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Fieber-Gentest in der Entwicklung

Damit festgelegt werden kann, ob Fieber mit Antibiotika behandelt wird oder nicht, muss vorher zuverlässig geklärt werden, was die erhöhte Temperatur auslöst: Bakterien oder Viren? US-Forscher berichten nun von einer Art Gentest, der genau zwischen viralen und bakteriellen Infektionen unterscheiden kann.

Wissenschaftsjournalist Volkart Wildermuth im Gespräch mit Monika Seynsche | 16.07.2013
    Monika Seynsche: Kleine Kinder bekommen Fieber – und das ziemlich oft. Meist reichen dann kalte Wadenwickel und viel zu Trinken aus, und der Spuk ist nach ein paar Tagen vorbei. Aber wenn das Fieber bleibt, muss der Arzt entscheiden,ob er Antibiotika gibt oder nicht. Denn sind Bakterien am Fieber schuld, dann helfen Antibiotika schnell und effektiv. Aber wenn Viren die Probleme verursachen, nützen die Antibiotika nichts und die Pillen befördern höchstens die Ausbreitung von Resistenzen. Forscher aus den USA stellen jetzt in der Zeitschrift "PNAS" eine Art Gentest vor, der genau zwischen viralen und bakteriellen Infektionen unterscheiden kann. Mein Kollege Volkart Wildermuth hat sich die Arbeit angesehen und ist uns jetzt aus Berlin zugeschaltet. Herr Wildermuth, ein aufwendiger Gentest, nur um zwischen Viren und Bakterien zu unterscheiden – das klingt ein wenig, als würde da mit Kanonen auf Spatzen geschossen, oder?

    Volkart Wildermuth: Ja, das schien mir erst einmal auch so. Aber diese Unterscheidung zwischen Viren und Bakterien ist eben nicht trivial. Beide Erregertypen verursachen ähnliche Symptome, aber müssen ganz unterschiedlich behandelt werden. Und heutzutage nimmt der Kinderarzt meist eine kleine Blutprobe, zählt die weißen Blutkörperchen. Sind wenige da, dann spricht das für Viren, bei vielen eher für Bakterien. Aber dieser Test ist eben alles andere als eindeutig. Und die Kinderärzte am um Gregory Storch von der Universitätsklinik in St. Louis, in Amerika, wollten wissen, ob das nicht besser geht und haben sich deshalb mit diesen Genetikern zusammengetan. Nicht weil sie am Ende jedem Kinderarzt eine Genomsequenziermaschine in die Praxis stellen wollen, sondern weil sie sich erhoffen, über diese breite Analyse dann genau die Parameter zu finden, die man mit einem einfachen Test dann tatsächlich in der Praxis verwenden kann.

    Seynsche: Und was haben die Forscher da genau untersucht?

    Wildermuth: Die sind einen neuen Weg gegangen. Normalerweise sucht man ja direkt nach dem Erreger. Aber wenn man da keinen konkreten Verdacht hat, führt das meistens zu nichts. Und Gregory Stroch hat die Idee gehabt, dass das Immunsystem die Erreger ja eigentlich schon erkannt hat. Deshalb ja das Fieber. Und er hat deshalb nicht angefangen, Erregerdaten zu untersuchen, sondern die Abwehrzellen, die weißen Blutkörperchen, und hat dann bei fiebrigen Kindern – entweder viral oder bakteriell bedingt – und bei gesunden Kindern die Genaktivierung in diesen weißen Blutkörperchen sich angesehen und da tatsächlich entscheidende Unterschiede gefunden, wo er unterscheiden konnte: Sind Viren schuld oder Bakterien?

    Seynsche: Und wie sehen diese Unterschiede aus?

    Wildermuth: Es ist so, dass Bakterien und Viren den Körper vor unterschiedliche Herausforderungen stellen. Viren sind ganz klein, die vermehren sich im Inneren der Zellen, während die großen Bakterien dazwischen sitzen – mitten im Gewebe. Und entsprechend gibt es auch zwei Reaktionswege im Immunsystem: Erkennen die Abwehrzellen ein Virus, dann schütten sie erstmal Interferon aus. Und dieser Botenstoff dämpft die Vermehrung der Viren im Inneren der Zellen und er ruft auch Abwehrzellen auf den Plan, die dann diese infizierten Zellen beseitigen. Bei Bakterien gibt es ein anderes Informationsmolekül, das sind die sogenannten Integrine. Die vermitteln den Kontakt zwischen Zellen und organisieren eben die Abwehr rund um die Bakterien. Und bei den viralen Infektionen aktivieren diese weißen Blutkörperchen Gene aus dem Umfeld des Interferons – und bei Bakterien sind es eben Gene aus dem Umfeld der Integrine, die da aktiv werden.

    Seynsche: Sie haben den Test beschrieben. Wie gut waren denn die Ergebnisse, also wie gut hat dieser Test funktioniert?

    Wildermuth: Also der war ziemlich gut. Forscher haben den Test erstmal an 30 Kindern entwickelt, haben den dann an 200 weiteren Kindern erprobt. Und da hatten sie eine Trefferquote von 95 Prozent. Das ist sehr gut. Da lagen sie richtig, wenn sie alle auffälligen Gene – das sind weit über 1000 – analysiert haben. Wenn sie sich nur die 30 wichtigsten angeschaut haben, konnten sie immer noch bei neun von zehn Kindern richtig liegen. Das ist auch immer noch deutlich besser als dieser normale Bluttest.

    Seynsche: Das heißt, es läuft aber doch auf einen Gentest für den Kinderarzt hinaus. Ist das denn sinnvoll?

    Wildermuth: Nein, das wäre wirklich zu aufwendig. Aber jetzt hat man eben eine Idee davon, welche Gene wirklich die entscheidende Rolle spielen. Und Gregory Storch hofft jetzt, einen ganz klassischen Test entwickeln zu können. Einfach so ein Teststäbchen, das dann verlässlich erkennt: Geht’s um eine bakterielle oder um eine virale Infektion? Das wird jetzt noch drei bis fünf Jahre dauer, aber denkt, er hat jetzt einen Ansatzpunkt dafür gefunden. Und ganz generell sagt er: Diese Idee, nicht konkret nach dem Erreger zu schauen, sondern nach der Reaktion des Immunsystems, könnte immer dann weiterhelfen, wenn eben nicht genau klar ist, wodurch ein Krankheitsbild verursacht wird.