekopf mit der schwierigsten aller Künste, der des Weglassens und der Vermeidung, befasst. Er selbst, in den 1940er Jahren um Stichworte zu seiner Biographie gebeten, betonte, dass er ‚mehr Verheimlichung als Veröffentlichung‘ geübt habe.

    Allerdings steht, zumindest was die posthume Publikation angeht, noch das Versprechen einer Erweiterung des Werkumfangs im Raum. Erklärtermaßen versteht der Herausgeber die vorliegende Edition

    als "Vorbote einer umfassenden kritischen Edition der Gesammelten Dichtungen und Briefe, die den ganzen Schriftsteller – auch in seinem literarischen Umfeld – ausbreiten wird.

    Eine solche Ausgabe wurde von Ingrid Heinrich-Jost vorbereitet, dann aber durch ihren frühen Tod ins Stocken gebracht. Gleichwohl kann man für den vorliegenden Band dankbar sein. Er bringt Hardekopf anläßlich des Gedenkdatums nach langer Zeit endlich wieder einmal in die Buchhandlungen und außerdem eignet er sich hervorragend, das Interesse an diesem Autor und die Neugier auf das, was von ihm noch zutage kommt, wieder zu beleben.

    So darf man es zum Beispiel als offene, zweifellos spannende Frage ansehen, ob im Licht einer umfassenderen Ausgabe Schoellers überaus ehrende Einschätzung des Werkes zu halten ist. Schließlich gehört es zu den Kunstgriffen der positiven Legendenbildung wenn man alle Eigenheiten eines höchst fragmentarisch anmutenden, in sich keineswegs kohärenten Werkes als Absicht und Kunstwillen des Autors verklärt. Im Falle von Hardekopf wird dadurch jedoch eher Widerspruch geweckt, aus dem einfachen Grund, weil sich auch die ganze Werkgestalt gegen diese glättende Sichtweise zu sträuben scheint.

    Jedenfalls lassen die hier vorliegenden Texte auch ganz andere Schlüsse zu. Nehmen wir nur die schüttere Werkgestalt, die der Herausgeber auf die "schwierigste aller Künste, die des Weglassens und der Vermeidung" zurückführt. Gerade diese Vorstellung von der literarischen Arbeit als einer zunehmenden Konzentration und Verdichtung läßt sich jedoch mit den Texten schwerlich in Verbindung bringen. Auch wenn Hardekopf in Buchform nur mit einem schmalen Werk an die Öffentlichkeit getreten ist, so hat er doch gleichwohl viel geschrieben. Er war Theaterkritiker, verfasste für zahlreiche Blätter Glossen und Feuilletons, schrieb Kommentare und manches mehr.

    Vor allem aber zeugen auch seine poetischen Texte keineswegs von übermäßig skrupelhaftem, allein auf Wesentliches zielendem Umgang mit der Sprache. Was nicht heißt, dass sie keine außerordentlichen Qualitäten besäßen. Nur eben gehört die Kunst des Weglassens nicht dazu. Schon das erste Stück "Der Abend. Ein kleines Gespräch" ist ein Pastiche aus verschiedensten Elementen, das sich formal wie inhaltlich als durchaus übermütiges Spiel mit Zitaten, Anspielungen und Versatzstücken ausnimmt. Ein Paar, der Herr und die Hure, betritt das Hotelzimmer. Beide verbindet nicht eine Handels- sondern eine innigste Liebesbeziehung. Der Bürger sucht das wahre Leben in der Unterwelt und das leichte Mädchen hofft auf die romantische Überhöhung ihres Berufs.

    Das Stück ist eine vorzügliche Kabarettnummer, ein Kürzestdramolett für die Brettlbühne. Und es ist ein Beleg dafür, dass Hardekopf mit vielerlei literarischen Formen experimentierte ohne in deren Druchführung übermäßige Strenge walten zu lassen.

