Donnerstag, 25. April 2024

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FIFA-Kongress
"Die Korruptionsaffäre geht erst richtig los"

Nach dem Rücktritt des kuweitischen Scheichs und Strippenziehers Ahmed Al-Sabah aus dem FIFA-Vorstand und von allen Ämtern im Fußball stellt sich vor dem anstehenden Kongress die Frage, wie sich die FIFA zukünftig aufstellt. Zumal die US-Justiz ein genaues Auge auf die Veränderungen legen dürfte, sagte FIFA-Experte Thomas Kistner im DLF.

Thomas Kistner im Gespräch mit Marina Schweizer | 06.05.2017
    Scheich Ahmad Al-Fahad Al-Sabah
    Scheich Ahmad Al-Fahad Al-Sabah (EPA/Tatyana Zenkovich)
    Ab kommenden Mittwoch findet in Bahrain der FIFA-Kongress statt, streng beobachtet von der US-Justiz, die Ermittlungen unter dem Schirm des Anti-Mafia-Gesetztes durchführen und bereits gedroht haben, die FIFA vom Opfer zum Täter zu machen, falls sie ihren Korruptionsskandal nicht hinreichend aufklärt. Noch scheint der Fußball-Weltverband allerdings weit davon entfernt zu sein, sagt Thomas Kistner, sportpolitischer Journalist von der Süddeutschen Zeitung: "Die FIFA hat Anfang April erklärt, dass der Korruptionsskandal für sie vorbei sei. Das war Wunschdenken und blühender Unsinn."
    Das Problem sei, dass mit Gianni Infantino ein Mann am Ruder ist, der in derselben Blase lebe wie sein Vorgänger Sepp Blatter: "Er hält sich für unverwundbar. Er führt die FIFA im Gutsherrenstil, obwohl das in Folge der Reform ja ganz anders sein sollte. Infantino hat also erst durch die US-Justiz begriffen, dass die Affäre nicht vorbei ist, sondern erst richtig los geht."
    Vor allem die Anklage gegen den FIFA-Funktionär Richard Lai könnte zu einem großen Problem werden, vermutet Kistner: "Der Mann saß in der Finanzaufsicht der FIFA, dem Audit- und Compliance-Komitee. Dass ihn die Amerikaner dort bis zuletzt beließen, zeigt, dass Lai wichtige Informationen aus dem FIFA-Inneren zutrug."
    Al Sabah "ein Torpedo im Bauch des Weltsports"
    Und so werden die Ermittler ganz genau hinschauen, was die FIFA bei ihrem Kongress beschließen wird. Denn die Vorhaben, die dort umgesetzt werden sollten, wären laut Kistner durchaus geeignet, dass die US-Justiz die FIFA zum Täter umdeklariert. "Zu den Vorhaben zählt die Entmachtung des gerade neu geschaffenen 36-köpfigen FIFA-Rats. Und zwar zugunsten eines von Infantino favorisierten Rats-Ausschusses mit ihm und den sechs Erdteilchefs. Und schließlich will man anscheinend die unbequemen Chefs der Ethik-Kommission loswerden."
    Schließlich spiele der kuweitische Scheich Ahmed Al Sabah, der kürzlich wegen Bestechungsvorwürfen von allen Ämtern im Fußball zurückgetreten war, ebenfalls eine große Rolle, erklärt Kistner: "Al Sabah ist die Schlüsselfigur in der gesamten Sportwelt. Er und seine Handlanger bewegen sich wie dubiose Schattenmänner durch den Sport – von Handball bis Schwimmen, von FIFA bis IOC. Aus meiner Sicht ist Al Sabah ein Torpedo im Bauch des Weltsports. Ein Torpedo, das die US-Justiz jetzt scharf macht."
    Damit könnte die Affäre nach der FIFA auch das Internationale Olympische Komitee erreichen. "Denn Al Sabah war nicht nur Thomas Bachs stärkster Wahlhelfer bei dessen Kür zum IOC-Boss. Für das IOC droht das Ganze sehr eng zu werden."
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