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Rätselraten über Blatter-Motive

Die Fußball-Welt rätselt weiter über die Rücktritts-Motive von FIFA-Präsident Joseph Blatter. Nachdem der 79-jährige Schweizer sämtliche Krisen überstanden und am vergangenen Freitag die Wahl zum Chef des Weltverbandes erneut gewonnen hat, sind die Beweggründe für den freiwilligen Abschied unklar. Mutmaßungen gibt es allerdings.

03.06.2015
    Fifa-Zentrale in Zürich
    Fifa-Zentrale in Zürich (dpa/picture-alliance/Steffen Schmidt)
    Berichte der Zeitung "New York Times" und des Senders ABC legen den Schluss nahe, dass Blatter auf juristischen Druck - und eventuell sogar in einer Kurzschlussreaktion - agiert haben könnte. Das FBI soll auch gegen ihn ermittelt haben, wie die "New York Times" unter Berufung auf Ermittler berichtet hatte. Der Sportanwalt Brian Socolow vermutet gar, dass es einen Deal zwischen amerikanischen Ermittlern und Blatter gegeben haben könnte.
    Aus dem FIFA-Hauptquartier in Zürich gab es keine Kommentare. "Die Arbeit geht normal weiter. Die Vorbereitungen für die Frauen-WM und die WM-Auslosung laufen", hieß es. Blatter wurde am Tag nach der Bekanntgabe seines Rücktritts von den Mitarbeitern bei einem Belegschaftstreffen mit freundlichem Applaus bedacht. Demnach soll keine große Aufregung herrschen. Medienvertreter hatten keinen Zutritt zum Gebäude.
    Verteidigung kommt von der Tochter
    Nach Angaben von Blatters Tochter hat der überraschende Rücktritt ihres Vaters nichts mit möglichen Ermittlungen gegen ihn zu tun. "Mit dieser Entscheidung wollte er in erster Linie auch uns, seine Familie, schützen", zitierte die Zeitung "Blick" Corinne Blatter-Andenmatten in ihrer Mittwochausgabe. "Seine Entscheidung hat nichts, aber auch gar nichts mit den kursierenden Anschuldigungen zu tun."
    Währenddessen versucht sich der europäische Fußballverband UEFA zu sammeln. UEFA-Chef Michel Platini hat einen für das Wochenende geplanten Krisengipfel seines Verbands in Berlin abgesagt. Es sei besser, die Entwicklungen abzuwarten, sagte Platini. Er verwies auf die "schwer einschätzbare Natur" der US-Ermittlungen gegen Korruption in der FIFA. Täglich würden neue Informationen enthüllt. "Ich denke, es ist vernünftiger, sich Zeit zu nehmen, um die Situation zu bewerten", sagte Platini.
    DFB-Präsident Niersbach fordert schnellere Neuwahl
    Die amerikanische Justizministerin Loretta Lynch setzt allerdings keine großen Hoffnungen in den Reformeifer der FIFA. Der Fußball-Weltverband sei bis in die höchsten Ebenen korrupt, sagte sie im Interview mit der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". "Wirklich beunruhigend ist, was sich im Zuge der Ermittlungen herausgestellt hat: Jedes Mal, wenn die FIFA nach internen Untersuchungen korrupte Funktionäre abgesetzt hat, wurden sie durch andere ersetzt, die genau in derselben Art und Weise weitermachten." Diese hätten ihre neue Position vor allem als Gelegenheit gesehen, Bestechungsgelder anzunehmen.
    Die amerikanischen Behörden ermitteln gegen 14 zum Teil ranghohe Funktionäre. Ob es auch eine Anklage gegen Blatter geben werde, wollte Lynch nicht beantworten.
    Voraussichtlich zwischen Ende Dezember und März 2016 soll bei einem außerordentlichen FIFA-Kongress ein Nachfolger Blatters gefunden werden. Der Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), Wolfgang Niersbach, fordert eine schnellere Neuwahl. Ein Termin "erst im Frühjahr" sei "äußerst problematisch", erklärte Niersbach. "Ich würde ganz klar dafür eintreten, diesen Prozess zu beschleunigen."
    (pg/ach)