    Ein glanzvoll schillerndes Beispiel für den Formenwirrwarr in den Hardekopf sich versteigen konnte, ist das Gedicht "Morgenarbeit". Auf zweieinhalb Seiten wechseln hier gereimte und freie Verse mit poetischer Prosa ab, knappe Szenenbilder stehen neben Augenblicksprotokollen, auf Aperçus folgen Sätze nach dem Muster essayistischer Reflexionen. Hier fällt mit aller Deutlichkeit ins Auge: Da spricht ein Dichter, der sich nicht so leicht genug tun konnte im Aufgreifen von Anregungen, Wahrnehmungen und Einfällen. Ganz abgesehen davon, dass zu alledem noch Auskunft erteilt wird über die von nervöser Empfänglichkeit bestimmte Arbeitsweise des Metropolenflaneurs.

    - - - Berlin W. 50. Die Morgenfrische. Schmelzender Schnee,
    halb-hübsches Getrief.
    Schnell diese Nacht heimtragen, auf das Hochplateau des
    Schreibtisches.
    Schon auf der Plattform der Trambahn beginnt die Arbeit.
    Man ist leicht geätzt, eindrucksbereit.
    Junge Mädchen, in der Spannung dieses Vormittags, besteigen
    den Wagen.


    "Man hat gebummelt. Man wird darüber schreiben", heißt es abschließend. Ferdinand Hardekopf muß ein vielseitiger Mann gewesen sein, einer, der sich nach vielen Richtungen orientierte, der gewiß mehr als einer Linie, einem Projekt, einer Obsession folgte. Sein Freund Kurt Hiller, der Begründer des "Neopathetischen Cabarets", in dem die frühen Expressionisten auftraten, nannte ihn einen "großzügig Zerrütteten, oszillierendes Wunder, Orchis, träumenden Spätsophisten".

    Die Großstädte, das Nachtleben, die Drogen, die Halbwelt und die von aller Bürgermoral befreite Erotik gehörten zum zentralen Bestand der expressionistischen Sujets, außerdem das Groteske, das Häßliche, die visionären Schocks, welche die modernen Metropolen für die empfänglichen Gemüter bereithielten. Hardekopf gab sich jedoch um einiges urbaner - oder mit Schoeller zu sprechen: eleganter - als die meisten expressionistischen Poeten, die zudem zehn bis fünfzehn Jahre jünger waren als der 1876 geborene.

    Das treibende expressionistische Pathos, welches gleichsam von den Metropolendächern herab über das Schicksal von Mensch und Welt psalmodiert, war seine Sache nicht. Eher formulierte er kapriziös, verspielt und selten ohne einen mehr oder weniger großen Schuß Ironie. In seinen literarischen Vorlieben war er entschieden geprägt durch Baudelaire sowie das poetische Posenspiel der Décadence mit ihren spleenigen und dandyhaften Attitüden. So hat in den meisten seiner Gedichte und Texte der souveräne Beobachter das Wort, der stets genügend distanzierenden Spielraum bewahrt, um am "Hochplateau seines Schreibtisches" sich seinen Reim zu machen. "Bar" ist ein Gedicht lapidar überschrieben, das es wert ist, jede Sperrstunde zu überdauern.

    Ein Prunk-Salon, wie eine Schiffskajüte.
    Man sitzt in Club-Fauteuils bei Sekt und drinks.
    Die schmalsten Mädchen tragen Riesenhüte
    Und lächeln sanft, wie Mädchen Maeterlincks.

    ...

    Liane tanzt – und giebt die jungen Glieder,
    Die sehr gepflegten, jedem Wagnis hin.
    Sie biegt und rankt sich und entschmiegt sich wieder
    Und ist ein Tier und eine Königin.

    Es gährt Apachenblut in diesen Damen ...
    Doch ist Liane dann vom Rausch erwacht
    Und blieb, als reiche Cavaliere kamen,
    Natürlich nur noch aufs Geschäft bedacht.


    "Apachen", so hieß der Stamm der Pariser Unterwelt mit seinen Ganoven, Zuhältern und Freudenmädchen. Ihre Welt übte auf Künstler und abenteuerlustige Bürger unwiderstehliche Anziehungkraft aus. Hier, an den zwielichtigen Rändern der Gesellschaft suchten die geistig regsamen Zeitgenossen und besonders die Vertreter der Avantgarde, nach dem authentischen Leben. Hardekopf war von all diesen Haltungen und Stimmungen erfüllt, er jagte ihnen nach, nur waren die Einflüsse, denen er sich aussetzte, vielfältig gemischt. Er wechselte die Stile zwischen Baudelaire-Anleihen, Dandytum, Décadence und Expressionismus-Tönen, seine zahlreichen Frauenbilder oszillieren zwischen erotischer Dämonie, Dirnenromantik und moderner Sachlichkeit.

    Vermutlich war Hardekopf in erster Linie überhaupt ein feuilletonistischer Geist: aufnahmefähig, vielseitig interessiert, mit einer großen Neigung zur Skizze und geistreich-phantasievollen Betrachtung und überdies stets bereit, den Stil mit den Gegenständen, über die er schrieb, zu wechseln. Dadurch wäre sein gelegentliches und sehr vorübergehendes Auftreten als Dichter wohl am plausibelsten zu erklären. Schließlich umfasst die Zeit seiner lyrischen Produktion nicht einmal ein Jahrzehnt. Vor allem aber nehmen in seinem Band "Lesestücke" von 1916 die feuilletonistischen Textformen einen erheblichen Raum ein. Diese sieben Prosastücke haben mit poèmes en prose, wie gelegentlich behauptet wurde, wenig zu tun. Einige davon sind kapriziöse erzählerische Etüden oder Versuche, nicht ohne Reiz, doch auch nicht sonderlich bedeutend. Die übrigen lassen sich schlichtweg dem klassischen Feuilleton zuschlagen. Zum Beispiel der wunderbare Rundgang durch die Tingeltangelbezirke von Marseille unter dem Titel "Das moralische Varieté".

    In Marseille, dieser gefährlichen Stadt, die fast schon Afrika ist, und auf deren Straßen die Hautfarbe tunesischer und algerischer Frauen das Repertoire europäischer Sinnlichkeit um eine wilde Irritation bereichert, in dieser Stadt, zerwühlt von Sonnenglut, Verbrechen, Vergangenheit, gehörten meine Abende dem café-concert, dem Varieté. [...] Ein der eigenen Sicherheit müdes Publikum schlürft hier die Lyrik, die Moral, den Ehrenkodex der ‚Feinde‘, der Helden des Aristide Bruant, jener unbestimmten, aufgelösten, hin- und hergeworfenen Schicht, die die Franzosen ‚la Bohème‘ nennen. [...] In der Tat, lieber wollen die Franzosen nach wie vor ermordet werden, als auf die Anbetung ihrer Mörder verzichten. Frankreich kokettiert mit denen, die es sabotieren; neidisch schielt es nach der neuen Sittlichkeit, die erwächst, sobald alle Grenzen überschritten sind, nach der Disziplin der Entordneten, nach ihrer leidenschaftlichen Moral – welcher das café-concert Hymnen dichtet in unermüdlichen Variationen.

    In diesen Kunstwelten mit dem Anstrich des nackten tobenden Lebens sammelte Hardekopf nicht den geringsten Teil seiner poetischen Anregungen. Obwohl das expressionistische Angst-Motiv auch in seinen eigenen Versen öfter aufblitzt, wußte er genau, dass sogar existentielle Nöte durch Mode und Medien gelenkt werden können. Darauf zielt das Poem "Der Dichter T*", das sich leicht als Spottgedicht über expressionistische Posen entschlüsseln lässt.

    Ich ward durch meine große Angst berühmt.
    Mein Kissen tönte sie mir zu.
    Ich schrieb sie auf –
    Doch alle hatten soviel Angst, wie ich.

    O schwankes Wunder, wenn mein Stern aus Abendblättern glomm!
    Mich Bitternis und Hohn, die feinsten Zungen priesen mich!"
    [112]

    Stilbildend für den Expressionismus, so betont Wilfried F. Schoeller in seinem informationsreichen Nachwort, war Hardekopf bereits in der frühen Phase vor dem Ersten Weltkrieg. Später jedoch distanzierte er sich von der Bewegung mit einiger Schärfe.

    "1920 bekannte er in einem Brief an Hugo Ball, er halte den ‚‚expressionistischen‘ Jargon, dieses Lallen begabter Lustsäuglinge, diese Anmaßung verwöhnter Nervenbündel‘ nicht mehr aus. ‚Die Herren können ja nichts‘, befand er, ‚sind unzurechnungsfähige Plärrer.


    Es war daher sicherlich ein demonstrativer Fingerzeig, wenn in den "Privatgedichten" von 1921 die bereits fünf Jahre zuvor in den "Lesestücken" abgedruckten Baudelaire-Übertragungen erneut hochgehalten wurden. Hier lagen offenbar die dauerhafteren Vorlieben Hardekopfs. Was allerdings auch hieß, dass hinfort seine eigene poetische Produktion versiegte. Danach widmete er einen wesentlichen Teil seiner Energie der Übersetzerarbeit aus dem Französischen. Er übertrug unter anderen André Gide, André Malraux, Jean Cocteau, Colette, außerdem Balzac, Zola oder Maupassant.

    Viele Einzelheiten aus Hardekopfs Biographie liegen in Ermangelung tauglicher Quellen noch im Dunkeln. Wilfried F. Schoeller hat gewissenhaft aufgeführt, was derzeit greifbar ist. 1933, zu Beginn der nationalsozialistischen Herrschaft, distanzierte sich Hardekopf mit aller Schärfe von allen, die, wie etwa der S.Fischer Verlag, auch nur eine abwartende Haltung einnahmen. Er selbst ging nach Frankreich ins Exil. Die Worte, mit denen er den Schrifsteller Jean Giono ermahnte, die Teilnahme an einem deutsch-französischen Literaturtreffen zu verweigern, machen deutlich, dass er sich über den Charakter des Regimes nicht die geringsten Illusionen machte.

    Dieses Regime fährt fort, Ihre deutschen Kollegen zu foltern auf eine Weise, die jedes menschliche Fassungsvermögen übersteigt. Es würde auch sie quälen, wenn sie unglücklicherweise unter dieser Knute leben müßten, und nicht der große französische Erzähler wären, dessen unwissender Komplizenschaft man sich gern versichert wüßte.

    Hardekopfs poetisches Werk mag schmal sein, hochinteressant ist es trotzdem, gerade weil es zum Expressionismus in so spannungsreicher, zwiespältiger Beziehung steht. Und es enthält beides: Poetische Glanzstücke von überzeitlichem Wert und eine ganze Reihe brillant schillernder Stücke, in denen Atmosphäre und Geist des expressionistischen Jahrzehnts faszinierend zur Geltung kommen. Ferdinand Hardekopf war zweifellos ein Geist, ein Charakter, eine Persönlichkeit, ein Schriftsteller, doch in alledem war er wohl von wesentlich kräftigerer Statur denn als reiner Dichter. Es kann für die Einschätzung seiner Bedeutung nur von Vorteil sein, wenn demnächst mehr von seinen Schriften ans Licht kommt. Dann könnte sich womöglich erweisen, dass sein Werk unter einem weiter gefassten Gattungsbegriff besser aufgehoben ist als unter dem streng-erhabenen für etliche seiner Texte nicht sonderlich passenden Titel "Dichtungen".

    Ferdinand Hardekopf
    Wir Gespenster. Dichtungen
    Herausgegeben und mit einem Nachwort von Wilfried F. Schoeller Arche Verlag, 157 S., EUR 14,50